«Gesunder Magen bleibt unbeachtet, viel Arbeit, wenig Dank», wusste schon Wilhelm Busch. Der Magen vollbringt ganz im Stillen wahre Hochleistungen. Entscheidend für unser Wohlbefinden, hat das Organ mehr Aufmerksamkeit verdient.
Autorin: Dr. Claudia Rawer, 04.16
Magenprobleme können viele verschiedene Ursachen haben.
Unser Magen kann sich unauffällig dünn und klein machen, hat aber durch viele kleine Fältchen in der Magenwand eine enorme
Dehnfähigkeit. Er rückt Erregern mit ätzender Säure zu Leibe und verarbeitet Nahrung wie eine Chemiefabrik.
Der Magen ist ein Muskelprotz und gleichzeitig ein Sensibelchen, das auf Anspannung und Stress höchst empfindlich reagiert; Hast und Hetze – was Alfred Vogel so wunderbar «Zeitgeiz» nannte – bekommen ihm schlecht.
Manch einer hat einen Magen «wie ein Pferd», bei anderen gebärdet sich das Organ zart besaitet und nervös. Er ähnelt einem kleinen Sack; Form und Grösse sind jedoch individuell und situationsabhängig unterschiedlich. Der menschliche Magen kann ungefähr 1,5 Liter Inhalt fassen und ist etwa 20 bis 30 Zentimeter lang. Im Stehen liegt sein tiefster Punkt knapp unterhalb des Nabels.
Hauptaufgaben des Magens sind die (Vor-)Verdauung von Eiweiss, das Desinfizieren, Mischen und Transportieren von Nahrung sowie deren vorübergehende Speicherung.
Bereits beim Gedanken an ein leckeres Essen läuft uns das Wasser im Munde zusammen, beim Anschauen und Riechen appetitlicher Speisen erst recht. Parallel zu dieser Speichelbildung beginnt die Chemiefabrik der Magendrüsen zu arbeiten. Im Ruhezustand bilden diese Drüsen etwa zehn Milliliter Magensaft in der Stunde. Bekommt der Magen Futter, wird die Menge auf bis zu einen Liter stündlich gesteigert; zwei bis drei Liter sind es am Tag.
Das für den Verdauungsvorgang unerlässliche Sekret besteht im Wesentlichen aus Salzsäure und Enzymen. Die Salzsäure bewirkt die Aktivierung des Verdauungsenzyms Pepsin, das die aufgenommenen Eiweisse in handhabbare Stücke zerlegt. Regelmässige Kontraktionen der Magenmuskeln sorgen dafür, dass die Nahrung gut mit dem Magensaft vermischt und dann weitertransportiert wird; der Magen knetet sie sozusagen zu Brei und befördert diesen in wellenförmigen Bewegungen Richtung Darm. Das bezeichnet man als Peristaltik.
Nicht zuletzt ist der Magen der Wächter vor dem Tor zum Darm: Der Pförtnerkanal (Pylorus) sorgt mit seiner kräftigen Muskulatur dafür, dass alle Stoffe so lange im Magen verbleiben, bis sie langsam und gleichmässig dem Darm zugeführt werden können.
Die Salzsäure aktiviert, wie gesagt, das eiweissspaltende Enzym Pepsin. Sie erfüllt aber noch eine weitere wichtige Aufgabe: Sie verhindert das Überleben der meisten Bakterien und schützt so effektiv vor Infektionen. Ausser dem Bakterium Helicobacter pylori überstehen nur wenige Erreger das saure Magen-Milieu. Magenspezialisten zählen die Salzsäureproduktion der sogenannten Belegzellen daher zum Immunsystem.
Zum Essen nichts trinken, weil das die Magensäure verdünnt und der Verdauung schadet? Das wird häufig behauptet, ist aber falsch.
Der pH-Wert ist das Mass für den sauren oder basischen Charakter einer Lösung. Er liegt im leeren Magen ungefähr bei eins; viel saurer geht es nicht. Die Magensäure ist etwa eine Million Mal saurer als Wasser. Durch die Nahrungsaufnahme wird der pHWert auf zwei bis vier «verdünnt», doch das Milieu im Magen ist nun immer noch sauer genug, um jeden Proteinpartikel kleinzukriegen. (Kohlenhydrate und Fette passieren den Magen ohnehin praktisch unangetastet.)
Hinzu kommt: Der Magen steuert seinen Säuregehalt nach Bedarf selbst. Die Säureproduktion wird ja schon vor dem Essen angekurbelt. Wird die Magenwand durch die Nahrung gedehnt, liefern die Belegzellen über einen komplizierten Rückkopplungsmechanismus Salzsäure nach. Selbst wenn man etliche Liter Wasser trinken würde – der pH-Wert im Magen wäre damit nicht zu beeinflussen.
