Trockenobst hilft als langlebiger Vorrat, als Zutat, Zwischen- oder Hauptmahlzeit die Vitalität zu bewahren, besonders in mageren oder anstrengenden Zeiten.
Früchte bergen bekanntlich einen grossen Reichtum an Vitaminen und Mineralstoffen und eignen sich gut für eine basische Ernährung. Sie bringen auch die Verdauung in Schwung, selbst dann noch, wenn sie vom Baum oder Strauch gefallen und trocken sind. Unter Trockenobst, Trockenfrüchten oder Dörrobst versteht man Obst, das mittels Luft oder Wärmezufuhr getrocknet wurde und eine Restfeuchtigkeit von etwa 20 Prozent aufweist. Getrocknet wird im Haushalt oder industriell.
Autorin: Katja Chmelik, 12.15
Dörrfrüchte sind zwar immer noch reich an Vitaminen und Mineralstoffen, durch den Erhitzungsprozess beim Trocknen geht aber ein Teil der gesunden Inhaltsstoffe verloren. Das trifft vor allem auf das in Wasser gelöste Vitamin C zu; wohingegen Vitamin B6 sowie die Mineralien Kalzium, Eisen, Magnesium, Phosphor, Kalium, Natrium, Kupfer und Mangan, die sekundären Pflanzenstoffe, Trauben- und Fruchtzucker und die Ballaststoffe grösstenteils erhalten bleiben. Letztere sind besonders für den Darm, wenn sie mit viel Flüssigkeit genossen werden, damit die Fasern quellen.
Der natürliche Fruchtzucker entfaltet sich im Blut langsamer als Haushaltszucker. Das entlastet den Stoffwechsel und sorgt für eine längere Sättigung. Getrocknete Früchte haben Wasser und somit an Volumen verloren und tragen ihre Inhaltsstoffe in konzentrierter Form in sich – neben viel Zucker auch Nährstoffe. Daher sollten Trockenfrüchte nur bei entsprechend anspruchsvollen Tätigkeiten und nicht regelmässig genossen werden. Beim Wandern und Bergfexen nehmen sie im Rucksack weniger Platz ein, sind bedeutend leichter und verderben viel weniger schnell als in ihrer frischen Form. Die enthaltenen Fruchtsäuren sind nicht nur natürliche Geschmacksverstärker, sie verringern oder verhindern auch ein Bakterienwachstum. Daher kann der Geschmack und Gehalt von Speisen, denen Dörrobst zugemischt wird, eine besondere Note erhalten.
Trockenfrüchte enthalten pro 100 Gramm im Durchschnitt etwa 250 Kilokalorien (dies ist ein grober Anhaltspunkt) und etwa ein bis fünf Gramm Eiweiss. Diesen beträchtlichen Kaloriengehalt, der für frühere Jäger und Sammler existenziell war, muss der moderne Schreibtischkämpfer mit Bedacht in seinen Werktag integrieren.
Die Haltbarmachung von Obst durch Trocknen ist wohl die früheste Form, Lebensmittel zu konservieren. Menschen früherer Zeiten schätzten wie heutige Sportler einen süss schmeckenden, sättigenden und lange haltbaren Proviant. Das erste Kennenlernen fiel gewiss ungezwungen aus: Früchte, die von Bäumen, Sträuchern oder Reben gefallen waren, erhielten eine natürliche Sonnentrocknung und fielen den Sammlern auf. Getrocknete Datteln, Feigen, Weintrauben, Äpfel und Aprikosen waren Grundnahrungsmittel in verschiedenen Weltkulturen.
Die Dattelpalme (Phoenix dactylifera) zählt zu den frühesten kultivierten Bäumen und wurde nachweislich bereits im alten Mesopotamien angebaut. Die heisse Sonne sorgte für hervorragendes Gelingen. Auch eignete man sich rasch entsprechendes Wissen an: Ein kunstvolles assyrisches Relief, etwa 3000 Jahre alt, zeigt die künstliche Bestäubung weiblicher Dattelpalmen. Datteln eignen sich vorzüglich zum Trocknen. Die Produktivität und Dauerhaftigkeit der Dattelpalme kam als zusätzlicher Vorteil dazu: Pro Jahr können pro Baum im Schnitt 50 Kilo Datteln geerntet werden, und das gut 60 Jahre lang. Datteln wurden dank solch guter Erträge das billigste Grundnahrungsmittel und gleichzeitig eine süsse, gehaltvolle Leckerei für Menschen und Tiere.
