Ingwer stammt aus Asien, Westafrika oder der Karibik und wird dort traditionell als Gewürz- und Heilpflanze verwendet. Die Wurzel enthält entzündungshemmende Substanzen. Dazu gehören auch die Salizylate, wie sie von der Weidenrinde bekannt sind.
Autorin: Dr. Claudia Rawer, 11.05
Anders als bei Gewürzen wie Pfeffer, Safran oder Zimt fanden im Namen des Ingwers keine abenteuerlichen Expeditionen oder gar Kriege statt. Er war weder selten noch übermässig teuer. Heute fasziniert Ingwer durch seine unglaubliche Vielseitigkeit.
Ingwer ist ein Multitalent und gehört in jede Hausapotheke. Gewürz und Genussmittel, Heilpflanze und Gesundheitsvorsorge von Kopf bis Fuss. Man kann ihn kandiert ebenso geniessen wie sauer eingelegt. Er hilft bei Durchblutungsstörungen, Infekten, Verdauungsproblemen, Übelkeit und Schwindel. Ingwer tut gut als Tee, als Kompresse bei Verstauchungen, und eine Suppe mit Ingwer wärmt auch im kältesten Winter und hilft bei Fieber und Husten. Ingweröl eignet sich sogar zur Bekämpfung von Kartoffelkäfern!
Vielerorts wird Ingwer auch anstelle von Kaugummi für einen frischen Atem eingesetzt. Das geschieht entweder in Form von Tee oder indem man mit einem Glas warmem Wasser mit etwas Ingwer-Saft gurgelt. Andere ziehen es vor, dünne Ingwer-Scheibchen für kurze Zeit in den Mund zu nehmen.
Der Ingwer, den wir essen oder in Arzneimitteln verwenden, heisst botanisch Zingiber officinale. Zur gleichen Pflanzenfamilie der Ingwergewächse (Zingiberaceae) gehört unter anderem auch die Gattung Curcuma, die scharf schmeckende Gelbwurz, die dem Curry seine typische Farbe verleiht.
Die Wurzeln sind knollig verdickt und bilden einen Wurzelstock, die Ingwerwurzel. Eigentlich handelt es sich bei dem knolligen Gewächs nicht um eine Wurzel sondern um ein Rhizom, also das Mittelstück zwischen Stängel und Wurzel. Die Bezeichnung «Wurzel» ist also eigentlich nicht korrekt, es handelt sich vielmehr um unterirdisch kriechende, knollige Triebe, die sich geweihartig verzweigen. Der Vorteil: aus einem Rhizom kann Jahr für Jahr eine neue Pflanze wachsen – bei einer Wurzel funktioniert das nicht. Diese „Pseudowurzel" wird als einziger Teil der Pflanze genutzt. Dabei ist der Erntezeitpunkt für dessen Geschmack wichtig: Je später geerntet wird, desto grösser ist das Rhizom. Je grösser es ist, desto schärfer wird die Knolle.
Von dieser Form des Rhizoms leitet sich auch der Name ab: «Sringavera» bedeutet im Sanskrit «hornförmig» oder «mit Geweihsprossen versehen».
Ingwer kommt aus dem tropischen Südostasien, wird aber heute in vielen Ländern von Lateinamerika bis Afrika angebaut. Die Hälfte der Jahresproduktion bringt Indien hervor; die beste Qualität wird jedoch dem Ingwer aus Jamaica nachgesagt.
Wenn die Pflanze im Herbst ihre Blätter verliert, werden die Rhizome geerntet, in kochendes Wasser geworfen und einige Tage in der Sonne getrocknet. Frühzeitiger geerntete Wurzelstöcke sind als «Grüner Ingwer» im Handel. Er ist faserarm und milder, aber auch weniger aromatisch.
Während Ingwer aus den Küchen und Arzneischränkchen Asiens nicht wegzudenken ist, hat er in Europa eine eher wechselvolle Karriere hinter sich. Im Mittelalter war er so beliebt, dass die Gasse der Gewürzkrämer zu Basel in «Imbergasse» umbenannt wurde.
Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wandelte sich das, man bezeichnete Ingwer gar als «höllische Zutat», und er verschwand nach und nach aus den Küchen. Erst mit der zunehmenden Bekanntheit und Beliebtheit indischer, thailändischer oder japanischer Kochkunst bei uns trat er einen neuen Siegeszug an. Mittlerweile gibt es die goldene Wurzel fast überall frisch zu kaufen.
Ingwer ist vielleicht Geschmackssache, viele schrecken vor seinem scharfen Geruch und Geschmack zunächst zurück. Ich kannte früher Ingwer nur in Ingwerstäbchen – und die konnte ich nicht ausstehen. Heute schwärme ich geradezu für die Knolle, verwende sie in Suppen, asiatischen Gerichten und Aufläufen, ja sogar an Sauerkraut – und möchte vor lauter Verzückung über den wunderbaren Geruch manchmal am liebsten in eine frische Wurzel hineinbeissen. Das geht offenbar nicht nur mir so. Auf einer Gewürzseite im Internet ist es sehr hübsch formuliert: «Das Faible für Ingwer ist Teil einer Weltanschauung. Manchmal kommt die Erkenntnis erst mit zunehmender Lebenserfahrung.» Auf jeden Fall: ein Versuch, sich mit Ingwer anzufreunden, lohnt sich!
In Studien wurde gezeigt, dass Ingwer schmerzlindernd und beweglichkeitsfördernd wirkt. Dies ist zwar nicht so stark wie bei einem konventionellen Schmerzmittel, doch dafür ohne Nebenwirkungen. Daher kann Ingwer eine Alternative zu herkömmlichen Schmerzmitteln darstellen. Zubereitungen aus dem Ingwerwurzelstock werden unter anderen antioxidative (Schutz vor den gesundheitsschädlichen Wirkungen des Sauerstoffs) und entzündungshemmende Effekte zugesprochen und daher auch zur Behandlung von Gelenkerkrankungen empfohlen.
Der Inhaltsstoff Gingerol hemmt die Bildung des Enzyms Cyclooxygenase-2. Dieses vermittelt Entzündungsreaktionen wie bei Arthrose und entzündlichem Rheuma. Als man Arthrose-Patienten mit Ingwerauszügen behandelte, erreichte man die gleiche Schmerzlinderung wie mit einem konventionellen Schmerzmittel.
Als Rheumapatienten im Rahmen einer Untersuchung ca. fünf Gramm frischen Ingwer (erhält man z. B. in Bioläden) täglich zu sich nahmen, besserten sich Schmerzen, Entzündungen und Schwellungen der Gelenke.
Die Einnahme ist auch ganz einfach durchzuführen: Von einer Ingwerwurzel – je nach gewünschter Schärfe – ein bis mehrere dünne Scheiben abschneiden und mit kochendem Wasser übergiessen. Etwa zehn Minuten oder auch länger ziehen lassen und den abgesiebten Tee trinken. Alternativ übergiesst man 1 TL frisch geriebene Ingwerwurzel mit 150 ml kochendem Wasser, lässt 10 Minuten ziehen und seiht ab. Anstelle der frischen Ingwerwurzel kann man einen Teelöffel getrocknete, zerkleinerte Ingwerwurzel verwenden. Von diesem Tee trinkt man täglich 3-5 Tassen.
Wer sollte Ingwer besser nicht einnehmen?
Da Ingwer wie Weidenrinde Salicylate enthält, gelten für die Wurzel dieselben Einschränkungen wie bei der Weidenrinde. Ansonsten ist Ingwer in der Regel sehr gut verträglich.
Wie viel Ingwertee notwendig ist, um das Immunsystem zu stimulieren, war bislang unklar. Untersuchungen des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie in Freising zeigen, dass ca. 30 bis 60 Minuten nach dem Konsum von einem Liter Ingwertee (zubereitet aus 100 g frisch zerkleinerter Knolle) signifikante Mengen von Ingwerscharfstoffen ins Blut gelangen. Am stärksten war der Scharfstoff 6-Gingerol vertreten. In Labortests zeigte sich, dass dieser Stoff über einen bestimmten Rezeptor weisse Blutkörperchen aktiviert. Derart stimulierte Zellen reagierten im Vergleich zu Kontrollzellen um etwa 30 Prozent intensiver auf eine simulierte bakterielle Infektion.
