Wildbienen gehören zu den wichtigsten Bestäubern von Wild- und Nutzpflanzen. Wir alle müssen zu ihrem Schutz beitragen.
Autor: Heinz Scholz
Honigbienen sind im Fokus; sogar auf Hochhausdächern in Grossstädten imkern engagierte Naturschützer mittlerweile. Was bei all dem zeitgemässen Engagement leicht aus dem Blick gerät: Die wilden Verwandten brauchen mindestens ebenso viel Unterstützung. Denn je grösser die Zahl der Honigbienen in einem bestimmten Einzugsbereich, desto eher weichen die oft einzeln lebenden Wildbienen aus.
Allein in der Schweiz gibt es rund 620 verschiedene heimische Wildbienenarten (darunter 40 verschiedene Hummeln). In Deutschland sind es 550 und in Österreich 690 Arten (weltweit wurden über 17 000 Arten beschrieben). Nach Schätzungen sind in der Schweiz rund 45 Prozent gefährdet. Leider wurden die Lebensräume dieser Wildbienen durch Monokulturen und Bodenversiegelungen eingeschränkt. Manche der Futterquellen wurden durch Düngung und Pflanzengifte zerstört. Vielerorts sieht man blütenarme Wiesen und Feldsäume sowie Gärten, die wenig naturnah sind. Naturschutzverbände warnen schon seit einiger Zeit vor einem alarmierenden Rückgang Blüten bestäubender Hummeln, Wildbienen und anderer Insekten.
In seinem Buch «Wildbienen – die anderen Bienen» weist Autor Paul Westrich darauf hin, dass besonders zwei Faktoren für die Gefährdung von Wildbienen von Bedeutung sind: Zerstörung von Nistplätzen sowie Vernichtung oder Verminderung des Nahrungsangebots, insbesondere der Pollenquellen. Die Wildbienen benötigen für die Versorgung der Brut und für sich selbst ganz bestimmte Blütenpflanzen in ausreichender Menge.
So sucht zum Beispiel die Knautien-Sandbiene (Wildbiene des Jahres 2017) als Nahrung für ihre Larven Pollen und Nektar von der Knautie oder Witwenblume. Laut BirdLife benötigt das Weibchen der Mörtelbiene das Pollenangebot von 1100 Blüten der Esparsette für die Aufzucht der Nachkommen.
Wildbienen sind unverzichtbare Bestäuber nicht nur von Wildpflanzen, sondern auch von Obstbäumen, Beerensträuchern und Feldfrüchten. Wie BirdLife berichtet, wurden die Wildbienen als Bestäuber lange Zeit unterschätzt: In landwirtschaftlichen Kulturen werden zwei Drittel der gesamten Bestäuberleistung von Wildbienen abgedeckt!
Sie haben gegenüber der Honigbiene einige Vorteile. Wildbienen fliegen auch bei schlechtem Wetter und bestäuben Blüten, die Honigbienen meiden. So sind beispielsweise die Mauerbienen effektiver im Bestäuben von Obst als die Honigbiene. Aufschlussreich ist diesbezüglich eine neue überregionale Metastudie über Blütenbesucher von Feldfrüchten, die Andreas H. Segerer und Eva Rosenkranz in ihrem Buch «Das grosse Insektensterben» erwähnen. So wurden 39 Prozent Bienen, 23 Prozent Wildbienen und 38 Prozent andere Fluginsekten festgestellt. Studien aus Grossbritannien und Irland belegen, dass die Blütenbestäubung zu 50 Prozent durch Schwebfliegen, bis zu 30 Prozent durch Wildbienen und nur 2 bis 3 Prozent durch Honigbienen geleistet wird (im direkten Einzugsbereich von Honigbienen ist die Bestäubung deutlich höher).
Wildbienen kann man vom Frühjahr bis in den Herbst hinein beobachten. Lebensräume sind Waldränder, morsches Holz, Baumstümpfe, Wiesen, naturnahe Gärten, Steinbrüche, Trockenmauern, Käferfrassgänge, markhaltige Pflanzenstängel, Bambusröhrchen und sogar Schneckengehäuse.
