Neben Rosenkohl und Brokkoli ist Federkohl wohl das vitaminreichste Gemüse und eine wichtige Ergänzung auf dem winterlichen Speiseplan. Glücklicherweise haben sich neben den traditionellen Zubereitungsformen in den letzten Jahren auch neue und innovative Federkohl-Rezepte durchgesetzt.
Grünkohl, wie der Federkohl in Deutschland heisst, stammt ursprünglich wohl aus Griechenland. In der römischen Küche zählte er zu den Delikatessen und wird heute auch in Afrika angebaut und in nigerianischen Eintöpfen verwendet.
Text: Claudia Rawer 1.06
Mitten im Winter, wenn es so wenig frisches Grün gibt, reckt der Federkohl seine gekrausten Blätter stolz in die Höhe. Diese können farblich von dunkelgrün bis violett-braun variieren. Er gehört zu den vielen Arten des Gartenkohls (Brassica oleracea), bildet aber, anders als Weisskohl, Rotkraut und Blumenkohl keinen «Kopf» und ist der Wildform noch am ähnlichsten. Am besten schmeckt er, wenn seine Blätter am Rand von Spitzen aus Reif geschmückt sind. Federkohl braucht frostige Temperaturen, da durch die Kälte ein Teil seiner Kohlenhydrate zu Zucker umgebaut wird. So bekommt er erst seinen herb-süssen Geschmack. Zudem wird die feste Blattstruktur etwas lockerer und der Kohl damit bekömmlicher.
Das Wintergemüse ist besonders aufgrund seines hohen Gehalts an Glucosinolaten (auch Senfölglykoside genannt) gesund. Doch Grünkohl verändert je nach Sorte seinen Gehalt an Glucosinolat im Winter. Biologen der Universität Oldenburg fanden heraus, dass bei niedrigen Temperaturen der Gesamtgehalt der Glucosinolate bei den Arten «krauser Grünkohl» und «Palmkohl» anstieg, wohingegen er bei der Wildform abnahm. Beim Anbau sollte daher nicht nur auf die Temperatur, sondern auch auf die jeweilige Grünkohlart geachtet werden.
In Baden-Württemberg galt er lange Zeit als Hasenfutter, im Osten Deutschlands wurde er als Hühnerfutter angebaut. Das dürfte den Tieren gut bekommen sein: Federkohl enthält nämlich sehr viel Vitamin C. Für uns Menschen ist er deshalb ein wichtiger Beitrag zum winterlichen Speiseplan. Beim Vitamin-C-Gehalt kann es Grünkohl mit der Paprika aufnehmen (100 Milligramm auf 100 Gramm), nach den Rüebli ist er zudem der zweitbeste Lieferant von Provitamin A, er enthält B-Vitamine sowie Folsäure in höheren Mengen als die meisten anderen Gemüsearten.
Diese Inhaltsstoffe sollte man nur nicht «totkochen», wie das bei der klassischen Zubereitung oft der Fall ist: kurz gegart bleiben die Vitamine des Wintergemüses besser erhalten. Ausserdem liefert Federkohl unter allen Kohlarten am meisten wertvolles pflanzliches Eiweiss und Kohlehydrate. Er ist eines der ballaststoffreichsten Gemüse überhaupt und liefert zudem wichtige Mineralstoffe wie Kalzium und Eisen.
Grünkohl hat Freunde und Feinde. Die einen freuen sich schon auf den ersten Frost, die anderen finden einfach nur, dass er «stinkt» und laufen fast davon. Frisch riecht Federkohl relativ neutral, beim Kochen aber werden Enzyme aktiviert, die im Pflanzengewebe enthaltene Schwefelverbindungen spalten.
Zusammen mit den Senfölen des Grünkohls ergibt das das typische Aroma. Je länger die Kochzeit, desto mehr «Duftmoleküle» werden freigesetzt – auch das also ein Grund, es mit kürzeren Garzeiten zu versuchen. Vierzig bis fünfzig Minuten reichen. Einige halten es übrigens auch beim Grünkohl mit dem Sauerkraut-Rezept der Witwe Bolte: «… wovon sie besonders schwärmt, wenn es wieder aufgewärmt».
In der Küche streift man die gut gewaschenen Blätter von den harten Stielen, schneidet sie in Streifen oder zupft sie in Stücke. Anschliessend kann man die Grünkohlstreifen in Fett andünsten und in Gemüsebrühe garen. Wer Fett spart, blanchiert die Blätter in Salzwasser, hackt sie nach dem Abtropfen grob oder fein und gart das Gemüse dann in etwa vierzig Minuten fertig. Ob Grünkohlauflauf oder Federkohl mit Kastanien und glasierten Kartoffeln: guten Appetit!
Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.
Frische Federkohlblätter sollten beim Kauf saftig grün und fest sein. Frühe Sorten sind hellgrün und am Rande fein gekräuselt, spätere Sorten haben eine dunkel- bis blaugrüne Farbe. Zu kaufen gibt es das Wintergemüse ab Dezember auf dem Markt, aber auch bei den Grossverteilern und in Delikatessengeschäften. Lagern sollte man frischen Grünkohl nicht lange, im Gemüsefach des Kühlschranks hält er sich nur ein paar Tage.
Nur wer zu Verdauungsproblemen neigt, sollte ein bisschen vorsichtig mit Kohl sein. Die Zugabe verdauungsfördernder Gewürze wie Senf, Kümmel, Kardamom oder Nelken macht auch schwer verdauliche Wintergenüsse leichter bekömmlich.
Im Norden Deutschlands isst man nicht nur gerne Grünkohl, man nimmt das auch recht ernst. Alle Jahre wieder streiten sich die Städte Bremen und Oldenburg, wessen Spezialität der Grünkohl denn nun sei. Die längste Tradition können die Bremer nachweisen, die seit 1545 ein öffentliches Grünkohlessen zelebrieren. Die so genannten Grünkohlfahrten aber haben wohl die Oldenburger erfunden. Schon im 19. Jahrhundert fuhren wohlhabende Geschäftsleute in den Wintermonaten mit Pferdekutschen aufs Land, um in den Dorfgasthöfen frischen Grünkohl zu speisen.
Diese Tradition hat sich gehalten. Nachbarn, Betriebe und Vereine machen auch heute noch Ausflüge – zu Fuss und mit dem Leiterwagen – um Grünkohl essen zu gehen. Und auch ein Grünkohlkönig wird in Oldenburg jährlich gewählt – ein Amt, das gerne auch Politikern übertragen wird. Zu den Grünkohlgekrönten Häuptern gehörten so gegensätzliche Charaktere wie Helmut Kohl und Joschka Fischer. Auch die deutsche Kanzlerin war einmal Grünkohlkönigin – von ihr wird allerdings berichtet, sie habe «nicht so richtig reingehauen».