Aus dem Zweistromland ist überliefert, dass die Dorfbewohner Datteln sogar bevorzugt getrocknet genossen, als Süssigkeit oder Beilage. Auch hatte man sie bereits als Geschmacksveredler für Fleischgerichte entdeckt. Reisenden, besonders denen, die lange Wüstendurchquerungen in Angriff nahmen, waren getrocknete Datteln treue Begleiter, die ihnen Nahrung und Genuss verschafften.
Die erste schriftliche Erwähnung von Rezepten, vor knapp 4000 Jahren auf Tontafeln festgehalten, stammt ebenfalls aus dem Zweistromland. Eine grössere Anzahl diverser Rezepturen scheint es eigens für in Brote integrierte Trockenfrüchte gegeben zu haben, hergestellt sowohl für einfache Arbeiter wie für Vornehme. Fast alle Trockenfrüchte sind als Brotzutat geeignet. Sie werden noch heute entweder beim Mischen oder nochmaligem Kneten in den Brotteig eingearbeitet.
Die Ägypter bevorzugten mehrheitlich getrocknete Feigen und bekamen diese mit auf ihre letzte Reise, wie Gräber und Wandmalereien erkennen lassen. Getrocknete Feigen sättigten als Grundnahrungsmittel auch reiche wie arme Griechen, vor allem Kreter. Der Geschichtsschreiber Plinius berichtete, dass getrocknete Feigen denselben Stellenwert besassen wie Brot und vergleichbare Grundnahrungsmittel. In der Türkei heissen Feigen «Yemis», was bedeutet: «Ich bin satt».
In Armenien und den östlichen Regionen des Mittelmeeres nahm der Traubenanbau seinen Anfang. Sie wurden nicht nur frisch oder als Wein genossen, sondern auch in der heissen Erde vergraben – eine in ganz Nordafrika praktizierte Verarbeitungsmethode, um die beliebten Rosinen zu gewinnen. Viel zur Verbreitung der Rosinen trugen die seefahrenden Phönizier bei. Die Römer praktizierten den Rosinenkonsum schon fast in gigantischem Ausmass, durch alle Gesellschaftsschichten hindurch. Bald wurden die Trockentrauben vom gewöhnlichen Lebensmittel zum Belohnungsmittel für erfolgreiche Athleten befördert. Den (wirtschaftlichen) Olymp erklommen sie endgültig, als sie gar für Tauschgeschäfte eingesetzt wurden.
Alle römischen Haushalte waren darauf bedacht, jederzeit einen ausreichenden Vorrat an getrockneten Früchten im Hause zu wissen. Vor allem Feigen, aber auch Dörräpfel und -birnen waren die wichtigsten Wintervorräte der römischen Landbevölkerung, wie der Landwirtschaftsautor Columella im ersten Jahrhundert feststellte.
Die aus dem fernen China stammenden Pflaumen, Aprikosen und Pfirsiche waren aufgrund der happigen Preise einzig ein Genuss für vermögende Römer, den diese sich allerdings gerne gönnten. In nördlichen Regionen mit erbarmungslosen Wintern bot Dörrobst schon früh eine unverzichtbare Vitaminquelle.
In den Zeiten der grossen Seefahrer wurden Dörrobstvorräte mitgeführt, um den gefürchteten Mangelerkrankungen vorzubeugen. Auf den fünf Schiffen des portugiesischen Weltumseglers Ferdinand Magellan waren 1519 als Proviant für zwei Jahre unter anderem 100 Kilogramm getrocknete Pflaumen, 18 Zentner getrocknete Trauben und diverse Kisten mit Feigen geladen.
Fast weltweit ist leckeres Dörrobst im 21. Jahrhundert beliebt. Es ist Bestandteil von Fruchtschnitten, Müeslis, Schokolade, Eis, Pudding, Joghurt und Quark, Säften und Pasten. Nach wie vor verwendet man getrocknetes Obst in Früchtebroten, in denen die organischen Säuren als Befeuchtungsmittel dienen und dem Teig zu mehr Stabilität verhelfen. Rollbraten oder Geschnetzeltes mit Trockenfrüchten geniesst man in Deutschland wie in der Schweiz.
Ferner verwendet man gedörrtes Obst in zahlreichen Saucen, Suppen, Marinaden sowie Lebensmitteln, die vor allem Kinder ansprechen, da es mit seinem natürlichen Fruchtzucker vielen Speisen einen süssen Geschmack verleiht.
