Optisch und von der Grösse her ein eher unscheinbares Gemüse, geschmacklich aber auf der Höhe. Sollten Sie auf dem Markt oder in einem Geschäft Kerbelrübchen erspähen – greifen Sie zu!
Autorin: Dr. Claudia Rawer, 10.14
Schon vor einiger Zeit wurden Kerbelrübchen zum «Trendgemüse» erklärt, doch bekommt man sie immer noch selten. Seit ich jedoch ein Geschäft gefunden habe, das die würzigen, nussig-süssen Leckerbissen verkauft, bin ich ein Fan der delikaten Knöllchen. Nicht für jeden Tag – dazu ist das Mini-Gemüse zu teuer. Aber zu besonderen Gelegenheiten ist es eine ungewöhnliche Zutat und eine Bereicherung im winterlichen Speiseplan.
Denn Kerbelrübchen können zwar ab Juli geerntet werden, doch entwickeln sie ihr würziges Aroma erst richtig im Spätherbst bzw. nach mehrmonatiger Lagerung. So ist der Geschmack der etwa fingerlangen Wurzeln von November bis März am besten.
Apropos Geschmack: Meist werden Vergleiche mit Pastinake, Esskastanie oder Sellerie bemüht, die es jedoch alle nicht ganz treffen. Probieren Sie am besten selbst!
Kerbelrüben sind ein altes einheimisches Wintergemüse: Ab dem Mittelalter wurde es in europäischen Klostergärten kultiviert. Da die Pflanze winterhart ist und die Rübchen ausgezeichnet zu lagern sind, waren sie jahrhundertelang ein wichtiger Nährstofflieferant während der kalten Jahreszeit und galten schon damals als Delikatesse.
Man liebte die Kerbelrübe, auch Knollenkerbel, Rübenkerbel oder Erdkastanie genannt, bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts – dann geriet sie langsam in Vergessenheit. Dazu trug sicherlich auch bei, dass ihr Anbau als schwierig gilt. Heute entdeckt man viele alte, aromareiche Gemüsesorten neu, und es gibt sogar wieder (Bio-)Bauern, die sich die Mühe machen, sie zu hegen und zu pflegen. In Frankreich werden die würzigen Rübchen schon seit längerem in der Gourmetküche geschätzt.
Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.
Aber was sind Kerbelrübchen überhaupt für ein Gewächs? Die (theoretisch ebenfalls essbare, aber sehr dünne) Wurzel des Gartenkerbels (Anthriscus cerefolium), wie man meinen könnte, ist es jedenfalls nicht.
Vielmehr sind die kleinen Knollen die Wurzeln eines Gewächses aus der Familie der Doldenblütler mit dem seltsamen Namen Knolliger Kälberkropf (Chaerophyllum bulbosum). Das Kraut wächst in feuchten Wäldern und an Flussufern Nord- und Mitteleuropas. Wild kommt der Knollige Kälberkropf in Deutschland zerstreut vor, oft ist er aus Gärten verwildert. In Österreich ist er in warmen, trockenen Gebieten etwas häufiger, in der Schweiz selten, in den Alpen und im Alpenvorland fehlt er ganz. In grösserem Stil angebaut wird er im französischen Loire-Tal und im Norden Grossbritanniens.
Im zweiten Wachstumsjahr bildet die Pflanze eine länglich-spindelförmige oder rundlich-knollige Hauptwurzel: die Kerbelrübe. Sie ist etwa drei bis höchstens zehn Zentimeter lang und weissfleischig mit hellbrauner Schale. Diese Knollen enthalten viel Stärke und kaum Fett, hochwertige Aminosäuren, Kohlenhydrate und wertvolle Mineralstoffe wie Kalium und Magnesium.
Neben der europäischen Art gibt es auch die Sibirische Kerbelrübe (Chaerophyllum prescottii), deren Wurzeln grösser sind, geschmacklich aber nicht an die kleinen Verwandten heranreichen.
Köstlich, aber wie gesagt, teuer; die aus dem alten Wien stammende Bezeichnung «Kaviar der Vegetarier» sagt alles. Mit Kilopreisen zwischen 15 und 20 Euro bzw. 25 Schweizer Franken muss man rechnen. Daher sollte man sich Einsatz und Zubereitung gut überlegen.
