Medikamente werden noch viel zu häufig unsachgemäss entsorgt. Warum das problematisch ist und worauf man achten muss.
Text: Judith Dominguez, 12/19
Fast überall in der Umwelt werden Arzneimittelrückstände gefunden: in Flüssen, Böden, aber auch im Grundwasser und vereinzelt in geringsten Konzentrationen im Trinkwasser. So konnten in Seen oder Flüssen beispielsweise etwa 150 Wirkstoffe nachgewiesen werden, wenn auch meist in niedriger Konzentration, zum Beispiel Schmerzmittel, Antibiotika und Hormone. Auch im Grundwasser fanden sich 40 verschiedene Wirkstoffe, darunter Schmerzmittel, Röntgenkontrastmittel und Lipidsenker (Arzneimittel, die die Blutfette senken).
Medizinische Wirkstoffe verschmutzen die Umwelt aus mehreren Gründen, z.B. weil nicht benötigte Arzneimittel unsachgemäss entsorgt, also z.B. in die Toilette geschüttet werden oder über unsere Ausscheidung ins Abwasser gelangen.
Medikamente aus dem Abwasser zu entfernen, ist technisch schwierig und verbraucht viel Energie. Zudem gelingt dies in den meisten Fällen noch immer nur unvollständig, und es verbleiben Rückstände im gereinigten Wasser. Man versucht bereits, Kläranlagen so zu konstruieren, dass sie Hormone aus dem Abwasser filtern können.
Erstaunlicherweise werden viele vom Arzt verordnete Produkte nie eingenommen, sondern landen inklusive Verpackung gleich im Müll. Warum? Laut Weltgesundheitsorganisation hält sich nur gerade die Hälfte der Menschheit korrekt an die empfohlenen Therapien. Weil die betreffenden Personen nicht über die Folgen nachdenken, zu wenig Vertrauen in ihren Arzt haben oder generell misstrauisch gegenüber den Inhaltsstoffen des einzunehmenden Produktes sind.
Eine andere wichtige Ursache, weshalb Medikamente in die Umwelt gelangen, sind die Packungsgrössen. Viele Arzneimittel müssen nur über einen vom Arzt bestimmten Zeitraum eingenommen werden. Häufig übersteigt die im Handel erhältliche Menge diese Verschreibungszeit. So bleiben nach der Therapie Tabletten oder Tropfen übrig, mit denen die meisten Patienten nicht wissen, was tun. Die Produkte werden folglich in den Müll geworfen oder die Toilette runtergespült.
Bei vielen medikamentösen Therapien wissen weder der Patient noch der Arzt im Voraus, wie sie individuell wirken. Gerade bei Schmerzmitteln oder Antibiotika wird mitunter einfach ausgetestet. Gut möglich, dass der Betroffene schon nach zwei Tagen der Einnahme unter starker Übelkeit leidet und das Medikament infolge dieser Nebenwirkung wieder abgesetzt wird. Nur dumm, wenn in der kleinsten Packung gleich 50 Tabletten waren.
Gerade ältere Menschen bevorraten zu Hause eine regelrechte Apotheke mit lauter angefangenen Packungen, die – sollten sie je wieder gebraucht werden – dann vermutlich längst abgelaufen sind.
Jedes Medikament muss mit einem Verfallsdatum versehen werden. Dieses steht auf der Verpackung, eine Einnahme darüber hinaus wird vom Hersteller nicht empfohlen. Die gesetzliche Grundlage ist zum Schutze des Konsumenten gedacht, damit Wirksamkeit und Qualität innerhalb einer bestimmten Frist garantiert werden können. Allerdings ist es im Sinne einer Gewinnmaximierung für die Hersteller vorteilhaft, diese Ablaufdaten so kurz wie möglich zu halten. Genau wie bei Lebensmitteln ist davon auszugehen, dass Medikamente eher länger haltbar sind als auf der Verpackung angegeben. Das ist eine heikle Sache, die ein Laie nicht entscheiden kann.