Neben den bereits erwähnten, seit langem bekannten Dörrfrüchten lassen sich auch Birnen, Erdbeeren, Kiwis, Kirschen, Cranberries, Berberitze und Hagebutte gut trocknen. Inzwischen kennt man sogar Exoten wie Ananas, Papayas, Bananen, Mangos, Kokosnuss, Maulbeeren oder die tropische Jackfrucht in getrockneter Form. Einige Sorten, zum Beispiel Erdbeeren, werden auch gefriergetrocknet angeboten, was der jeweiligen Frucht ihren Originalgeschmack lässt und sie leicht und knusprig macht.
Hülsenfrüchte, Tomaten, Auberginen, Oliven und Paprika zählen, obwohl kein Obst, zu den sogenannten «Fruchtgemüsen» und sind gleichfalls beliebte Trockenware. Sonnengereifte Tomaten bekommt man in verschiedenen Formen, auch in Öl eingelegt wie Auberginen und Paprika. Gute getrocknete Oliven reifen natürlich am Baum und sehen fast so verschrumpelt aus wie Rosinen.
Für Menschen mit Nierenproblemen ist Dörrobst meist nicht geeignet, da die Früchte sehr viel Kalium enthalten. Das kann beispielsweise für Dialyse-Patienten gefährlich sein. Menschen, die an Fruktosemalabsorption oder Fruktoseintoleranz leiden, sollten es aufgrund des hohen Fruchtzuckergehalts meiden. Und für Abnehmwillige sind die zuckerreichen Früchtchen höchstens in kleinen Mengen ein gesunder Snack – sie sollten lieber zu frischem Obst greifen.
Industriell getrocknete Früchte erstrahlen beharrlich in den schönsten Farben, was darauf zurückzuführen ist, dass sie geschwefelt und oft zusätzlich mit Konservierungsmittel behandelt werden. Das mag nicht jeder, und nicht jeder verträgt es auch: Bei Asthmatikern und empfindlichen Personen können – in sehr seltenen Fällen – Sulfate und Schwefeldioxid ähnliche Reaktionen hervorrufen wie ein allergischer Anfall.
Früchte zu trocknen macht nicht sehr viel Arbeit, kostet aber Zeit und je nach Trocknungsvariante einiges an Energie. Der Trocknungsprozess kann bei Temperaturen zwischen null (nicht isolierter Dachboden) und 70 °C (Backofen) ablaufen. Nie sollten die Temperaturen allerdings zu hoch sein, denn Geschmack und Aroma gehen sonst verloren. Trocknen lässt sich «multiplex»: im elektrischen Dörrapparat, im Backofen, auf der Heizung oder einem Rost, auf dem Dachboden oder durch Aufhängen des Trockengutes an einer trockenen und warmen Stelle. Das Trocknen in der Mikrowelle dagegen wird von Experten nicht empfohlen.
Lebt man an einem sonnenverwöhnten Ort, können Früchte an einer luftdurchlässigen Unterlage oder in Scheiben auf eine Schnur gefädelt im Freien getrocknet werden. Wer draussen trocknet, muss aber hohe Luftfeuchtigkeit vermeiden, da das Obst sonst zu schimmeln beginnt.
In klimatisch weniger gesegneten Lagen funktionieren das Trocknen im Backofen oder in einem elektrischen Dörrapparat am besten. Beim Backofen sollte die Tür immer einen Spalt geöffnet sein, damit die Feuchtigkeit entweichen kann. So ist diese Methode ein echter Energiefresser, die sich nur eignet, wenn man allenfalls wenige Male im Jahr Obst trocknen will.
Apfelringe beispielsweise brauchen etwa vier bis fünf Stunden bei 60 bis 70 Grad. Für grössere Mengen ist ein guter Dörrapparat mit Zeitschaltuhr und Temperaturvorwahl die beste Lösung. Verwendet werden können ganze Früchte, Hälften oder Scheiben. Je wasserhaltiger das Obst, desto kleiner und dünner müssen die Stücke sein, damit sie inker trocknen als sie verderben können. Kerne sollten vor dem Trocknen entfernt werden.
Da das Auge selbstverständlich mitisst, legt man seine Früchte vor dem Dörren fünf Minuten lang in Zitronenwasser ein, dann behalten sie danach ihre attraktive Farbe genauso ansprechend wie geschwefeltes Material. Die einzelnen Stücke legt oder hängt man im Abstand zueinander und berührt sie möglichst wenig, um dem Verkleben vorzubeugen.