Der Bauch wölbt sich nach dem Essen heftig und sieht aus wie schwanger? Wer unter diesem Phänomen leidet, sollte sich mit «FODMAP», also blähenden Lebensmitteln, auseinandersetzen. Wie man den Ursachen auf die Spur kommt.
Kaum was gegessen, schon einen dicken Bauch? Das Symptom Blähbauch kennen viele. In den sozialen Medien machen zahllose Bilder vom «food baby» die Runde, also von einem Bauch, der aussieht, als sei man plötzlich schwanger. Offenbar leiden Frauen häufiger unter diesem Problem. Abends ist der Blähbauch bei vielen Betroffenen am stärksten. Über Nacht geht er zurück und baut sich am nächsten Tag nach und nach wieder auf. Was ist da los?
Zunächst einmal: Gasbildung im Verdauungstrakt ist ein ganz natürlicher Prozess. Die Luft im Darm ist ein Gemisch verschiedener Gase, darunter Stickstoff,Sauerstoff, Kohlendioxid und Fäulnisgase, wie etwa Methan und Schwefelwasserstoff (die Ursache für den üblen Geruch mancher Pupser).
Darmgase entstehen zum einen aus verschluckter Luft, zum anderen infolge des Abbaus von Nahrungsbestandteilen durch die Bakterien im Darm (Darmflora bzw. Mikrobiom). Ein stark aufgeblähter Bauch, medizinisch: Meteorismus, entsteht, wenn sich zu viel Gas im Bauch ansammelt. Kann die Luft infolge herabgesetzer Darmbewegung nicht abgehen, kommt es durch das vermehrte Darmvolumen zu einem Blähbauch. Die Darmgase führen dazu, dass sich die Bauchdecke vorwölbt (oder es sich so anfühlt als tue sie das). Die überschüssige Luft drückt gegen die Bauchwände und verursacht Unwohlsein oder gar Schmerzen.
Es gibt eine Reihe von Faktoren für das Entstehen des Blähbauchs: Störungen des Magen-Darm-Trakts, Infektionen, Reaktionen des Immunsystems, erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut, Genetik, Hormone, Stress und Lebensmittelunverträglichkeiten. Meist wirken mehrere ursächliche Faktoren zusammen. Meteorismus kann aber auch auftreten, ohne dass sich ein Auslöser dafür finden lässt, die Darmfunktion ist ohne ersichtlichen Grund gestört. Man spricht dann von «funktionellem Meteorismus».
Da eine Vielzahl von Blähbauch-Betroffenen berichten, dass die Beschwerden nach dem Essen auftreten bzw. sich danach verstärken, liegt es nahe, den Blick darauf zu lenken, was wir täglich zu uns nehmen. Prof. Peter Gibson forscht an der Monash Universität im australischen Melbourne seit 2006 intensiv zu dem Thema. Er und sein Team gelten als die Entdecker von «FODMAP». Die Abkürzung verweist auf verschiedene Kohlenhydratfamilien, die von Menschen schlecht und von Bakterien gut verdaut werden. «F» steht dabei für fermentiertbar. Manche dieser FODMAP-Kohlenhydrate sind Zuckerarten, andere sind Stärkearten oder Ballaststoffe. Sie können im Dünndarm nur schlecht oder gar nicht aufgespalten und resorbiert (ins Blut aufgenommen) werden und gelangen daher in den Dickdarm, wo sie von Bakterien fermentiert werden.
Klar: «Jedes Böhnchen gibt sein Tönchen», das wussten schon unsere Vorfahren. Durch aufwendige Studien indes gelang es den australischen Wissenschaftlern, «dass man praktisch alle Lebensmittel auf den Gehalt an FODMAP prüfen kann», so Prof. Gibson. Und daraus lässt sich eine «Diät» (keine Abmagerungskur, vielmehr eine gezielte Ernährungsanpassung) ableiten, die dazu beitragen kann, dass Betroffene weniger unter Blähbauchbeschwerden leiden. Der Gastroenterologe und Internist Dr. Martin Wilhelmi aus Zürich und die diplomierte Ernährungsberaterin Diana Studerus aus Basel haben sich im Austausch mit Prof. Gibson intensiv mit FODMAP auseinandergesetzt und ein Buch zum Thema Blähbauch verfasst.
Bisher galt eine lange Teigführung als Mittel, den Gehalt an FODMAP beim Brot zu reduzieren. Wissenschaftler der Universität Hohenheim haben jedoch festgestellt, dass bereits eine Teiggehzeit von zwei Stunden den Anteil dieser Stoffe um 70 Prozent reduzieren kann. Ausserdem erkannten sie, dass Herstellungsprozesse und Weizensorten ebenfalls einen Einfluss auf den Gehalt an FODMAP haben. Der Fruktan-Gehalt der Mehle gab dabei einen groben Aufschluss über die Verträglichkeit des Brotes: Je weniger Fruktan im Mehl, desto weniger FODMAP im Brot.
Vorab muss es immer darum gehen, ärztlich abzuklären, ob dem Blähbauch eine Erkrankung zugrunde liegt. Bei entsprechender Diagnose sollte gezielt gehandelt werden. Die Ausschlussdiagnostik führt vielfach zur Diagnose Reizdarmsyndrom. Und da kommt die Ernährungsberatung ins Spiel und die FODMAP-Diät. Was genau macht diese aus?