Die Magenperistaltik, die regelmässigen Muskelkontraktionen des Magens, durchmischt und befördert den Nahrungsbrei Richtung Darm, und das fast rund um die Uhr. Denn auch in der Nacht ruht der Magen nicht.
Die Ruheperistaltik arbeitet zwar etwas langsamer als tagsüber, doch sorgt sie weiter dafür, dass der Magen entleert und mit selbst produzierter Flüssigkeit gespült wird. So entsteht übrigens auch das Magenknurren, das eigentlich ein «Darmknurren» ist: Ist der Magen leer, pressen die Muskelkontraktionen etwas Luft in den Darm. Diese sorgt in einem Abschnitt nach dem Zwölffingerdarm, dem sogenannten «Knurrdarm», für das bekannte Geräusch.
Je nach Zusammensetzung einer Mahlzeit verweilt die Nahrung unterschiedlich lange im Magen. Getränke rutschen innerhalb einer Stunde durch. Einfache Kohlenhydrate, z.B. Weissbrot, verlassen den Magen innerhalb von zwei Stunden, komplexere wie Vollkornbrot brauchen doppelt so lange.
Am meisten Arbeit hat das Organ mit eiweissreichen und fetten Mahlzeiten. Für seine Hauptaufgabe, Proteine zu zerlegen und zu verdauen, benötigt der Magen schon fünf Stunden und mehr. Sind Fleisch oder Fisch besonders fett, gibt der Magen sie erst nach sieben und mehr Stunden an den Darm weiter.
«Leicht verdaulich» sind also beispielsweise Eier, gekochter Reis, zarte Gemüse, Kartoffeln, Obst und magerer Fisch, während uns Speck, Heringssalat und Gänsebraten «schwer im Magen» liegen können. Auch einige gesunde, aber ballaststoffreiche Gemüse wie Kohl und Pilze zählen zu den schwer verdaulichen Dingen. Ganz nüchtern ist man erst etwa zwölf Stunden nach der letzten Mahlzeit.
Dann ist die Arbeit des Magens für diesmal getan, und der Darm übernimmt.
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Der Magen reagiert sensibel auf Belastungen – nicht nur durch unbekömmliches Essen, schlechtes Kauen, Alkohol, Zigaretten oder Medikamente, sondern auch durch Stress, Hetze und belastende Situationen wie Streit oder Prüfungen. Dieser psychosomatischen Komponente sind wir uns bewusster als bei anderen Organen; Redensarten wie «Das schlägt mir auf den Magen» erinnern daran.
Daher sind wir aber auch häufig geneigt, Magenbeschwerden nicht ernst zu nehmen. Doch können Symptome wie Bauchschmerzen, Sodbrennen oder Völlegefühl von harmlosen Verdauungsstörungen ausgelöst werden, es können aber auch schwerwiegendere Erkrankungen dahinterstecken. Deshalb sollte man den Arzt aufsuchen, wenn Magenbeschwerden länger als etwa zwei Wochen andauern. Die häufigsten Erkrankungen des Magens folgen in einem Kurzüberblick.
Fast jeder kennt Magen-Darm-Infektionen (Gastroenteritis) mit Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und -krämpfen, Durchfall und manchmal auch Fieber. Oft spricht man von Magen Darm-Grippe, obwohl diese Infekte mit der echten Grippe (Influenza) nichts zu tun haben.
Sehr häufig sind säureresistente und sehr ansteckende Noroviren bei Erwachsenen und Rotaviren bei Kindern die Ursache. Solche Erkrankungen verlaufen in unseren Breiten meist gutartig und bedürfen keiner besonderen Behandlung. Drei Tage Bettruhe und Schonkost zur Entlastung des Darms sind in der Regel ausreichend.
Vorsicht bei Magen-Darm-Infektionen ist aber bei Säuglingen und Kleinkindern geboten. Durchfall kann einen sehr hohen Verlust an Flüssigkeit und Mineralien zur Folge haben, der in schweren Fällen zu lebensgefährlicher Austrocknung und Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen und Nierenversagen führen kann. Auch bei älteren Menschen und Patienten mit einer Vorerkrankung kann es zu schwerwiegenderen Problemen kommen.
Gefährlich sind auch hochansteckende Magen-Darm-Infektionen wie Cholera, Typhus oder Paratyphus; sie sind bei uns meldepflichtig. Die Behörden informieren müssen Ärzte ebenfalls, wenn Magen- Darm-Infektionen viele Menschen betreffen können: z.B. bei der Herstellung von Lebensmitteln (man erinnert sich an die EHEC-Epidemie), in der Gastronomie oder Gemeinschaftsverpflegung (Kindergärten, Seniorenheime). Dies gilt beispielsweise für bestimmte Escherichia-coli-Bakterien, Salmonellen sowie die Noro- und Rotaviren.