Wer nur mit den diskreten Tütchen und einem Vorrat an Papiertaschentüchern auf Reisen gehen kann, wird es zu schätzen wissen: Ingwer hilft. In verschiedenen Studien, in denen die Wirkung des Ingwers mit der von Placebos und von anderen Mitteln gegen Reisekrankheit verglichen wurde, reduzierte Ingwer Übelkeit, Erbrechen, kalten Schweiss und Schwindel deutlich und überzeugend.
Während einer Schwangerschaft sollte die Dosis von einem Gramm Ingwerpulver täglich nicht überschritten werden, sonst kann die tägliche Menge, wenn nötig, zwei bis drei Gramm erreichen. Menschen mit Gallensteinen sollten allerdings vor dem Gebrauch des Ingwerpulvers einen Arzt konsultieren.
Generell schmecken Ingwerwurzeln brennend scharf. Dies geht auf ihre Inhaltsstoffe, Gingerol und Shoagolen zurück. Ausserdem enthalten sie ätherische Öle und Stärke. Kulinarisch gesehen ist der feurige Ingwer ein ebensolcher Tausendsassa wie in der Heilkunde. Das zitronig-frische Aroma und der fruchtig-scharfe Geschmack verbinden sich mit Jogurt oder einem Schokoladenüberzug ebenso erfolgreich wie mit Gemüse oder Fisch. Eine klassische Gewürzmischung des Ayurveda heisst «Tri Katu», die «drei Scharfen» – das sind Ingwer und zwei Pfeffersorten zu gleichen Teilen.
Man kann Ingwer roh essen (dünn schälen, denn viele wichtige Inhaltsstoffe sitzen unter der Schale), gebraten (wobei er etwas an Geschmack und Schärfe verliert) oder mitgekocht. Gerade im Herbst und Winter verleiht Ingwer einer Gemüse- oder Hühnersuppe jene wohltuend wärmende Wirkung, die sich vom Magen aus über den ganzen Körper ausbreitet. Ingwer passt nicht nur hervorragend zu Gemüse, auch viele Fisch- und Fleischgerichte bekommen durch seinen aromatischen Geschmack erst die ganz besondere Würze. In einem Kochbuch wird sogar vorgeschlagen, Ingwer zum Käsefondue zu reichen, um das Fondue nicht nur rassiger, sondern auch leichter verdaulich zu machen. Ingwer gibt auch der beliebten Limonade Ginger Ale seinen unvergleichlichen Geschmack – wenn echter Ingwer, nicht etwa künstliches Aroma, enthalten ist.
Tipp: Sauer eingelegter Ingwer, wie er als «beni shoga» zu Sushi serviert wird, ist eine appetitliche, gesunde Knabberei – und hat viel weniger Kalorien als Salzstangen oder Chips.
Weitere Rezepttipps mit Ingwer:
Ingwerwurzeln gibt es in Bioläden und vielfach auch in Supermärkten. Man erhält sie pulverisiert, verkapselt, in Pflanzenöl aufgelöst oder direkt als Wurzel. Bio-Qualität ist zu bevorzugen.
Die wärmende Wirkung des Ingwers lässt sich besonders bei winterlichen Temperaturen für die Gesundheit ausnutzen. Ingwertee aus einem Esslöffel frischer Ingwerwurzelstücke auf eine Tasse kochendes Wasser kann vor, während oder nach den Mahlzeiten getrunken werden. Mit etwas Zitronensaft und Honig schmeckt das besonders gut.
Auch als Badezusatz wirkt die Ingwer-Wurzel wohltuend. Bei Schlaflosigkeit, überreizten Nerven und auch bei Unterleibsleiden der Frauen beruhigt und entspannt sie. Ein Ingwersud oder ein Tropfen Ingweröl mit einem Esslöffel Mandelöl vermischt wirkt als Badezusatz durchblutungsfördernd und regt den Kreislauf an.
Und wenn draussen so richtig nasskaltes Schmuddelwetter ist oder sogar Schnee liegt, gönnen Sie sich vielleicht einmal ein Ingwer-Fussbad. Das ist für müde, schmerzende und kalte Füsse eine ganz besondere Wohltat.
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