Viele Medikamente verlieren über die Jahre an Wirksamkeit, einzelne zerfallen aber auch und die entstandenen Abbauprodukte können Nebenwirkungen verursachen. In Flüssigkeiten wie Sirup oder Tropfen siedeln sich bei geöffneten Produkten unter Umständen Bakterien an.
Bei Augentropfen ist die Verunreinigung der Tropfen oft Grund für Entzündungen. Bei einem einfachen Schmerzmittel gegen Kopfweh ist das Verfallsdatum hingegen nicht so wichtig, denn im schlimmsten Fall wirkt es nicht wie gewünscht, und der Schmerz bleibt.
Bei bestimmten Medikamentengruppen ist ganz besondere Vorsicht geboten. Dazu gehören Antibiotika, Zytostatika und Blutdrucksenker. Diese Medikamente sollten unter keinen Umständen über das Verfallsdatum hinaus verwendet werden. Wirken sie nicht mehr so, wie sie sollten, merkt der Patient dies erst zu spät.
Medikamente, egal ob Tropfen, Sirup, Brausetabletten, Pulver oder Kapseln dürfen nie übers Spülbecken oder die Toilette entsorgt werden!
Die meisten Medikamente könnte man im Hausmüll, der verbrannt wird, entsorgen. Durch die Hitze beim Verbrennungsprozess werden die chemischen Wirkstoffe zerstört und sind dann für die Umwelt unschädlich.
Eine der Ausnahmen in puncto Verbrennung sind Zytostatika (Krebstherapie), die als Zellwachstums- und Zellteilungsbremse dienen. Diese Arzneimittel dürfen unter keinen Umständen in der Natur oder im Wasserkreislauf landen, sondern müssen als Sondermüll in speziellen Anlagen verbrannt werden.
Keine Umweltgefahr geht von allen Medizinaltees aus. Diese enthalten rein pflanzliche Elemente wie Kräuter, Samen oder Wurzelextrakte, welche auch im natürlichen Umfeld vorkommen. Teebeutel können deshalb im Hausmüll entsorgt werden. Abgelaufene Tropfen und Sirups mit rein pflanzlichem Inhalt schaden nicht im Abwasser.
Da die grössten Umweltprobleme durch die Ausscheidung von Medikamentenrückständen im Urin entstehen, sind natürliche Produkte, wenn immer möglich, den chemischen zuliebe zu bevorzugen.
Schweiz: Seit 2001 gilt eine Rücknahmepflicht für Sonderabfälle. Die meisten Apotheken und Drogerien nehmen Altmedikamente zurück.
Kantone wie Aargau oder Genf finanzieren die Entsorgung. Deshalb ist die Abgabe alter Medikamente hier in den entsprechenden Einrichtungen kostenlos. In anderen Kantonen, beispielsweise Zürich, zahlt man unter Umständen eine Gebühr, wenn man in einer Drogerie oder Apotheke abgelaufene Medikamente entsorgen möchten.
Benutzte Spritzen, Schmerzmittelpflaster, Säuren, Basen und andere medizinale Hilfsmittel gehören ebenfalls zu diesen abgabepflichtigen Sonderabfällen.Wer grössere Mengen an Medikamenten zu entsorgen hat, sollte diese bei den kantonalen Sammelstellen abgeben.
Deutschland: Unverbrauchte oder abgelaufene Arzneimittel können in vielen Regionen mit dem Restmüll entsorgt werden. Man sollte sie so einwickeln (z.B. in Zeitungspapier), dass sie nicht sichtbar sind.
Zurückgeben kann man Medikamente vielerorts auch bei Schadstoffmobilen oder Schadstoffsammelstellen.
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände rät den Konsumenten, alte Medikamente über die Apotheke zu entsorgen, auch wenn dies nur eine Serviceleistung ist und Kunden keinen Rechtsanspruch darauf haben.
Österreich: Apotheken übernehmen in der Regel Altmedikamente und können diese anschliessend an Problemstoffsammelstellen weitergeben.