Im Übrigen können auch Medikamente, die den Säuregehalt des Magens verringern – z.B. Mittel gegen Sodbrennen – Magen-Darm-Infekte begünstigen.
Pfefferminz- und Ingwertee wirken gegen Übelkeit und sind eine willkommene Flüssigkeitsquelle. Bewährte Hausmittel gegen Durchfall sind geriebener roher Apfel und Karottensuppe (Cola und Salzstangen sind nicht geeignet!).
Sodbrennen oder Refluxkrankheit nennt man das Zurückfliessen von Magensaft in die Speiseröhre und die dadurch verursachten Symptome wie brennende Schmerzen vor allem hinter dem Brustbein und saures Aufstossen. Das ist nicht nur unangenehm, sondern sollte auch behandelt werden, denn als Folge kann – allerdings selten – eine Entzündung der Speiseröhrenschleimhaut auftreten. Zur Behandlung wird der Arzt meist Säurehemmer (Antazida, Protonenpumpenhemmer) einsetzen.
Übelkeit und Erbrechen, Appetitlosigkeit, ein Druckgefühl im Oberbauch und Schmerzen im Magenbereich sind häufig Anzeichen einer Entzündung der Magenschleimhaut (Gastritis). Eine akute Magenentzündung kann durch Medikamente, Nikotin, zu viel Alkohol, Bakterien oder Viren verursacht werden. Hier erfahren Sie mehr zum Thema: Magenentzündung (Gastritis)
Krebserkrankungen des Magens (Magenkarzinom) sind nicht sehr häufig, aber tückisch: Sie werden oft zu spät erkannt, da die Betroffenen über einen längeren Zeitraum keine Beschwerden haben. Erst im fortgeschrittenen Stadium zeigen sich Symptome wie Gewichtsabnahme und Schmerzen. Die Aussicht auf Heilung ist dann gering.
Risikofaktoren sind eine genetische Anlage, chronische Magenschleimhautentzündungen, Rauchen, Nitrosamine in der Nahrung (weswegen man niemals gepökelte Fleisch- oder Wurstwaren grillen sollte) und die Infektion mit Helicobacter pylori.
Wie bei vielen Krebsarten ist das Risiko, an Magenkrebs zu erkranken, im Alter höher. Die gute Nachricht: Die Anzahl der Neuerkrankungen sinkt in den Industrienationen seit mehreren Jahrzehnten deutlich. Vermutlich ist dies auf bessere Ernährung, verbesserte Vorschriften in der Lebensmittelproduktion, den Rückgang des Nikotinkonsums sowie auf die sinkende Anzahl von Infektionen mit Helicobacter zurückzuführen.
Dyspepsie ist der medizinische Fachbegriff für eine Verdauungsstörung im Oberbauch. Sie äussert sich durch Beschwerden wie Völlegefühl nach dem Essen, frühes Sättigungsgefühl, Oberbauchschmerzen, Unwohlsein und Magenbrennen. Während bei der funktionellen Dyspepsie (Reizmagen) keine organischen Ursachen gefunden werden können, liegen bei der organischen Dyspepsie oft eine Refluxkrankheit oder ein Magen- oder Darmgeschwür zugrunde. Die Ursachen für den Reizmagen sind nicht eindeutig geklärt; Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Als Auslöser kommen unter anderem psychische Belastungen wie Angst oder Stress, Ernährungsgewohnheiten, Unverträglichkeiten oder Störungen der Magenmuskelbewegungen in Frage. Um die Diagnose stellen zu können, muss der Arzt alle organischen Ursachen für die Beschwerden ausschliessen. Daher sollte man als Patientin auf vollständige Abklärung dringen.
Linderung bei einem Reizmagen bringen oft schon eine Ernährungsumstellung und der Abbau von Stress (Entspannungsübungen, Psychotherapie). Auch pflanzliche Arzneimittel (Phytotherapeutika) werden bei Reizmagen mit gutem Erfolg eingesetzt. In Frage kommen Mittel, die beruhigende und regulierende Wirkung auf die Magen-Darm-Funktion haben, beispielsweise solche mit Artischocke, Anis, Bittere Schleifenblume, Fenchel, Kamille, Kardamom, Koriander, Kümmel, Kurkuma, Pfefferminze oder Wacholderöl.
