Böden sind Grundlage für das Leben auf der Erde. Und sie sind Spielball vielfältiger Interessen.
Autorin: Gisela Dürselen, 9/21
Unsere Lebensmittel und die Trinkwasserqualität sind direkt vom Boden abhängig. Er speichert Kohlenstoff, Nährstoffe und Wasser und hat eine grosse Bedeutung für die Artenvielfalt, die das Immunsystem der Natur darstellt. Doch was versteht man überhaupt unter «Boden»?
Boden ist ein Überbegriff: Damit können Gestein, Mineralien, Mutterboden usw. gemeint sein.
Muttererde oder der Mutterboden ist ein fruchtbarer Boden und bezeichnet die obersten 20-30 Zentimeter der Erdoberfläche.
Humus ist der wichtigste Bestandteil unserer Böden und ist massgeblich für die Lebendigkeit der Böden verantwortlich. Humus ist das Ergebnis eines symbiontischen Prozesses im Boden (Wechselspiel zwischen dem Bodenleben, den Pflanzenwurzelausscheidungen und dem Boden selbst) und einem ständigen Wandel unterzogen. Es handelt sich also weniger um einen Stoff, sondern eher um einen Organismus. Humus besteht etwa zu 58 Prozent aus Kohlenstoff und verursacht die dunkle Farbe.
Kompost ist das Produkt von einer gesteuerten Rotte/Umwandlung von organischen Abfällen. Grünschnitt, Rasenschnitt, sonstige organischen Gartenabfälle, Speisereste, Stalldung und vieles mehr können zu hochwertigem Kompost verarbeitet werden. Kompost kann, wenn er gut gemacht ist, auch zur Humusbildung von Böden beitragen. Er zeichnet sich durch einen sehr hohen Anteil an Huminstoffen aus, die über 40 Prozent betragen können. (Begrifflichkeiten nach Franz Rösl)
Boden ist kostbar und mittlerweile weltweit zum Spielball vielfältiger Interessen geworden. Entscheidend ist seine Rolle als CO2-Speicher. Für Politiker, die sich beim Pariser Klimagipfel dazu verpflichtet haben, ihre Länder bis 2050 klimaneutral zu machen, bedeutet Humusaufbau in der Landwirtschaft eine willkommene Chance: Wenn es gelänge, geschädigten Ackerboden wieder in fruchtbare Erde zu verwandeln, könnte diese mehr CO2 speichern, und zugleich würde eine oberirdische Artenvielfalt gefördert. Landwirte könnten über einen CO2-Zertifikate-Handel für ihren Aufwand entschädigt werden und ein neues Einkommen generieren.
Weil der Wert des Bodens immer mehr erkannt wird, gibt es inzwischen in vielen Ländern, so auch in der Schweiz, Bodenzustandsberichte und -strategien, Forschungs- und Förderprogramme sowie Pilotprojekte. Der Zertifikate-Handel hat allerdings auch Kritiker. Diese befürworten zwar generell Humusaufbau auf Äckern, lehnen aber den CO2-Zertifikat-Handel in der jetzigen Form ab. Zu diesen Kritikern gehört Franz Rösl und mit ihm die „Interessengemeinschaft gesunder Boden e.V.“: Die Funktionen von Humus seien vielfältig und in einem grösseren Zusammenhang zu sehen, sagt Rösl. Humus reduziere eben nicht nur CO2, sondern sei die Voraussetzung für Bodenfruchtbarkeit, für biologische Vielfalt im Boden und für die Fähigkeit von Böden, ihre vielfältigen Ökosystemdienstleistungen zu erfüllen. So müsse bei einem Zertifikat-Handel ausgeschlossen werden, dass beim Humusaufbau Massnahmen ergriffen werden, welche die Gesundheit des Bodens, des Wasser, der Pflanzen, Tiere und Menschen beeinträchtigen.
Die „IG gesunder Boden“ will sinnvollen Projekten im Zusammenhang mit Humus Raum geben und hat deshalb in einem Positionspapier zehn Forderungen aufgestellt. Darin ist nun von „Humus-Zertifikate-Handel“ und nicht mehr von „CO2-Zertifikate-Handel“ die Rede. Ein Handel mit Humus-Zertifikaten solle sicherstellen, dass der Humusaufbau auch wirklich langfristig und zugunsten der Bodengesundheit geschieht. Ein Punkt in dem Katalog sieht vor, dass der Landwirt in seine Berechnung all seine Flächen und, wenn vorhanden, auch die Tierproduktion sowie die daraus resultierenden Emissionen mit einbeziehen muss. Auch die heutige Art der Humusbestimmung sei zu hinterfragen, sagt Franz Rösl. Denn die aktuelle Ermittlung sage nichts über die Humusqualität aus: „Hier brauchen wir eine neue Herangehensweise, methodisch ist das schon möglich, aber derzeit noch zu teuer.“
Der sogenannte Mutterboden, die oberste, fruchtbare und belebte Erdschicht, ist dank ihrer Bewohner in einem permanenten. Je vielfältiger das Bodenleben in dieser obersten Schicht, desto höher der Humusanteil und desto fruchtbarer die Erde.
Ein solcher Boden bietet auch Chancen für die Medizin. Ein Beispiel dafür ist die vorwiegend in Böden lebende Bakterien-Gattung der Streptomyceten: Im Wald sind erzeugen sie den typischen Erdgeruch – und in der Medizin wurden sie bekannt, weil sie durch ihren Stoffwechsel antibiotisch wirkende Stoffe produzieren. Mittel wie das Breitbandantibiotika Tetracyclin verdanken ihre Existenz den Streptomyceten, und wegen ihrer Vielseitigkeit wurden sie 2016 zur Mikrobe des Jahres gekürt. Wissenschaftler mehrerer Universitäten erforschen derzeit Streptomyceten, weil die Hoffnung gross ist, dass die Bakterien noch weitere Potenziale besitzen. Marburger Pharmazeuten entdeckten beispielsweise beim Entschlüsseln des Erbguts dieser Bakterien neuartige Stoffwechsel-Enzyme, die möglicherweise therapeutisch wirkende, bioaktive Substanzen produzieren.