Immer mehr Menschen weisen eine Fettleber auf – ohne dass sie zu viel Alkohol trinken. Hauptursache für die erst 1980 entdeckte Krankheit ist Überernährung. Eine überraschende Rolle spielt Fruchtzucker.
Autorin: Anja Rech
Die Leber ist unser wichtigstes Stoffwechselorgan. Ihre bekannteste Funktion: Sie entgiftet unseren Körper rund um die Uhr von Stoffen, die ihm auf Dauer schaden würden, wie z.B. Alkohol oder Medikamente. Ausserdem ist sie an der Verstoffwechselung von nahezu allen Nährstoffen beteiligt. So produziert die Leber Galleflüssigkeit, welche zur Aufnahme von Fetten aus dem Darm gebraucht wird. Sie zerlegt Kohlenhydrate in Traubenzucker (Glucose) und speichert diesen als Glykogen. Damit kann sie Gehirn und Muskeln bei Bedarf mit Energie versorgen. Doch immer häufiger stellen Ärzte fest, dass die Leber ein Problem hat: sie verfettet. Weil sie dabei keine Schmerzen entwickelt, bemerken viele Menschen dies nicht. Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland sind inzwischen etwa 25 Prozent der Bevölkerung davon betroffen. «Die Fettleber hat sich zu einer der häufigsten Erkrankungen überhaupt entwickelt – doch oft wird sie gar nicht diagnostiziert», sagt Prof. Ansgar Lohse, Direktor des Zentrums für Innere Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Fettleber? Das war früher eine Erkrankung, die vor allem Alkoholiker entwickelten. In den vergangenen Jahren zeigt sie sich jedoch zunehmend bei Menschen, die keinen oder nur massvoll Alkohol trinken. Daher bezeichnen Mediziner dies als nichtalkoholische Fettleber, abgekürzt NAFLD (non-alcoholic fatty liver disease). Die Erkrankung wurde erst 1980 erkannt. «Man spricht von ‹Fettleber›, wenn mehr als die Hälfte der Leberzellen verfettet sind», erklärt Prof. Felix Stickel, Hepatologe in der Klinik Beau-Site in Bern. «Eine Fettleber ist zwar oft harmlos und kann sich bei entsprechenden Massnahmen komplett zurückbilden», ergänzt er. «Bei manchen Personen kann sie aber der Anfang einer fortschreitenden Leberschädigung sein.»
Erhält die Leber mehr Nährstoffe, als sie in Form von Glykogen speichern kann, wandelt sie diese in Fetttröpfchen um, die sich in ihren Zellen ablagern. Dies verklebt die Zellen und färbt sie gelblich. Ausserdem wird das Organ immer schwerer – bis zum doppelten seines Originalgewichts. «Das ist zwar nicht schön, aber noch nicht schlimm», kommentiert Prof. Lohse. Doch man müsse wachsam sein: «Kritisch wird es, wenn sie sich gegen das viele Fett wehrt und eine Entzündung entwickelt.» Das passiert bei rund 20 Prozent der Betroffenen.
Wird diese Fettleber-Entzündung (Steatohepatitis) nicht behandelt, kann sich als Folge das Bindegewebe vermehren (Leberfibrose) und vernarben. Im fortgeschrittenen Stadium entsteht daraus eine Leberzirrhose, das vernarbte Organ schrumpft und kann seine Funktion nicht mehr erfüllen. Die fettbedingte Entzündung erhöht zudem deutlich das Risiko für Leberkrebs.
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«Das Hauptproblem ist, dass wir zu viel essen und uns zu wenig bewegen», betont der Hamburger Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie Prof. Lohse. «Die Evolution hat den Körper darauf ausgelegt, dass wir nicht immer zeitnah Essen finden. Heute sind wir aber mit einem allzeit verfügbaren, deutlich höheren Kalorienangebot konfrontiert als wir es je hatten – und wir bewegen uns weniger.» Die Folge: Wir nehmen zu. Übergewicht ist aber nicht gleich Übergewicht.
Eine wichtige Rolle für die Entstehung einer Fettleber spielt, wie sich das Fett im Körper verteilt: So weisen Menschen, deren Fett eher am Körperstamm sitzt («Apfeltyp», meist Männer), diese Krankheit häufiger auf als Personen, deren Pölsterchen sich gleichmässig verteilen («Birnentyp», eher bei Frauen).
Ausserdem ist nicht alleine die Menge an Nährstoffen entscheidend, die wir zu uns nehmen, sondern auch, welche genau wir essen. Hier haben Experten eine überraschende Ursache für die Fettleber ausgemacht: Fruchtzucker, wissenschaftlich Fructose genannt. «2009 lieferte eine amerikanische Molekularbiologin den Beweis, dass ein Zuviel an Fruchtzucker für die rapide Zunahme der NAFLD mitverantwortlich ist», erzählt Prof. Lohse. «Die Leber wandelt den in Obst enthaltenen Fruchtzucker in Fett um. Es wandert erst in die Leber selbst, später in den Bauch und auf die Hüften», beschreibt er.