Das im Kurkuma enthaltene Curcumin hat entzündungshemmende und antimikrobielle Eigenschaften. Es wird in Südostasien seit Langem als medizinisches Heilmittel, unter anderem auch zur Behandlung von Verdauungsstörungen, eingesetzt. Wissenschaftler haben im Fachblatt «BMJ Evidence-Based Medicine» die Wirksamkeit bei Reizmagen untersucht. Hierbei erhielten die Patienten entweder viermal täglich zwei Kapseln Curcumin (250 mg) allein, ein gängiges Arzneimittel der Art Protonenpumpenhemmer allein oder eine Mischung von beidem. In allen drei Gruppen verringerte sich die Schwere der Schmerzen signifikant, jedoch nur in der Curcumin-Gruppe verbesserten sich auch die Zufriedenheitswerte signifikant. Der zugrunde liegende Mechanismus hängt mit der erhöhten Aktivität eines Rezeptors für die Signalübertragung zusammen. Einschränkend fügen die Autoren der Studie an, dass die Studiendauer mit 56 Tagen eher kurz und auch die Probandenzahl sehr klein war.
Helicobacter pylori
Es war eine medizinische Sensation: Nicht (nur) Stress und Übersäuerung sollten schuld an Magenschleimhautentzündungen und Magengeschwüren sein, sondern das Stäbchenbakterium Helicobacter pylori.
Das behaupteten die australischen Mediziner Barry Marshall und John Robin Warren 1983, obwohl nach gängiger Lehrmeinung Bakterien das saure Milieu des menschlichen Magens nicht überleben sollten.
In einem mutigen Selbstversuch infizierte sich Marshall mit dem Keim und bekam prompt eine schwere Gastritis – der Nachweis war gelungen. Das Bakterium wurde weltweit als Ursache von Magengeschwüren anerkannt; 2005 erhielten die Wissenschaftler für ihre Entdeckung den Medizin-Nobelpreis.
Seitdem ist Helicobacter zu einem der bekanntesten und am weitesten verbreiteten Erreger aufgestiegen. Weltweit ist etwa die Hälfte aller Menschen mit ihm infiziert, wobei die Rate in den Entwicklungsländern viel höher ist als in den Industrienationen.
In Deutschland und der Schweiz sollen 20 bis 40 Prozent der Bevölkerung das Bakterium in sich tragen; mit dem Alter nimmt die Rate zu (möglicherweise bis auf 70 Prozent). Nicht selten kann der Keim schon bei Kindern und Jugendlichen nachgewiesen werden.
Der genaue Ansteckungsweg ist nicht bekannt. Die Stoffwechselaktivität des Erregers führt zu einer chronischen Entzündung. Helicobacter pylori wird für mehrere Erkrankungen verantwortlich gemacht:
Magenschleimhautentzündungen (bakterielle Gastritis), etwa drei Viertel aller Magengeschwüre (Ulcus) und praktisch alle Geschwüre am Zwölffingerdarm.
Auch als krebserregend wird das Bakterium eingestuft: Eine Infektion mit Helicobacter gilt inzwischen als wichtigster Risikofaktor für Magenkrebs. Mit Reflux und einer eventuell daraus folgenden Entzündung der Speiseröhre besteht dagegen kein Zusammenhang.
Dennoch: Trotz der hohen Infektionsrate erkranken verhältnismässig wenige Menschen. Nur etwa zehn bis 20 Prozent der Infizierten bekommen einen Ulcus, und längst nicht jeder, der eine Helicobacter-bedingte Magenentzündung oder ein Geschwür hat, entwickelt später ein Magenkarzinom. Warum das so ist, ist noch nicht aufgeklärt.
Schematische Darstellung des Magens
Der Magen (Ventriculus) liegt im oberen Bauchbereich, etwas links von der Körpermitte. Die Magenwand besteht aus kräftigen Schichten längs, ringförmig und schräg verlaufender Muskelfasern. Eine klare Membran (Serosa) überzieht die äussere Wand des Magens, eine Schleimhaut mit stark gefalteter Oberfläche, vielen Drüsen und zahlreichen kleinen Gruben (Mucosa) kleidet ihn innen aus.
Eine Bindegewebsschicht mit Blutgefässen verbindet Schleimhaut und Muskelschicht. Die Eintrittsstelle der Speiseröhre ist der Eingang in den Magenkörper. Der enge, ringförmige Pförtnerkanal bildet den Übergang zum Zwölffingerdarm.
Das Magendrüsensystem produziert den Magensaft, der hauptsächlich aus dem eiweissspaltenden Enzym Pepsin und Salzsäure besteht. Die Bildung dieses Sekrets wird durch Nervenimpulse und Hormone gesteuert. Damit der Magen sich durch die Salzsäure nicht selbst verdaut, bilden spezialisierte Zellen eine Schleimschicht, die die Innenhaut des Magens überzieht und vor der Säure schützt.