Fruchtzucker – das klingt lecker, natürlich und gesund. Allerdings gab und gibt es immer schon Menschen, die ihn schlecht oder gar nicht vertragen. In letzter Zeit jedoch häufen sich die gesundheitlichen Probleme bei Kindern und Erwachsenen. Dafür sorgt die Nahrungsmittelindustrie mit einem Überangebot an Fruchtzucker.
Autorin: Ingrid Zehnder
Natürlicher Fruchtzucker (Fruktose) kommt, wie der Name schon sagt, in Früchten vor – mal in grösseren, mal in kleineren Mengen. Getrocknetes Obst wie Trauben, Datteln, Feigen, Äpfel, Zwetschgen und Bananen enthält die höchsten Anteile an Fruktose. Beim Frischobst belegen puncto Fruchtzuckergehalt Birnen, Bananen, Äpfel, Weintrauben oder Mangos Spitzenplätze.
Selbst Gemüse können kleinere Mengen Fruchtzucker enthalten, so beispielsweise Karotten, Brokkoli, Kohl, Kürbis, Tomaten und Randen (Rote Beete). Auch die «natürliche Süsse» von (Bio-)Dicksäften besteht zum grossen Teil aus Fruchtzucker.
Fruchtzucker ist süsser als alle anderen Zuckersorten: Fast anderthalb mal so süss wie Haushaltszucker und dreimal süsser als Traubenzucker. Fruchtzucker gibt es in kristalliner Form und als Sirup. Er kommt nicht nur in Honig und Früchten bzw. Fruchtsäften in natürlicher Form vor, sondern wird massiv in der Lebensmittelindustrie eingesetzt: für warme und kalte Speisen, in Back- und Süsswaren, Kuchen, Konfitüren und Gelées, Speiseeis, Konserven, Ketchup, Fruchtjogurts, Müesliriegeln, Instantgetränken, süssen Limonaden, Früchtetees und vielem mehr.
Das positive «Natur»-Image des Fruchtzuckers hat erhebliche Kratzer bekommen. Nicht weil gesunde Menschen durch frische Früchte und vor allem Fruchtsäfte ein Übermass an Fruktose zu sich nehmen könnten, sondern weil sie darüber hinaus in so vielen Lebensmitteln enthalten ist – ohne dass man es weiss, ohne dass man darauf achtet oder die entsprechenden Mengen kennt.
Die Fruchtsüsse, die auf den ersten Blick gesund scheint (und auch so in der Werbung angepriesen wird), hat durchaus ihre Tücken. Denn der menschliche Körper ist nicht darauf eingestellt, grössere Mengen an Fruktose zu verarbeiten.
Der Fruktose-Malabsorption, die auch intestinale Fruktose-Intoleranz genannt wird, liegt eine Störung des Fruktosetransportes im Darm zugrunde. Diese kann vorübergehend oder dauerhaft sein. Sie beruht auf einer Stoffwechselstörung des Glukosetransportsystems GLUT 5, die zur Folge hat, dass der Fruchtzucker nur begrenzt im Dünndarm aufgenommen werden kann. Ein Überschuss an Fruktose gelangt daher in den Dickdarm, wird dort von den Bakterien aufgespalten und verursacht die typischen Symptome. Als da sind: Blähungen, wässriger Durchfall, Bauchschmerzen und manchmal auch kolikartige Krämpfe. Manche Betroffene klagen zudem über psychische Probleme wie Konzentrationsstörungen und Gemütsverstimmung.
Die Schwere der Beschwerden hängt von individuellen Faktoren und davon ab, wieviel Fruchtzucker trotz der gestörten Darmfunktion aufgenommen werden kann. Die Aufnahme von Sorbit verstärkt die Symptome der Fruktoseunverträglichkeit.
Schätzungen besagen, 30 bis 40 Prozent der mittel-europäischen Bevölkerung hätten eine solche Fruktose-Malabsorption oder intestinale Fruktose-Intoleranz (erworben). Warum manche Menschen diese Unverträglichkeit entwickeln, ist ungeklärt. Im Verdacht, zur Zunahme dieser Störung beizutragen, steht die hohe Fruktosezufuhr in der modernen Ernährung.
Bei der Fruktose-Malabsorption handelt es sich, im Widerspruch zu mancher Äusserung in populärwissenschaftlichen Artikeln, nicht um eine Allergie. Denn im Gegensatz zu einer echten Nahrungsmittelallergie tritt dabei keine Immunreaktion auf.
Gesunde Menschen vertragen etwa 30 Gramm Fruktose pro Tag. Bei Menschen, die unter einer Fruktose-Malabsorption leiden, kann die tolerierbare Menge zwischen einem und zehn Gramm pro Tag variieren. Diese Schwelle muss jeder für sich selbst herausfinden und sich demnach ernähren.
Ärzte empfehlen häufig, zwei Wochen lang aufzuschreiben, wie viel und wann man von welchem Lebensmittel gegessen und was man getrunken hat. Gleichzeitig sollen allfällige Beschwerden notiert werden.