Damit ist Fruchtzucker für das Organ gefährlicher als normaler Zucker. Unter Leberexperten gilt daher der Satz: «Ein Apfel ist gesund, zwei können schon zu viel sein.» Dabei steckt der Zucker nicht nur im Obst. Auch Brot, Wurst oder Mayonnaise enthalten ihn.
Lebensmittel mit hohem Fructosegehalt:
Prof. Lohse warnt zudem vor dem Zusatzstoff Sorbit (Kennzeichnung E 420), der vielen Lebensmitteln zugesetzt wird und Fructose enthält.
«Neben einer Überernährung und Alkohol zählen Stoffwechselstörungen wie Diabetes Typ 2 und Fettstoffwechselstörungen, die man Hyperlipoproteinämien nennt, zu den Ursachen für eine Fettleber», zählt Prof. Stickel auf. Unter den Diabetikern weisen bereits 85 Prozent eine Leberverfettung auf. Selten sind bestimmte Medikamente und Chemikalien dafür verantwortlich. Mitunter liegt auch eine genetische Veranlagung zur Fettleber vor.
Weil das Organ nicht weh tut, spürt man lange nichts von der Gefahr. Ein Anzeichen kann Abgeschlagenheit sein. Meist kommt man der Krankheit jedoch über erhöhte Leberwerte auf die Spur, die im Rahmen des Routine-Check-ups bei einer Blutuntersuchung entdeckt werden. «Macht man dann eine Ultraschalluntersuchung, lässt sich die Fettleber sehr leicht erkennen», sagt Prof. Stickel. Er setzt zudem ein zweites, ebenfalls einfach anzuwendendes Verfahren namens Elastografie ein, das ähnlich wie Ultraschall funktioniert. Damit kann man messen, wie hoch der Anteil an Leberverfettung ist und ob das Organ bereits fibrotisch, also vernarbt ist. Letzte Gewissheit gibt eine Biopsie, bei der unter lokaler Betäubung mit einer Nadel eine Gewebeprobe entnommen wird.
«Mehr als viele andere Krankheiten erfordert die Therapie der Fettleber die Mitarbeit des Patienten», betont der Mediziner aus Bern. Die wichtigste Massnahme ist: abnehmen! Man müsse nicht einmal Normalgewicht erreichen, motiviert Prof. Stickel, es reiche schon, zehn Prozent zu verlieren – und das langsam, nicht mehr als ein halbes Kilo pro Monat. «Damit normalisieren sich bei nahezu allen Patienten die Leberwerte», betont er. Auch die Verfettung gehe messbar zurück. Und selbst Vernarbungen können sich zurückbilden, denn die Leber hat die aussergewöhnliche Fähigkeit, sich zu regenerieren und neues, gesundes Gewebe zu bilden. Das schafft kein anderes Organ.
Medikamente gegen die Entzündung der Fettleber gibt es bislang kaum; die Forschung arbeitet daran. Wichtig ist aber, Risikofaktoren wie Diabetes, hohe Cholesterinwerte und Bluthochdruck zu behandeln. Zusätzlich setzt Prof. Stickel ein Jahr lang Vitamin E ein. «In Studien zeigte sich, dass sich die Leberwerte bessern, die Entzündung und die Fibrose zurückgehen», begründet er. Aber: «Veränderungen des Verhaltens helfen besser als jedes Medikament!»
Gesund essen. Die Devise ist: weniger Fett und weniger Zucker, stattdessen mehr Gemüse und Vollwertkost zu sich nehmen. Zurückhaltend sollte man wegen des darin enthaltenen Fruchtzuckers bei Obst sein. Zwei Portionen pro Tag genügen. Mehr erfahren
Forscher aus Jena haben untersucht, ob der Ballaststoff resistente Stärke einen Nutzen gegen die NAFLD hat. Das Ergebnis: Bei den Studienteilnehmern reduzierte sich nicht nur die Fettansammlung in der Leber, es wurde auch eine Zunahme bestimmter Bakte-
rienarten im Darm beobachtet, die den Fettabbau und -transport in der Leber positiv beeinflussten. Ausserdem stellten die Mediziner eine Abnahme von Entzündungsmarkern fest.
Gewicht reduzieren. Nehmen übergewichtige Menschen ab, schmilzt auch das Fettpolster der Leber. Am besten ist es, gemächlich abzuspecken – passiert dies zu schnell, können sich die Leberwerte sogar verschlechtern. Mehr erfahren
Sport treiben. Mehr Bewegung ist die zweite wichtige Massnahme, um abzunehmen und die Leber zu entlasten. Schon dreimal pro Woche eine halbe Stunde zügiges Gehen hilft.
Abendspaziergang. Der Geheimtipp von Prof. Lohse: ein Spaziergang nach dem Essen! Er entlastet die Leber und ist vor allem dann ratsam, wenn spätabends noch eine grössere Mahlzeit eingenommen wurde.
Sanfte Hilfe: Leberwickel. Ein feucht-warmer Leberwickel regt den Stoffwechsel an. So geht's.
Zuletzt aktualisiert: 06-08-2024