Inkas und Azteken, Mexikaner, Inder und Chinesen haben sich Jahrhunderte lang auf Quinoa und Amaranth als gute Nährstoffquelle verlassen. Auch in Europa muss man schon längst nicht mehr nur im Bioladen oder im Reformhaus einkaufen, um an das «Pseudogetreide» zu gelangen.
Autorin: Dr. Claudia Rawer, 09.15
Was steckt denn in Quinoa drin? Amaranth und Quinoa enthalten mit etwa 15 Gramm Eiweiss pro 100 Gramm mehr Proteine als Hafer und Weizen und etwa doppelt so viel wie Reis. Das kommt daher, dass bei beiden Arten der wertvolle Keimling in Relation zum Stärkekörper sehr gross ist. Aber nicht nur die Menge macht es: die Eiweisse sind aus besonders wertvollen Aminosäuren wie Lysin, Tryptophan, Cystin und Methionin zusammengesetzt. Besonders Lysin kommt sonst fast nur in Fleisch, kaum in anderen pflanzlichen Lebensmitteln vor.
Die geringe Menge an Fett in den Samen besteht ausschließlich aus guten, ungesättigten Fettsäuren. Die Hälfte davon entfällt auf die lebenswichtige Linolsäure und ihrem Abkömmling, die Alpha-Linolensäure, die eine Fettsäure vom wertvollen Omega-3-Typ wie in Fischölen ist.
Winzig, aber reich an Spurenelementen und Mineralien: Quinoa-Körner. Zudem enthalten Amaranth und Quinoa die Vitamine B, C und E sowie grössere Mengen an Mineralstoffen. Dabei sind Eisen- und Magnesiumgehalt besonders hervorzuheben: Mit etwa 9 Milligramm Eisen (Amaranth) respektive 11 (Quinoa) pro 100 Gramm liefern die Körner mehr Eisen als aus Hülsenfrüchten oder Kalbsleber.
Die etwa 300 bzw. 240 Milligramm Magnesium decken schon fast den Tagesbedarf eines Erwachsenen. Magnesium brauchen wir sowohl für Muskel- als auch für konzentrierte geistige Arbeit. Anzeichen für einen Magnesiummangel sind oft ein Leistungsabfall, Gereiztheit, Krämpfe und Tics, Taubheitsgefühl und Kribbeln in den Händen, manchmal auch Herz- und Kreislaufbeschwerden.
Wegen des hohen Mineralstoffgehaltes nahmen übrigens auch Astronauten der amerikanischen NASA Amaranth mit ins All. Die Körner schmecken angenehm nussig, Quinoa erinnert sogar etwas an den teuren Wildreis und passt sehr gut zu Gemüse.
Auch die Blätter der beiden Pflanzen sind sehr mineralstoffreich und werden in den Anbauländern gerne als Gemüse oder Salat verzehrt. Dazu kommt, dass die «Andengetreide» kein Klebereiweiss enthalten und daher auch für Menschen ideal sind, die an einer Unverträglichkeit gegen Gluten (Zöliakie oder Sprue) leiden. Auch auf den Speiseplänen von Neurodermitikern haben sich die Pflanzen bewährt.
Quinoa und Amaranth werden auch Pseudogetreide genannt. Ihre Samen, obwohl sehr klein, sehen Getreidekörnern ähnlich und werden auch wie sie verwendet. Botanisch aber gehören sie nicht zur Familie der Gräser wie Weizen, Roggen und Reis.
Amaranth (der griechische Name bedeutet «unsterbliche Blume») ist ein Fuchsschwanzgewächs wie der bei uns als Zierpflanze beliebte Gartenfuchsschwanz.
Quinoa (sprich: Kienwa, Chenopodium quinoa) wurde von den Ureinwohnern «Chisiya Mama», «Mutter der Körner» genannt und ist ein Gänsefussgewächs wie Spinat, Mangold und Rote Bete. Quinoa, das Korn der Inkas, und Amaranth, das Korn der Azteken, gehören zu den ältesten Nutzpflanzen der Menschheit. Es sind robuste und genügsame Pflanzen, die selbst in den Hochebenen der Anden noch gedeihen, wo Mais oder Gerste nicht mehr angebaut werden können.
Sie vertragen Höhenlagen bis über 4000 Meter, raues Klima und brauchen wenig Wasser. Dennoch werden sie innerhalb eines halben Jahres bis zu zwei Meter hoch und bilden Tausende von Samen an den attraktiven, auffällig gefärbten Fruchtstände
Diese Körner gehörten neben Mais und Kartoffeln zu den Grundnahrungsmitteln der südamerikanischen Ureinwohner. Doch dann kamen die spanischen Eroberer und verboten – unter Androhung der Todesstrafe – den Anbau der Andengetreide. Diese unsinnig scheinende Tat erfüllte einen politischen Zweck.
Den Ureinwohnern wurde eine wichtige Energiequelle entzogen und sie wurden in ihren religiösen Vorstellungen tief verletzt, da sie Amaranth und Quinoa für heilig hielten und auch als Opfergabe verwendeten. Dass Amaranth auch bei Menschenopfern verwendet wurde, kam den selbst blutig vorgehenden Eroberern zupass.
