Wildobstgehölze zierten einst Bauerngärten und Landschaft, dann wurden sie fast vergessen: Was in den robusten Pflanzen steckt, und warum es sich lohnt, sie wieder mehr wertzuschätzen.
Text: Gisela Dürselen
Je nach Definition verstehen Gärtner unter der Bezeichnung Wildobst nur heimische Arten wie Holunder und Schlehe oder auch seit langem eingebürgerte wie Felsenbirne und Maulbeere. Wer aufmerksam durch die Landschaft geht, kann die attraktiven Gehölze zwar gelegentlich noch heute an Wald- und Wegesrändern entdecken. Aber nur wenige Menschen erkennen die Pflanzen – und noch weniger wissen, dass sich ihre Früchte zu gesunden Delikatessen verarbeiten lassen.
Gewöhnliche Berberitze (Foto: WikiemdiaCommons/Sabenica)
Die Gemeine Berberitze (Berberis vulgaris) wird auch Sauerdorn genannt, weil die Früchte sauer schmecken und die Pflanze mit ihren starken Dornen und dem dichten Wuchs eine undurchdringliche Grundstücksgrenze bilden kann. In Gartenhecken und Gebüschen ist der dornige Strauch zu finden, in Wildhecken und am Rand von Feldern ist er dagegen selten zu sehen, da er dort als Überträger des Getreideschwarzrosts nicht geduldet wird. Die ungeschnittene, zwei bis drei Meter hohe Pflanze bevorzugt einen sonnigen bis halbschattigen Standort, verträgt Trockenheit und gilt als unempfindlich gegenüber Abgasen und Feinstaub in Städten.
Im Frühling treibt der Strauch auffallend gelb leuchtende Blüten, die Bienen und Schmetterlinge anlocken; ab September reifen die scharlachroten Beeren. Die scharlachroten, sauren Steinfrüchte des Hahnenfussgewächses werden wie Hagebutten verwendet. Sie können zu Kompott oder Konfitüren verarbeitet werden; in orientalischen Ländern sind sie getrocknet eine beliebte Zutat für Reis-, Fisch- und Fleischgerichte. Die Beeren sind vor allem reich an Vitamin C; in verschiedenen Studien wurden Hinweise gefunden, dass der Hauptwirkstoff Berberin gegen Diabetes, hohen Blutdruck, Fettleibigkeit sowie einen zu hohen Cholesterinspiegel wirken könnte.
Die anspruchslose Gewöhnliche Felsenmispel (Amelanchier ovalis), auch Felsenbirne genannt, mag gerne sonnige Standorte, verträgt gut Trockenheit und bildet mit den Jahren eine dekorative Schirm-Kronenform aus. Aber nicht nur durch seine malerische Gestalt ist der zwei bis vier Meter hohe Strauch das ganze Jahr über eine wahre Pracht. Im April erscheinen die dekorativen weissen Blüten, im Juni reifen die blau-violetten Früchte, und im Herbst wandelt sich das Laub von Grün zu Orange bis hin zu Dunkelrot. Die reifen Früchte können vom Strauch gegessen werden und sind auch beliebt bei vielen Vögeln. Die an den Geschmack von Heidelbeeren erinnernden Beeren schmecken gut in einem Früchte-Tee, in Desserts und Smoothies und können getrocknet als Rosinen-Ersatz verwendet werden. Die Beeren sind reich an Phenolsäuren, enthalten ferner zahlreiche Vitamine und Mineralstoffe und Spurenelemente. Für die Farbe der Früchte sorgen Carotinoide und Flavonoide. Die kleinen Samen der Beeren enthalten allerdings auch winzige Mengen an cyanogenen Glykosiden; daher sollten die Beeren verarbeitet oder die Samen möglichst unzerkaut verzehrt werden.
Die Hundsrose (Rosa canina), auch Heckenrose genannt, ist eine der zahlreichen heimischen Wildrosen, die an sonnigen Standorten zwei bis drei Meter hoch wird. Von Juni bis Juli trägt sie ihre wunderbar duftenden Blüten, die im Unterschied zu gefüllten Rosenblüten ein reichhaltiges Buffet für Insekten bereithalten. Ab Ende September färben sich ihre Hagebutten tiefrot. Die säuerlich schmeckenden Früchte lassen sich zu Tee, Marmelade, Mus, auch Sirup, Saft und Likör verarbeiten. Hagebutten sind bekannt für ihren besonders hohen Vitamin-C-Gehalt; ausserdem enthalten sie eine relevante Menge an Vitamin E sowie A- und B-Vitamine und wichtige Mineralstoffe. In der Traditionellen Europäischen Medizin (TEN) werden Hagebutten-Zubereitungen wegen ihrer antientzündlichen Eigenschaften bei rheumatischen Beschwerden eingesetzt.
Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.
Die Kornelkirsche ist nicht mit der Kirsche verwandt. (Foto: WikimediaCommons/Wlodzimierz).
Die Kornelkirsche (Cornus mas) ist ein langsam wachsender Grossstrauch, der sich an einem sonnigen bis halbschattigen Standort wohlfühlt und auch mit mageren und trockenen Böden gut zurechtkommt. Man findet sie in Laubwäldern, an Waldrändern und in Hecken, am liebsten sind ihr jedoch sonnige, felsige Hügel. Die Pflanze wird ungeschnitten drei bis sechs Meter hoch; mit ihrem weitreichenden Wurzelsystem ist sie windfest und ein ausgezeichneter Bodenfestiger. Die Pflanze ist sehr schnittverträglich. Die Kornelkirsche blüht genauso früh wie ökologisch nutzlose Forsythien und treibt viele kleine gelbe, nach Honig duftende Blütendolden, über deren guten Nektargehalt sich Insekten freuen.