Seltsame Löcher sieht man auch in Steilwänden aus Sand, Lehm oder Löss. Bei den Löchern handelt es sich um Eingänge von Nistplätzen. Die Weibchen legen einzelne Brutzellen an. In jeder Kammer wird ein Futtervorrat aus Nektar und Pollen platziert. Pro Nistgang können so um die fünf Brutzellen angelegt werden. «Da die Lebensdauer der Wildbienen weniger als zwei Monate beträgt, können die Weibchen in dieser Zeit maximal 20 bis 40 Brutzellen anlegen. Die Bienenlarven überwintern als Puppe in den Nistgängen, um im Frühjahr als fertig entwickelte Bienen zu schlüpfen», erklärt Matthias Richter vom Naturschutzbund Deutschland (NABU).
Die Nachkommenschaft kommt nie mit der Mutter in Berührung, da sie vorher stirbt. Die neuen Wildbienen schlüpfen Wochen oder Monate später.
Zu den Wildbienen zählen die Seiden- und Maskenbienen, Sandbienen, Furchen- und Schmalbienen, die Mauerbienen, Wollbienen und Pelzbienen und die Hummeln. Im Frühjahr sind bereits die Frühlings-Pelzbienen und Mauerbienen unterwegs, ab Mai folgen die Langhornbienen-Arten. Oft zu sehen ist auch die Blauschwarze Holzbiene, die mit einer Körperlänge von 20 bis 28 Millimetern die grösste heimische Bienenart ist. Wer diese Biene erstmals fliegen sieht, wird zunächst sie fälschlicherweise als Hummel identifizieren. Sie hat einen hummelartigen Körperbau, blau schimmernde Flügel und einen metallisch-schwarz glänzenden Körper. Sie brummt ganz schön laut, ist jedoch sehr friedfertig. Bei den Hummeln sind hierzulande besonders die Alpenhummel (lebt zwischen 1600 und 3100 Metern Höhe), die Steinhummel, Erdhummel und die Ackerhummel anzutreffen.
Behörden und Naturschutzorganisatoren schufen Naturschutzgebiete und achten auf die Durchführung von Artenschutzprogrammen. Das reicht oft nicht aus. Wichtig ist, dass wir selbst etwas für unsere heimischen Wildbienen tun. So können wir mit geeigneten Pflanzen im Garten und auf dem Balkon Nahrungsräume für Wildbienen schaffen. Geeignet für Gärten sind bestimmte Bäume und Sträucher, Wildblumen, Ranken- und Kletterpflanzen, Pionierpflanzen, Zwiebelgewächse und Wildstauden. Gute Nahrungsquellen sind auch bestimmte Heil- und Gewürzkräuter. Ungeeignete Pflanzen sind pollenlose gefüllte Blüten (Ringelblume, Kornblume, fremdländische Pflanzen wie Marienkäfer-Mohn, Goldmohn, Roter Lein). Blumenmischungen aus dem Handel sind meist nicht empfehlenswert; wertvoll für die Insekten sind dagegen Blütenmischungen von Naturschutzverbänden.
Leider gibt es Nisthilfen (sogenannte «Bienenhotels») im Handel mit ungeeigneten Materialien und Bauweisen. Gute Infos und Bauanleitungen sind vom Naturschutzband Deutschland (NABU), von BirdLife und via www.bienen.ch zu bekommen. Unter der zuletzt genannten Adresse werden Bienenschutz-Kurse, Wildbienen-Flyer und Wissenswertes über Wildbienen angeboten.
Wer Nistkästen aufstellt, sollte auch für die Schaffung eines ausreichenden Futterangebots sorgen – mit Blumenbeeten und dem Verzicht auf Dünger und Pflanzengifte.
Das Wildbienenhaus wird am besten an einem trockenen und sonnigen Standort aufgestellt. Auch ein Haus an einer Naturwiese bietet mit einem Blütenangebot von März bis September gute Nahrungsangebote, besonders für ausgeschlüpfte Wildbienen. Nisthilfen bieten nur bestimmen Arten einen Nistplatz, denn 60 Prozent der Wildbienen nisten in sandigen Böden und in Lehmwänden.