Über Baumstämme balancieren, zwischen Stangen Slalom laufen, an Balken Liegestütz erproben: Auf einem Vitaparcours im Wald kann man gratis und effektiv trainieren. Und geniesst dazu noch gesunde Luft.
Autorin: Silke Lorenz, 05/20
Etwas für Figur und Gesundheit zu tun und dabei Frischluft tanken: Das geht gut auf dem Vitaparcours respektive Trimm-dich-Pfad. Ein Vitaparcours umfasst in der Regel 15 Stationen mit 43 Übungen zu Ausdauer, Kraft, Gleichgewicht, Beweglich- und Geschicklichkeit. Sie sind für jede Altersstufe geeignet. Je nach Lust und Laune, Tagesform und Trainingslevel stellt man sich sein persönliches Programm zusammen. Anfänger gehen einfach in zügigem Tempo von Station zu Station, Geübtere können locker joggen. Wer den Parcours bereits gut kennt und fit genug ist, kann auch mal einen Sprint einlegen, wenn der Weg gerade dazu geeignet ist. Die Längen der Parcours variieren je nach Lage und Streckenmöglichkeiten von 400 Metern (kürzester Parcours in Göschenen, Kanton Uri) bis hin zu 4,3 Kilometern (längster Parcours in Einsiedeln, Kanton Schwyz).
In der Schweiz gibt es aktuell 475 Vitaparcours mit 15 Stationen und 22 Kurzparcours mit mindestens sechs Stationen. In den nunmehr 52 Jahren ihres Bestehens wurde ihr Aufbau mehrmals überarbeitet und entspricht jetzt modernen sportwissenschaftlichen Erkenntnissen. «Das Konzept ist heute noch sehr aktuell. Denn in den letzten Jahren ist ein starker Trend hin zum funktionellen Training zu beobachten. Das bedeutet Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, wie schon immer bei unseren Parcours, zur Stabilisierung, zum Kraftaufbau und zur Leistungssteigerung», erläutert Barbara Baumann, Leiterin der Zurich vitaparcours.
Die Vitaparcours können als separates wie auch als unterstützendes Training für andere Sportarten genutzt werden. Verantwortlich für Bau, Unterhalt, Erneuerung und Finanzierung sind grossteils die Gemeinden. Die Zürich Versicherungsgesellschaft sponsert sämtliche Tafeln und Wegweiser sowie Dienstleistungen. Defekte Geräte werden erneuert. Seit 2008 heissen die sportlichen Pfade offiziell «Zurich vitaparcours».
Für das Training im Wald muss man nicht speziell ausgerüstet sein. Gut sitzende Laufschuhe, die den Fuss stützen, Schläge dämpfen und die Abrollbewegung führen, sind vorteilhaft. Daneben gilt es, ein paar einfache Regeln zu beachten.
«Funktionelle Kleidung ist ideal. Sie leitet den Schweiss vom Körper weg, ohne dass er dabei auskühlt. Die Kleidung sollte leicht und atmungsaktiv sein und nicht zu viel Baumwolle enthalten. Mehrere Lagen nach dem Zwiebel-Prinzip sind bei wechselhaftem oder kaltem Wetter eine gute Lösung», rät Prof. Lars Donath von der Deutschen Sporthochschule in Köln. «Im Winter sind Handschuhe, eine leichte Mütze oder ein Stirnband empfehlenswert. Allerdings sollte man sich nie zu warm anziehen, sonst kommt es zu einem möglicherweise unangenehmen Hitzestau.
Im Sommer sind natürlich Sonnenschutz und ausreichend Flüssigkeit sehr wichtig.» Wer in der Dämmerung oder im Dunkeln unterwegs ist, sollte eine reflektierende Weste und eine Stirnlampe tragen.