Die Low-FODMAP-Diät reduziert die Zufuhr an leicht fermentierbaren Kohlenhydraten. Damit sich dies nicht ungünstig auf die Zusammensetzung der Darmflora und die Verdauungstätigkeit auswirkt, wird diese Diät nur für eine gewisse Dauer (in der Regel für zwei Wochen) durchgeführt, bis sich die Beschwerden eindeutig bessern. Anschliessend wird die Verträglichkeit für alle FODMAP-Gruppen einzeln getestet – spätestens hier braucht es die fachkundige Ernährungsberatung. Die Gruppen, die keine Beschwerden auslösen, kann man dann wieder in den Speiseplan aufnehmen.
Was vielleicht nicht gleich einleuchtet: Spricht man über FODMAP, so meint man damit eigentlich gesunde Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und Milch. FODMAP-haltige Lebensmittel haben jedoch einen speziell hohen Gehalt einer oderer mehrerer FODMAP-Gruppen und/oder werden häufig in grossen Mengen konsumiert, z.B. Weizen und Roggen, Zwiebeln, Lauch, Äpfel, Birnen, Steinfrüchte, Wassermelone, Milch, Joghurt oder Hülsenfrüchte.
Lebensmittel, die keine FODMAP enthalten, sind Fleisch und Wurst, Fisch und Meerestiere, Eier, Tofu, Hartkäse, Öle, Fette, Butter, Rohr- oder Rübenzucker, Küchenkräuter, Essig, Senf.
Bei den meisten Patienten von Daniela Studerus ist es eine Kombination von ein bis drei FODMAP-Gruppen, die Beschwerden machen: am häufigsten Milchzucker, Oligosaccharide und Polyole (Fruchtzucker ist deutlich seltener).
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Die Forschung hat im Zusammenhang mit der Blähbauch-Problematik noch weitere Stoffgruppen im Visier: sogenannte Antinährstoffe. Diese dienen der Pflanze als natürliches Pestizid, um sich vor Krankheitserregern, Schädlingen und Fressfeinden zu schützen. Im menschlichen Organismus binden sie Mineralstoffe wie Eisen, Kalzium, und Magnesium, so dass diese im Dünndarm nicht mehr resorbiert werden können. «Sie nehmen uns also quasi Nährstoffe weg», so Diana Studerus. Helfe eine FODMAP-Reduktion nicht und seien auch andere Nahrungsmittelunverträglichkeiten ausgeschlossen, achte sie genauer auf die Antinährstoffe, so die Ernährungsberaterin. «Denn Rohkost-Smoothies, Cashew-Käse und Chia-Müesli sind reine Antinährstoff-Bomben.»
Blähungen rückt man traditionell mit Fenchel- oder Kamillentee zu Leibe. Bei Blähbauchbeschwerden jedoch ist das bewährte Hausmittel kontraproduktiv. Warum? «Es gilt, pharmakologisch zu unterscheiden zwischen öligem und wässrigem Auszug. Aktuelle Forschungsdaten zeigen, dass ölige Auszüge, also ätherische Öle aus Fenchel oder Kamillenöl, durchaus eine gewisse Dysbiose (Ungleichgewicht) im Darm ändern können», so Studerus. Auch als äussere Anwendung in Form von Leber- und Bauchwickeln funktionieren die ätherischen Öle. «Beim Tee allerdings haben wir das Problem, dass dieser viele Oligosaccharide enthält, die wasserlöslich sind, also in den Tee übergehen. Ich empfehle darum Minze, denn in Pfefferminztee sind keine Oligosaccharide enthalten. Auch für Pfefferminzöl-haltige Extrakte haben wir sehr gute Daten, dass sie schmerzlindernd gegen krampfartige Beschwerden wirken. Bei akuter Gastritis ist Minze allerdings nicht angeraten. Man muss eben sehr individuell differenzieren, welcher Magen-Darm-Abschnitt von den Problemen betroffen ist.»
Ab wann man sich mit seinen Blähbauchproblemen in therapeutische Behandlung begibt, ist individuell. «Tritt das Symptom nur ab und zu auf, kann man sicher ganz gut damit leben. Beeinträchtigt der Blähbauch das Alltagsgeschehen, würde ich dazu raten, einen Arzt bzw. die Ernährungsberatung aufzusuchen», so Studerus.
Was man selbst erst mal tun kann: Nahrungsmittel gezielt weglassen und austesten, wie es einem damit geht. «Einfach mal keine Zwiebeln und keinen Knoblauch verwenden, eher Beeren essen statt anderes Obst, Gemüse bzw. Salat mit grünen Blättern bevorzugen, Dinkel- statt Weizenprodukte verzehren und auf laktosefreie Milchprodukte umsteigen. Zeigt sich dann nach etwa drei Tagen ein Unterschied bei der Blähbauchproblematik, ist es wahrscheinlich, dass die Beschwerden ernährungsabhängig sind», sagt Diana Studerus. Immer gut sei natürlich der Einsatz einer Wärmflasche. Kurzfristig könne auch die Einnahme von Aktivkohle helfen.