Für sich und die Erde sorgen: Wer nach dem Prinzip dem Permakultur wirtschaftet, schont Ressourcen.
Das kommt letztlich allen zugute.
Autorin: Gisela Dürselen, 01/19
Permakultur und ökologischer Landbau haben vieles gemeinsam. So streben beide geschlossene Nährstoffkreisläufe an, und beide setzen auf Vielfalt und Nützlinge und auf eine Förderung der Bodenfruchtbarkeit. Doch es gibt auch Unterschiede: Zum Beispiel wachsen im ökologischen Landbau Pflanzen auch auf grossen Flächen – Permakulturisten experimentieren mit Selbstversorgung im Kleinen. Deshalb ist Permakultur ein wichtiges Thema beim urbanen Gärtnern.
Konkrete Anweisungen fürs Gärtnern liefert die Permakultur allerdings wenig. Denn jeder Ort hat seine Besonderheiten. Permakultur-Pionier Bill Mollison erkannte, dass die Natur von sich aus wunderbar effizient arbeitet und in dauerhaften, sich selbst erhaltenden Kreisläufen funktioniert. Darum ist das wichtigste von seinem Schüler David Holmgren formulierte Handlungsprinzip die Beobachtung der Natur. Die Arbeit eines Permakulturisten besteht darin, zu beobachten und ein Stück Land schrittweise aufzuwerten – so lange, bis ein ähnlich produktives Kreislaufsystem entsteht wie in einem unberührten Ökosystem.
Was in einem Permakultur-Garten manchmal wie wildes Durcheinander aussieht, fusst also in Wirklichkeit auf reiflichen Überlegungen: Jedes Element ist so platziert, dass es seinen Ort selbst optimal nutzen und bestmöglich mit anderen kooperieren kann. Dabei spielt Multifunktionalität eine wichtige Rolle: Ein Baum zum Beispiel kann Tieren und Menschen Früchte schenken, den Boden mit seinen Wurzeln befestigen und vor Erosion schützen, das Innere eines Gartens gegen Wind abschirmen, im Herbst mit abgefallenem Laub die Erde düngen, Tieren Lebensraum bieten – und Menschen durch seine Schönheit erfreuen. Wie in der Natur übernimmt im Permakultur-Garten jedes Einzelelement mehrere Funktionen und jede Funktion wird gleichzeitig von möglichst vielen Einzelelementen übernommen. Wenn eine Grundstücksbegrenzung aus einer Baumreihe, einer Heckenpflanzung und einem Zaun besteht, funktioniert die Begrenzung weiter, auch wenn ein Baum stirbt.
Neben solchen allgemeinen Gestaltungsüberlegungen gibt es in der Permakultur sehr wohl auch wiederkehrende Erkennungsmerkmale. Dazu gehört das Vermeiden gerader Linien und rechter Winkel, weil diese in der Natur nicht existieren. Oft zu sehen sind besondere Beet-Formen, wie z.B. das Schlüsselloch-Beet, ebenso bunte Mischpflanzungen sowie viele mehrjährige und sich selbst aussäende Pflanzen. Schliesslich nutzen Permakulturisten gerne die Vertikale: Pflanzen ranken und wachsen auf mehreren Ebenen; so erweitert sich die Anbaufläche, und es entstehen besondere Kleinklima-Bedingungen.
Was immer die gärtnerischen Massnahmen sind – Handeln im Sinne der Permakultur soll auf den drei von Bill Mollison und David Holmgren formulierten Grundsätzen fussen: Sorge für die Erde, sorge für die Menschen und teile gerecht (was eine Begrenzung des Konsums mit einschliesst). Damit ist Permakultur ein ethisches Denkprinzip, das sich auf fast alle Gebiete jenseits von Anbau und Landwirtschaft übertragen lässt: auf eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Wirtschaft ebenso wie auf eine Ressourcen schonende Mobilität und Architektur.