Ab September reifen sowohl die gelben Früchte der Sorte „Flava“ als auch die korallroten der Sorte „Jolico“. Die süss-sauer schmeckenden Früchte können roh und getrocknet verzehrt oder zu Tee, Saft, Bowle und Likör verarbeitet werden. Die scharlachroten, länglichen Steinfrüchte des Hartriegelgewächses erinnern im Geschmack an Johannisbeeren, Himbeeren und Kirschen. Die wärmeliebenden Kornelkirschen-Sträucher bieten ihre nach und nach reif werdenden Früchte ab Mitte August bis Ende September an. Unreif recht herb, weisen sie vollreif einen angenehm süsssäuerlichen Geschmack mit einem ganz besonderen Aroma auf. Pflücken sollte man sie in fast überreifem Zustand, wenn die Beeren eine dunkel- bis schwarzrote Farbe haben. Dann sind die Kornellen süss und weich, lassen sich einfach ernten und die Steine lösen sich gut vom Fruchtfleisch.
Die Kornelkirsche war schon der Vitamin-C-Spender unserer frühen Vorfahren. Gesundheitlich am relevantesten sind die in den Früchten enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe der Gruppe der entzündungshemmend wirkenden Anthocyane. Eine Besonderheit der Kornelle, die früher auch als Heilpflanze eingesetzt wurde, vor allem bei Magen- und Darmleiden: Als Langzeittherapeutikum - über Monate hinweg täglich eingenommen - soll sie bei Glutenunverträglichkeit helfen.
Schlehe, Schlehdorn oder Schwarzdorn: Prunus spinosa hat viele Namen.
Schlehen sind die Früchte des Schleh- oder Schwarzdorns (Prunus spinosa), der als wilder Vorfahre unserer Pflaumen und Zwetschgen gilt. Ein wilder, undurchdringlicher Strauch mit kräftigen Dornen, der meist an halbschattigen Standorten zwei bis vier Meter hoch wird, ist ein wichtiger Rückzugsort für Tiere wie Igel, Haselmaus und viele Vögel. Je nach Sorte macht die Pflanze viele Ausläufer. Mit ihrem weiss-leuchtenden, nach Mandel duftenden Blütenflor ist sie eine wertvolle Nektarquelle für Insekten; die dornenbewehrten Äste bieten Singvögeln einen sicheren Nistplatz.
Im Gegensatz zu ihren Verwandten (Aprikosen, Zwetschgen, Pfirsiche u.a.) sind die Steinfrüchte sauer-herb im Geschmack. Geerntet werden die blauschwarzen Beeren nach dem ersten Frost. Die Früchte der Schlehe werden seit altersher gern für Likör, Konfitüre, Gelee und Sirup verwendet. Die Schlehe ist eine altbekannte Heilpflanze, die schon Hildegard von Bingen in ihrem Werk „Physica“ lobte. Auch Alfred Vogel erinnert in seinem Buch „Der kleine Doktor“ an die vielfältigen Verwendungen der Pflanze. So beeinflusse etwa Sirup aus den Früchten die Magen-Darm-Schleimhaut günstig.
Ab Oktober sind sie reif – aber sie brauchen unbedingt einige Frostnächte, bevor sich die dornige Ernte lohnt. (Unbedingt Handschuhe und eine feste Jacke tragen!) Erst dann schmecken die Früchte; zuvor sind sie so herb und sauer, dass sich einem der Mund zusammenzieht - das liegt an den antientzündlichen Gerbstoffen der Schlehe. Lässt der erste Frost zu lange auf sich warten, kann eine Nacht in der Gefriertruhe die Beeren geniessbar machen. Ausser den Gerbstoffen enthalten Schlehenfrüchte hauptsächlich Anthozyane, Fruchtsäuren und Vitamin C. Vorsicht mit den Samenkernen im Inneren: Sie enthalten giftige Blausäureglykoside. Das Zerkleinern oder Zerstampfen der Kernchen sollte man deshalb vermeiden. Als unbedenklich gelten die geringen Mengen des Giftes, wenn man die Früchte als Ganzes zubereitet. Für sehr viele Vogelarten und andere Wildtiere sind Schlehen eine wichtige Nahrungsquelle im Spätherbst und Winter. Daher gilt beim Ernten für den eigenen Gebrauch, wie für alle Wildbeeren: nur so viel mitnehmen, dass auch für die Tiere noch genug übrig bleibt.
Der Gewöhnliche Schneeball (Viburnum opulus) bevorzugt halbschattige bis schattige Standorte und mag es gerne feucht, denn in der Natur steht er oft an Bachufern oder am Waldrand. Der zwei bis vier Meter hohe Strauch hat ahornförmige Blätter, die sich im Herbst rosa bis scharlachrot verfärben. Die duftenden, weissen Blüten sind nektarreich und erinnern von Mai bis Juni an Teller-Hortensien. Die erbsengrossen, roten Früchte reifen ab August, sind aber nur verarbeitet zu verzehren. Die Beeren werden nach dem ersten Frost geerntet. In osteuropäischen Ländern werden sie zu Marmelade und Gelee verarbeitet oder mit Honig gesüsst als Tee getrunken. In Studien mehren sich die Hinweise auf bioaktive Bestandteile, insbesondere auf phenolische Verbindungen, die antioxidativ, entzündungshemmend und blutdruckregulierend sowie immunstimulierend wirken sollen.