Im Tier- und Pflanzenreich finden sich beeindruckende Lichtphänomene. Forscher arbeiten begeistert daran, diese künftig nutzbar zu machen.
Autorin: Andrea Pauli
Zahllose Lichtpunkte glimmen und tanzen: Der goldenen Strahlkraft winziger Glühwürmchen (Lampyris noctiluna) wohnt ein eigener Zauber inne. In lauen Sommernächten Mitte Juni haben die Leuchtkäfer (Lampyridae) in der Regel ihren Auftritt. In der Schweiz ist der Grosse Leuchtkäfer die häufigste der vorkommenden Arten. Mit ihren Leuchtorganen entzünden die Weibchen sozusagen das Landefeuer für liebeshungrige, umherfliegende Männchen.
Diese Fähigkeit von Tieren, Licht zu erzeugen, nennt sich Biolumineszenz. Sie kommt auch vor, wo man sie vielleicht gar nicht vermuten würde: in der Tiefsee! Forscher schätzen, dass dort rund 90 Prozent aller Meeresbewohner leuchten. Biolumineszenz findet sich zudem bei manchen Pflanzen.
Das Phänomen interessiert Forscher und Entwickler und es gibt bereits interessante Einsatzbereiche in der Biowissenschaft.
Dunkle Fluten, wie von Tausenden blau-grüner Leuchtpunkte erhellt: Solches «Meeresleuchten» stammt von Milliarden von Einzellern, mikroskopisch kleiner Algen, die an manchen Stränden (z.B. in der Moskito Bay auf der Karibikinsel Puerto Rico) in besonders hoher Konzentration vorkommen. Diese sogenannten Dinoflagellaten gehören zum Phytoplankton und finden sich in Salz- und Brackwasser weltweit. Je intensiver tagsüber die Sonneneinstrahlung war, desto intensiver leuchten die Algen bei Nacht. Gibt es genügend Nährstoffangebot, können die Einzeller schon mal Kolonien von bis zu 100 000 Zellen pro Liter Wasser bilden – und in solchen Massen sind sie dann besonders gut sichtbar. Mit ihrer Leuchtkraft sorgen die Dinoflagellaten für ihren eigenen Schutz: Sie strahlen damit herannahende Feinde an und ziehen so wiederum deren Fressfeinde an.
Dieses Prinzip, den Fressfeind kurzerhand ins Scheinwerferlicht zu stellen, machen sich auch weitere Meeresbewohner zu eigen – Biolumineszenz dient folglich der Verteidigung. Manche Tiefseebewohner lenken ihre Feinde mit leuchtendem Schleim ab.
Die besondere Leuchtkraft dient aber auch dem Angriff. So setzen manche Tiefseelebewesen rotes Licht als Suchscheinwerfer ein, andere locken mittels einer Leuchtangel Beute an oder lähmen ihre Beute kurzzeitig mittels Lichtblitzen.
Wie bei den Glühwürmchen dient die Biolumineszenz unter Wasser auch der Partnersuche: Lichtsignale vermitteln Interesse; mitunter werden sogar lichtcodierte Botschaften ausgetauscht.
Ganz raffiniert setzen manche ein Gegenlicht zur Tarnung ein: Ihre Leuchtorgane an der Körperunterseite imitieren die Wasseroberfläche, so dass sie nicht als Beute erkennbar sind.
Die Organismen leuchten in verschiedenen Farben, je nachdem, welche Enzyme bei dem Leuchtprozess zum Einsatz kommen, welche anatomischen Strukturen dabei das Licht brechen und in welchem Lebensraum sie sich tummeln. An Land leuchten Lebewesen mit biolumineszenten Fähigkeiten gelb-grün, im Meer blau, in der Tiefsee mitunter violett. Besonders knallig tut sich der Stopplicht-Zungenkiemer hervor: Das Leuchtorgan unter seinem Auge sendet rotes Licht aus. Der Trick dabei: Er kann seine Beute sehen, die ihn jedoch nicht, denn die meisten Fische nehmen nur blaues Licht wahr.
Ob Anglerfisch (Ceratioidei) mit Leuchtorgan direkt vorm Maul, Zwergtintenfisch (Euprymna scolopes) oder Laternenhai (Etmopterus lailae): Die Fähigkeit, Licht zu erzeugen, hilft zu überleben. Wobei die biologische Bedeutung des Leuchtens noch bei Weitem nicht ganz erforscht ist. Was man aber sicher sagen kann: Biolumineszente Arten sind sehr spezifisch an ihr jeweiliges Ökosystem angepasst. Ihre Existenz hängt davon ab, dass dieses Umfeld im Gleichgewicht bleibt. Überfischung, Plastikmüll und das Begehren, die Tiefsee immer weiter nutzbar zu machen, stören diese Balance massiv.
Auch einige Pilzsorten können leuchten. Unter den rund 100 000 heute bekannten Pilzarten gibt es 71 biolumineszente. Bekannt ist etwa der Honiggelbe Hallimasch, der u.a. in europäischen Wäldern beheimatet ist. Wie Forscher herausfanden, sind biolumineszente Pilze recht aktiv: Die Helligkeit wird von einer inneren Uhr enzymatisch gesteuert; nachts glimmen sie stärker. Pilze leuchten vermutlich, um Insekten zur Verbreitung ihrer Sporen anzulocken.
Biologische Leuchtstoffe haben längst schon Einzug in die Labors gehalten; mit ihnen lässt sich Verborgenes sichtbar machen. Biolumineszenz gilt darum als «Mikroskop des 21. Jahrhunderts».
Biolumineszierende Organismen liefern Komponenten u.a. für zelluläre Untersuchungen. Biologische Prozesse in Versuchstieren lassen sich mit dem sogenannten Biolumineszenz-Imaging über Wochen beobachten. Auch die Krebsforschung profitiert von biolumineszenzbasierten Systemen. Hier kommen z.B. Luciferasen aus Meerestieren wie Ruderflusskrebsen zum Einsatz. In der Molekularbiologie wird Biolumineszenz als risikoarme Markierungsmethode angewendet. Zusammen mit der Fluoreszenz-Markierung hat sie die Methode der radioaktiven Markierung weitgehend ersetzt.
Innovationsfreudige Entwickler haben sich in Sachen Biolumineszenz schon zu einigen fragwürdigen Spielereien hinreissen lassen, z.B. mit Pilzlumineszenz leuchtenden Zierpflanzen, gentechnisch veränderten, leuchtenden Aquariumsfischen oder fluoreszierenden Kaninchen mit manipuliertem Erbgut, die unter Schwarzlicht grün im Dunkeln leuchteten.
Einige Start-ups werben mit einer «lebendigen, autonomen Beleuchtungs-Ressource», wollen also Licht erzeugende Bakterien verpacken und als Lichtquelle nutzbar machen. Gibt es in der Zukunft folglich gratis Licht für alle? Davon ist man noch weit entfernt. Es kostet eine ungeheure Menge Energie, die spezifischen Eigenschaften für das Wachstum und Leuchten von Bakterien aufrechtzuerhalten.
Zuletzt aktualisiert: 31-10-2023