Wo wir schon bei ungewöhnlichen Wasserformen sind: Von virtuellem, wörtlich genommen scheinbar, nicht wirklich existierendem Wasser ist oft die Rede. Wie kann Wasser unsichtbar sein? Gemeint ist mit dem Begriff das gesamte Süsswasser, das bei der Herstellung einer Ware eingesetzt wurde. Zum virtuellen Wasser zählen Mengen, die als natürlicher Niederschlag für den Anbau von Pflanzen gebraucht werden bzw. für deren Bewässerung, Trinkwasser für Tiere, Wasser zur Herstellung und Verarbeitung von Produkten. So verbraucht die Produktion von einem Kilo Weizen alles in allem etwa 1100 Liter Wasser, von einem Kilo Reis 3000 bis 5000 Liter. 500 Blatt DIN-A-4-Papier «kosten» ebenfalls 5000 Liter. Ein Kilo Rindfleisch schlägt mit mehr als 15 000 Liter zu Buche; eine Jeans mit 6000. Wir bekommen vom T-Shirt bis zum Auto also Wasser mitgeliefert, das man den Produkten nicht ansieht.
In Deutschland gibt es im mittelfränkischen Landkreis Ansbach zwei Gärten, die auf den Grundsätzen der Permakultur fussen und diese laut ihrem Besitzer Markus Gastl gleichzeitig weiterentwickeln: der Hortus insectorum und der Hortus felix. Gastl hat sich schon 2007 einen Namen gemacht, als er seinen 7000 Quadratmeter grossen Hortus insectorum erwarb und gestaltete: Damals liess er den Mutterboden abtragen und dafür 27 Lkw-Ladungen mit Bauschutt kommen. Diesen verteilte er dort, wo vorher eine fette, grüne Mähwiese war und jetzt von Frühjahr bis Herbst prächtig blühende Magerwiesen stehen. Mit den Steinen aus abgerissenen alten Bauernhäusern baute er Steinpyramiden, Kräuterspiralen und Umrandungen von Sandarien (Sandhaufen, die Wildbienen und anderen Insekten als Nistplatz dienen). So entstand die Hot-Spot-Zone: ein Ort für Tiere, die in einer agrarisch geprägten Landschaft sonst fast nirgendwo mehr einen Lebensraum finden.
Ein Hortus-Garten besteht aus drei Zonen: Hot Spot Zone, Ertragszone und Pufferzone. Dieses Prinzip lässt sich laut Gastl selbst auf einem Balkon verwirklichen: zum Beispiel mit einem Johannisbeerstrauch als Pufferzone zum Nachbarn, mit Pflanzen wie Sedum als Hot Spot und mit Salat und Radieschen in der Ertragszone.
Im klassischen Permakultur-Garten gibt es auch Blütenpflanzen für Insekten und für Vögel attraktive, beerentragende Sträucher sowie Reisig- und Totholzhaufen als Lebensraum für Kleintiere. Der Raum wird wegen des Prinzips der kurzen Wege in fünf Zonen eingeteilt:
Markus Gastl versteht sein Gartenkonzept als eine Kombination aus Natur- und Permakultur-Garten. Seiner Meinung nach haben diese beiden Gartentypen ein Problem mit dem geschlossenen Kreislaufsystem, das sie ja anstreben: Der typische Naturgarten habe ein Deponie-Problem, weil er zu viele Nährstoffe produziere, die irgendwohin entsorgt werden müssten. Der Permakultur-Garten habe ein Dünger-Problem, da oft die Nährstoffe für die Nutzpflanzen nicht ausreichten. Um seine Idee zu verbreiten, hat Gastl in mehreren Ländern Hortus-Netzwerke angestossen. Ansprechpartnerin in der Schweiz ist Caroline Sidler in Wohleschwil im Kanton Aargau.
Nach den Prinzipien der Permakultur wirtschaften auch weitere Schweizer Initiativen, z.B. auf dem Permakulturhof Balmeggberg oder die Siedlung Trubschachen. Teil der weltweiten Permakultur-Bewegung ist seit 1991 der Verein Permakultur Schweiz. Er ist nationale Anlaufstelle für Projekte und Interessierte und unterstützt diese mit diversen Dienstleistungen und einem breiten Kursangebot. 2010 gründete sich das Urban Agriculture Netz Basel, dem regional mittlerweile über 60 Projekte angeschlossen sind.
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