Das subjektive Belastungsempfinden (leicht, etwas anstrengend, sehr anstrengend) genüge anfangs völlig zur Orientierung, da ja keine absolute Ausdauer trainiert werde. Später könne man mittels Pulsuhr oder Trainingsapp das Training dokumentieren und steuern, so der Sportwissenschaftler. Ob Einsteiger oder Fortgeschrittene, Prof. Donath rät immer zu einer sportmedizinischen Eingangsuntersuchung und verweist auf die Schweizerische Gesellschaft für Sportmedizin (www.sgsm.ch). «Man weiss nie, welche gesundheitlichen Probleme in einem schlummern. Das Risiko ist erhöht, wenn man dickleibig ist, Bluthochdruck hat respektive vorher nie oder kaum Sport getrieben hat. Dann können durchaus spontane Herz-Ereignisse auftreten oder Verletzungen eintreten», warnt er. Vor dem Training selbst ist es wichtig, sich aufzuwärmen, zum Beispiel mit Kniebeugen, Ausfallschritten oder einem kleinen Lauf-ABC (beinhaltet verschiedene Lauf- und Sprungübungen, die eine hohe Konzentration erfordern), um den Körper auf die bevorstehende Belastung vorzubereiten. Nie von 0 auf 100 starten! Sachte beginnen und langsam steigern!
So sind auch die Übungen der Vitaparcours aufgebaut. Man sollte sich an die auf den Tafeln beschriebenen Anleitungen halten und nicht zu viel auf einmal wollen. «Das gilt vor allem für ältere Wiedereinsteiger, die ihre sportlichen Hochleistungen von früher noch im Kopf haben, aber nicht bedenken, dass ihr Körper älter geworden ist», meint Donath. Wer mit der Nutzung der Parcours nachhaltig Sport treiben und fitter werden möchte, sollte sich realistische Ziele setzen: Wie oft schaffe ich es zum Training? Was für ein Ziel verfolge ich? Wie kann ich es in meinem Alltag einbauen? Liegen eventuell Parcours auf dem Arbeitsweg? Wer könnte mich begleiten und bei meinem Vorhaben unterstützzen? Die Regelmässigkeit ist ein wichtiges Element, deshalb rät Donath zu einem Trainingsplan für acht bis zwölf Wochen. Zur Selbstkontrolle ist ein Trainingstagebuch oder eine Trainingsgemeinschaft empfehlenswert.
Natürlich macht das Workout im Sommer draussen mehr Spass. Doch egal zu welcher Jahreszeit, Outdoor-Sport hat oftmals eine höhere Wirkungskraft. Man nehme allein die Luft: der herrliche Duft von Bäumen, Blumen und Kräutern im Vergleich zum schweissgetränkten Mief in der Mucki-Bude. Wer Park, Wald oder Felder statt viel befahrener Strassen als Laufstrecke wählt, kann tief ein- und ausatmen. Damit pumpt man viel Sauerstoff in seinen Körper, das Immunsystem wird gestärkt und die Hirnleistung angeregt. Zudem ist der Luftwiderstand draussen grösser als in der Halle, man muss sich also etwas mehr anstrengen. Zwar scheint nicht immer die Sonne, doch man nimmt im Freien stets Sonnenlicht auf, was der Körper in das besonders für die Knochen wichtige Vita-min D umwandelt. Wählt man regelmässig denselben Weg, erlebt und spürt man, wie dieser sich verändert – zu unterschiedlichen Tageszeiten, im Laufe der Jahreszeiten. Im Gegensatz zum mitunter endlos scheinenden Workout im Studio verfliegt draussen die Trainingszeit im Nu. Und für die Psyche tut man auch was: Statt auf das TV-Display am Laufband schaut man auf eine abwechslungsreiche Strecke, die bergauf, bergab über Wurzeln, Stock und Stein führt, begleitet von Vogelgezwitscher und dem Rauschen der Bäume – Balsam für die Seele.
Der Zurich vitaparcours Zürich-Fluntern war der allererste und ist somit der älteste. Er wurde im Mai 1968 eröffnet. Den neuesten Parcours findet man seit 2019 in Triesenberg im Fürstentum Liechtenstein (Dort gibt es seit jeher Vitaparcours. Diesbezüglich gehört das FL quasi zur Schweiz). Am höchsten gelegen ist der Parcours in Saas-Fee im Kanton Wallis auf rund 1800 Metern. Dagegen liegen die Parcours von Locarno, Tenero und Gambarogno nur auf knapp 200 Höhenmetern am Lago Maggiore im Tessin. Zürich besitzt sechs, Winterthur drei und Biel zwei Parcours. Alle befinden sich jeweils in Wäldern im Stadtgebiet.
So finden Sie einen Parcours in Ihrer Nähe: einfach die Ortschaft in den Finder der jeweiligen Webseite eingeben und auf «suchen» klicken.
In der Schweiz: www.zurichvitaparcours.ch
In Deutschland: www.trimm-dich-pfad.com