So konnte man die Vernichtung der Felder mit der Ausrottung des Menschenopfers begrüden. 1560 schrieb der spanische Vizekönig in einem Bericht: «Die Unterwerfung dieser rebellischen Indios wird niemals vollständig sein, solange sie eine gewisse Frucht essen, die nicht grösser als ein Stecknadelkopf ist.»
Ohne es zu ahnen, hatte er mit dieser Aussage wohl den Nagel auf den Kopf getroffen. Inkas und Azteken konnten zwar Nähr- und Mineralstoffgehalte nicht in hundertstel und tausendstel Gramm analysieren - aber sie wussten sehr wohl, dass die Andengetreide ihnen Kraft und Gesundheit schenkten.
Obwohl die Spanier in Südamerika den Siegeszug der europäischen Getreidearten Weizen, Gerste und Hafer forcierten, liessen sich lnkakorn und unsterbliche Blume durch Verbote nicht ausrotten. 2013 wurden weltweit 103'418 Tonnen Quinoa geerntet, vorwiegend in Peru, Bolivien und Ecuador. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte das Jahr 2013 zum Jahr der Quinoa. Es solle aufgrund der relativen Anspruchslosigkeit helfen, den Hunger in Zeiten des Klimawandels zu bekämpfen.
Viele finden Quinoa noch schmackhafter und interessanter als Amaranth. Die kleinen, weissgelblichen Samenkörner sind scheibenförmig mit einem Durchmesser von ein bis zwei Millimetern, sind knackig und haben ebenfalls ein nussiges Aroma.
Falsch zubereitet, kann der Geschmack jedoch an Seifenpulver erinnern! Quinoa schützt sich nämlich vor Schädlingen mit bitter schmeckenden Saponinen in der Samenschale. Im Handel erhältlicher Quinoa ist zwar gewaschen oder geschält, wodurch meist nur noch wenige Spuren dieser seifigen Pflanzenstoffe vorhanden sind.
Man sollte ihn aber vor dem Kochen nochmals gut unter heissem Wasser abspülen und in jedem Falle erhitzen, um die restlichen Saponine unschädlich zu machen. Diese reizen nämlich die Darmschleimhaut. Bei Kleinkindern ist das besonders problematisch, da bei ihnen das Verdauungssystem noch nicht ausgereift ist. Daher rät man bei Kindern unter zwei Jahren grundsätzlich von Quinoa-Speisen ab. Ältere Kinder und Erwachsene können Quinoa, gut gewaschen und erhitzt, jedoch unbedenklich geniessen.
Als Beilage wird er mit der zwei- bis dreifachen Menge Wasser aufgekocht. Dann lässt man ihn zugedeckt bei kleiner Flamme 10 bis 15 Minuten ausquellen. Quinoa macht sich aber auch sehr gut in Suppen und Eintöpfen, in Gemüse und Pilzpfannen oder mit Creme fraiche und Käse gemischt als Füllung für Tomaten oder Paprika.
In Kalifornien und New Mexico isst man Quinoa gerne als würzigen Salat. Dafür werden gekochte rote oder schwarze Bohnen und Tomatenstückchen ohne Haut mit dem Quinoa gemischt und das Ganze mit einem Dressing aus Zitronensaft, gutem Olivenöl, Knoblauch und Gewürzen pikant angemacht. In diesen Gegenden darf dabei «Cilantro», also frisches Korianderkraut, nicht fehlen - wer es nicht mag, kann auch frische Petersilie nehmen.
Pastaliebhaber sollten auch Quinoa-Spaghetti einmal eine Chance geben. Die bernsteinfarbenen, mit weißen Pünktchen gesprenkelten Nudeln schmecken leicht nussig und haben auch ohne Salzwasser ein kräftiges Aroma. Man bekommt sie im fairen Handel.
Amaranth·Körner mit ihrem typisch nussigen Geschmack eignen sich zur Zubereitung von Suppen, Aufläufen und Risottos. Als Süssspeise ist «gepuffter» Amaranth ein Renner. Man bekommt ihn fertig zu kaufen, kann das aber auch selbst machen, indem man eine Edelstahlpfanne mit geschlossenem Deckel ohne Fett stark erhitzt. Dann gibt man die Körner auf den heissen Boden und nimmt die Pfanne gleich von der Platte, damit nichts anbrennt. Ein paar Mal rüren, und schon dehnen sich die kleinen Körnchen aus, ähnlich wie Popcorn.
Im Bioladen erhältlich sind auch verschiedene Müslis, Riegel und Kekse und sogar Brotaufstriche. In Mexico vermischt man gepappten Amaranth mit einer Zuckerlösung, um ein Konfekt namens Alegria (Fröhlichkeit) daraus zu machen.
In Indien kennt man Amaranth als «rajeera» (Königskorn) und macht aus ihm ein den Alegria ähnliches Konfekt namens «laddoos».