Natürlich kann man die delikaten Zwerge wie andere Wurzelgemüse auch verwenden, in Suppen, Aufläufen und Gratins. Aber das läuft ins Geld und wäre auch ein bisschen schade. Daher empfiehlt eine französische Koch-Kolumnistin, mal klein und fein anzufangen: mit 200 Gramm der Mini-Rübchen, die geschält und ganz kurz und leicht in Butter oder Olivenöl gebraten werden.
Wenn das schmecke – und das werde es tun, davon ist die «verrückte Köchin (www.cocineraloca.fr) überzeugt – könne man ja eine etwas grössere Portion mit anderen Gemüsen mischen, «um einen schönen festtäglichen Gemüseteller zu machen, ohne sich zu ruinieren». In Frankreich beliebt ist z.B. die Mischung mit jungen Mairübchen und Petersilienwurzel.
Man kann die würzigen Winzlinge übrigens auch roh geniessen. Dann ist die Konsistenz fest; z.B. in Wintersalaten kommt der pikante Geschmack kräftiger zur Geltung. Gegart wird das Fleisch der Knolle weich, ähnlich wie bei der Kartoffel. Man sollte sie nicht zu lange kochen oder braten, sonst wird die Konsistenz zu mehlig.
Der Anbau und die Lagerung von Kerbelrübchen sind nicht ganz einfach – der Hauptgrund für den hohen Preis. Der Weg von der Aussaat bis auf den Teller dauert fast ein Jahr; nur wenige Gemüseproduzenten nehmen soviel Zeit und Mühe auf sich. Wer einen Garten sein eigen nennt und ein wenig Geduld hat, kann sich selbst an den Mini-Rübchen versuchen.
Die Kerbelrübe ist eine zweijährige Pflanze, die im ersten Jahr die verdickte Wurzel und im zweiten Jahr erst Blüten und Samen bildet. Die Samen des Frostkeimers müssen frisch sein. Sie sind nur einige Monate lang keimfähig und sollen im Herbst (zwischen August und Dezember) direkt ins Freiland in lockeren und unkrautfreien Gartenboden an einem sonnigen Standort ausgesät werden. Dann keimen die Pflänzchen im zeitigen Frühjahr, benötigen aber dafür mindestens acht Wochen anhaltende Feuchtigkeit und Temperaturen unter 5° C.
Als erstes zeigen sich zwei länglich-schmale Keimblätter. Bis sich weitere Blättchen entfalten, dauert es eine ganze Weile; sie erinnern dann an Petersilie oder Karottengrün.
Auch Schnecken lieben Kerbelrübchen und tun sich gerne an den jungen Pflänzchen gütlich. (Das Blattgrün gilt übrigens für Menschen als ungeniessbar.) Als Partner in einer Mischkultur eignen sich – laut Wikipedia – als Zwischenpflanzung im Frühjahr Zwiebeln und danach Salat. Beide werden vor der Kerbelrübe geerntet.
Während der Hauptwachstumszeit im Frühjahr und Sommer müssen die Kerbelrübchen regelmässig gedüngt und bewässert werden. Im Juni beginnt das Kraut zu welken und zieht sich ein. Geerntet werden kann dann im Juli; wenn keine Wühlmäuse im Garten sind, auch später.
Die grösseren Knöllchen, die zum Verspeisen bestimmt sind, sollen drei bis vier Monate in feuchtem Sand eingeschlagen nachreifen, um ihr volles Aroma zu entwickeln. Kleine, nur erbsengrosse Wurzeln können direkt wieder eingepflanzt werden und erreichen ihre volle Grösse im nächsten Sommer. Wenn dann die Pflanze blüht und Samen bildet, kann man eigenes Saatgut ernten.
Rezepte für Kerbelrübchen gibt es nur wenige in deutscher Sprache (im Internet z.B. auf kuechenlatein.com oder www.bushcook.de). Wer französisch versteht, wird z.B. auf der Seite recettes.de/cerfeuil-tubereux fündig.