Eine Analyse des Essverhaltens und der Beschwerden, die zwischen 30 Minuten und mehreren Stunden nach der Mahlzeit auftreten können, erleichtert die Diagnose.
Eine sehr sichere Methode, die intestinale Fruktose-Intoleranz zu diagnostizieren, ist der so genannte «Wasserstoff-Atemtest». Denn mit Hilfe des etwa drei Stunden dauernden Tests kann beim Arzt nach der Gabe eines Fruktose-Wasser-Gemischs anhand der Zusammensetzung der Atemluft die Unverträglichkeit nachgewiesen werden.
Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.
Die Diagnose Fruktose-Malabsorption ist kein Grund zur Panik. Eine medikamentöse Behandlung ist nicht möglich, aber auch nicht nötig. Denn die Erfahrung zeigt, dass durch eine fruktosearme Ernährung eine weitgehende Beschwerdefreiheit erreicht werden kann. Die Betroffenen sollten drei bis vier Wochen lang möglichst ganz auf Fruchtzucker und Sorbit verzichten, um dem Darm Erholung zu gönnen (Karenzzeit).
Wichtig ist, in den ersten Wochen schwer Verdauliches, Blähendes und zu viele Ballaststoffe vom Speiseplan zu streichen. Daraufhin können diese Nahrungsmittel und fruktosearmes Obst nach und nach wieder in die Diät eingefügt werden. Die Betroffenen müssen ausprobieren, was ihnen bekommt. Diätfehler können zwar zur Verstärkung der Beschwerden führen, haben aber keine schwerwiegenden gesundheitlichen Auswirkungen.
Empfehlenswert sind Vollkornprodukte, gegartes Gemüse und fruktosearmes, frisches Obst. Da diese Lebensmittel gleichzeitig auch Ballaststoffe enthalten, werden die Kohlenhydrate – und eben auch die Zucker – langsamer aufgenommen und sind damit weniger schädlich. Leidet man stark unter Beschwerden, wäre es ideal, man könnte um alles, was fix-fertig aus der Dose oder Packung kommt, einen grossen Bogen machen.
Die bedenklichsten Fruktosebomben stecken in Säften, Schorlen, Limonaden, Colagetränken, Alkopops, aromatisierten Tafelwässern und Süssem; daher ist es klug, zu allererst darauf zu verzichten.
Zusätzlich soll der Verzehr von sorbithaltigen Lebensmitteln (vor allem Diabetiker-, Diät- und Light-Produkte) vermieden werden, da Sorbit die Aufnahme von Fruktose verschlechtert und so die Beschwerden verstärkt.
Bei vielen Kindern, die oft schon im Grundschulalter betroffen sind, bessert sich die Fruktoseaufnahme mit dem Wachstum und steigendem Alter.
Früchte enthalten ausser Fruchtzucker auch andere Zuckersorten. Ist für jedes Molekül Fruktose (Fruchtzucker) ein Molekül Glukose (Traubenzucker) da, ist die Verdauung kein Problem. (Vorausgesetzt, man nimmt insgesamt nicht zu viel Fruktose zu sich!) Es kommt also nicht nur auf den absoluten Fruchtzuckergehalt an, sondern auch auf das natürliche Verhältnis von Traubenzucker zu Fruchtzucker.
Unter diesem Gesichtspunkt sind Orangen, Avocados, Bananen, Brombeeren, Grapefruit, Himbeeren, Kirschen, Litschis, Mandarinen, Mirabellen, Papaya, Preiselbeeren, Reineclauden, Zitronen, Honig- und Zuckermelonen im Allgemeinen gut verträglich. Welches Obst wem in welcher Menge bekommt, muss allerdings individuell ausgetestet werden.
Der Verzehr von Haushaltszucker (Saccharose) ist in den meisten Fällen unproblematisch, da er zu gleichen Teilen aus Fruktose und Glucose besteht.
Gemieden werden sollten Früchte mit hohem Fruchtzucker- und niedrigem Traubenzuckergehalt sowie solche, die nennenswerte Mengen Sorbit enthalten. Als besonders problematisch gelten: Apfel, Birne, Aprikose, Pflaume, Mango, Wassermelone, Kiwi, Weintrauben und Rosinen.
Obstsalat, Kompott, Mus und Fruchtsaft können durch das Süssen mit pudrigem oder flüssigem Traubenzucker bekömmlicher werden. Doch: Traubenzucker sollte nur als «Notlösung» Verwendung finden. Denn ein Zuviel über längere Zeit hält die Bauchspeicheldrüse auf Trab, die das Insulin bereitstellen muss, um den Blutzucker wieder auf Normalwerte zu bringen.
Selbst wer nicht unter den Symptomen einer Fruktose-Malabsorption leidet, kann an seiner Gesundheit Schaden nehmen, wenn er zuviel Fruchtzucker zu sich nimmt. Internationale Studien (u.a. in USA, Deutschland, Schweiz, Kanada) belegen, dass ein hoher Konsum von Fruktose zu einem vermehrten Auftreten von Insulin im Blut führt (Insulinresistenz), zu Bluthochdruck führen kann, die Blutfette (Triglyceride und das «schlechte» Cholesterin LDL) ansteigen lässt, schneller dick und weniger satt macht als Kristallzucker, denn da Fruktose nicht mit Hilfe von Insulin verstoffwechselt werden muss, stellt sich kein Sättigungsgefühl ein, die Harnsäurekonzentration in die Höhe treibt. Insulinresistenz, Erhöhung des Blutdrucks und der Blutfette, die Gefahr des Übergewichts und die Erhöhung der Harnsäure sind langfristig bekanntermassen Risikofaktoren für Herz-Kreislaufkrankheiten, Diabetes, Gicht und Nierensteine.
Ob Fruktose auch Fetteinlagerungen in die Leber begünstigt, ist noch umstritten und muss weiter erforscht werden. Besonders anfällig für die bittere Rache des süssen Fruchtzuckers sind Männer, während Frauen anscheinend weniger stark unter den Folgen leiden.
Die Menge der mit Fruktose angereicherten Lebensmittel inklusive Getränken und Milchprodukten hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Entsprechend mehr Menschen leiden unter der intestinalen Fruktose-Intoleranz.
Mit der Werbung «ohne Haushaltszucker», «ohne Kristallzucker», «weniger Zucker» oder «nur aus der Süsse von Früchten» preisen die Hersteller ihre Produkte an und legen dem Konsumenten nahe: Hier ist kaum oder kein (schlechter, dickmachender, zahnschädigender) Zucker drin.
Stattdessen liefert industriell hergestellter Fruchtzucker die Süsse. Der Zuckeraustauschstoff wird nicht – wie mancher vermuten mag – aus Früchten gewonnen, sondern aus Mais bzw. Maissirup. Er ist billiger als Haushaltszucker und kann in Tanklastwagen preiswerter transportiert werden.
In den USA ist der Maissirup, High Fructose Corn Syrup (HFCS), der bis zu 90 Prozent Fruchtzucker enthalten kann, das Süssungsmittel der ersten Wahl. In den Staaten lag 2008 der Pro-Kopf-Verbrauch allein von Fruktose bei unglaublichen 30 Kilogramm (Haushaltszucker, der ja zur Hälfte aus Fruktose besteht, und HFCS zusammengenommen). Nicht wenige Wissenschaftler führen die Dickleibigkeit vieler Amerikaner auf diese Tatsache zurück.
So schlimm ist es bei uns noch nicht. Genaue Verbrauchszahlen für Fruktose liegen allerdings weder für die Schweiz, noch für Deutschland und Österreich vor. Fruktosemengen müssen bei Lebensmitteln nicht angegeben werden. Nur wenn der Maissirup einen Fruktoseanteil von mehr als 50 Prozent enthält, muss er als Fruktose-Glukose-Sirup deklariert werden.
Streng abzugrenzen von der Fruktose-Malabsorption bzw. der intestinalen Fruktose-Intoleranz ist die hereditäre, also angeborene, Fruktose-Intoleranz (HFI). Diese Begriffe werden leider allzu oft durcheinander geworfen, weil von der Malabsorption bzw. der intestinalen Intoleranz oftmals in der Kurzform «Fruktose-Intoleranz» gesprochen und geschrieben wird.
Die HFI wird durch ein fehlendes Enzym in der Leber verursacht, was den Zuckerabbau erschwert bzw. unmöglich macht. Glücklicherweise ist HFI recht selten – man spricht von einem Betroffenen auf 22 000 Menschen, obwohl ganz genaue Zahlen nicht existieren.
Die Erbkrankheit macht sich meist nach dem Abstillen bemerkbar, denn Muttermilch enthält keine Fruktose. Betroffene Babys leiden unter Blässe, Zittern, Erbrechen und Krämpfen. Daher muss besonders bei Säuglingen und Kleinkindern bis zu drei Jahren strikt auf eine fruktosefreie Diät (u.a. keine Äpfel, Bananen, Karotten, Fruchtsäfte) geachtet werden, denn durch die unvollständig abgebauten Zuckerstoffe entstehen im Körper Giftstoffe.
Wenn die genetisch bedingte Fruktose-Intoleranz nicht entdeckt und durch eine entsprechende Ernährung abgefangen wird, können Wachstumsstörungen, Leber- und Nierenschäden die Folge sein. Da eine zu grosse Menge Fruktose im Körper toxische Wirkung hat, müssen Betroffene ein Leben lang auf fruchtzuckerhaltige Lebensmittel verzichten. Ein Betroffener aus St. Gallen schreibt in seiner im Internet veröffentlichten Abiturarbeit: «Ein HFI-Patient ist ‹gesund›, solange er keine Fruktose zu sich nimmt. Darum ist es erstrebenswert, möglichst keinen Haushaltszucker (Saccharose), keinen Fruchtzucker (Fruktose) und kein Sorbit zu sich zu nehmen. Ein absolutes Vermeiden dieser Zucker ist das Beste, im Alltag jedoch schwer realisierbar. Denn Zucker ist fast in allen Lebensmitteln enthalten, sei es als Geschmacksverstärker oder als Konservierungsmittel.»