Safran verfeinert Speisen, lindert Leiden, färbt Essen und Textilien und gilt als Schönheitsmittel und Aphrodisiakum. Der Krokus beschäftigt auch die Wissenschaft. Und immer mehr Hobbygärtner und Bauern experimentieren mit der eigenwilligen Knollenpflanze.
Autorin: Gisela Dürselen, 10/20
Safran ist teuer, die zarten Fädchen sind eine wahre Kostbarkeit. Denn das begehrte Gewürz wird gewonnen aus den äusserst filigranen, rot leuchtenden und höchstens drei Zentimeter langen Stempelfäden des Safrankrokus (Crocus sativus). Jeder blauviolette Blütenkelch besitzt drei solcher Fäden. Wenn sich zwischen Ende September und November die Blüten für die Dauer von drei Tagen öffnen, müssen sie geerntet und die Fäden noch am selben Tag getrocknet werden, denn nur so entfaltet sich ihr Aroma.
Um den Safran ranken sich viele Mythen und Geschichten. Geheimnisumwoben war lange Zeit auch der Ursprung der Pflanze. Da sich Safrankrokus nicht über Samen, sondern nur über Tochterknollen vermehrt, müssen die Elternarten bekannt sein, um Pflanzenzüchtung betreiben zu können. 2019 beantwortete der inzwischen verstorbene Professor Thomas Schmidt von der Technischen Universität Dresden die Frage nach der Herkunft: Er führte den genetischen Nachweis, dass alle heutigen Safrankrokuspflanzen von zwei leicht verschiedenen Individuen einer in Griechenland vorkommenden Wildkrokusart abstammen. Damit erhoffen sich die Forscher, den Safrankrokus in Zukunft züchterisch verändern zu können.
Dies ist erwünscht, denn die Pflanze ist beileibe keine einfache Kultur: Er hat besondere Ansprüche an Klima und Standort; der Boden muss das ganze Jahr über unkrautfrei gehalten werden, und die begehrten Staubfäden werden bis heute in mühevoller Handarbeit geerntet. Aufgrund dieser Besonderheiten gilt Safran als das teuerste Gewürz der Welt und wird zu einem teils höheren Preis als Gold gehandelt.
Nach Europa kam der Krokus wahrscheinlich über Spanien durch die Mauren. Die Europäer scheinen Gefallen an dem Gewürz gefunden zu haben, denn in vielen alten Kochrezepten ist von Safran zu lesen, und auch die Kinderliedzeile «Safran macht den Kuchen gel» gibt Zeugnis von seiner Beliebtheit. Im 20. Jahrhundert geriet der Safrananbau in Mitteleuropa in Vergessenheit. Zumindest beinahe.
Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben in der Gemeinde Mund im Wallis wie auch anderswo in der Schweiz Safranäcker unbestellt, denn viele Bergbauern gingen in die Fabriken statt aufs Feld. Der Safrankrokus verschwand daraufhin aus der Landschaft – nur in Mund wuchs er auch ohne Pflege weiter. «Der Ort liegt ideal für den Safrankrokus», sagt der Munder Safran-Zunftmeister German Jossen. Dazu gehören eine sonnenexponierte Lage, ein karger, trockener Boden und zur Erntezeit im Herbst kühle Nächte und sonnige Tage. Entscheidend für die Qualität ist die Höhenlage: «Mund liegt auf 1200 Metern. Je höher der Safrankrokus wächst, desto reicher ist er an Inhaltsstoffen.»
2019 war ein gutes Safranjahr in Mund: Der Sommer war trocken, und im August, wenn die Knollen anfangen zu wachsen und viel Wasser brauchen, hat es genug geregnet. 2,5 Kilogramm haben die etwa 80 Produzenten geerntet. Das klingt nach nicht viel. Doch wenn man bedenkt, dass die feinen Fäden nach der Ernte noch trocknen und weiter an Gewicht verlieren, sind 2,5 Kilogramm für eine Anbaufläche von nur etwa 18 000 Quadratmetern beachtlich.
Schon im 14. Jahrhundert wuchs historischen Aufzeichnungen zufolge der Safrankrokus in Mund. Seitdem er in den 1970er-Jahren wiederentdeckt wurde, dreht sich dort alles um die blaue Blume, und fast jede Familie ist in irgendeiner Weise mit dem Safran verbunden: «Munder Safran» ist im Register der Ursprungsbezeichnungen (GUB) eingetragen, es gibt viele Safranspezialitäten, einen eigenen Safrantourismus, ein Museum, eine Zunft und einen Safranlehrpfad.
Das Walliser Bergdorf Mund ist die bekannteste Adresse für Safran in der Schweiz. Jahrelang war es die einzige, bis es Konkurrenz bekam: 2007 entstanden im Aargau erste Safrankulturen; dort wird heutzutage sogar die grösste Ernte eingefahren. In den 2010er-Jahren folgten unter anderem Appenzell und Bern, St. Gallen und Tessin, und Produzenten gründeten Interessengemeinschaften und weitere Safran-Zünfte. Nur wenige vermarkten allerdings ihre Ernte überregional, das meiste wird vor Ort verarbeitet oder geht an Stammkunden. Das Forschungszentrum Agroscope unterstützt den Schweizer Anbau. «Wir beantworten Fragen, geben landwirtschaftliche Ratschläge», sagt Claude-Alain Carron, bei Agroscope zuständig für Gewürz- und Medizinalpflanzen. In der französischen Schweiz betreut Carron eine Gruppe, die seit 2010 besteht, sich «les mordus du Crocus sativus» nennt und ein- bis zweimal im Jahr trifft, um Erfahrungen auszutauschen. Dabei kommt sicher auch zur Sprache, was sich der Safran bis heute als Geheimnis bewahrt hat: «Manchmal variiert die Ernte auch unabhängig vom Wetter – und keiner weiss so genau, warum», sagt German Jossen, der den Safran deshalb «eine launische Pflanze» nennt.
Auch in anderen europäischen Ländern ist Safran zunehmend beliebt und wird darum vielerorts wieder angebaut. Safrankulturen gibt es heute in Deutschland und Österreich, in Mittelmeerländern wie Italien und Griechenland und im sonnenverwöhnten Spanien, wo die grössten Safranfelder Europas liegen. Zu den wichtigsten Safrananbauländern weltweit gehören Indien und Marokko – und allen voran der Iran.
Inhaltsstoffe, Qualität und Aroma unterscheiden sich von Region zu Region: Munder Safranfäden sind laut German Jossen sehr lang und von ausserordentlicher Qualität. Spanischer Safran besitzt dem französischen Nationalen Institut France AgriMer zufolge eine aparte Farbe und ein besonders mildes Aroma und Parfüm. Italienischer Safran ist intensiver. Der intensivste Safran wird im griechischen Mazedonien, in Indien und im Iran angebaut. Im US-amerikanischen Bundesstaat Pennsylvania ist AgriMer zufolge der «Dutch saffron» zu haben, der sich durch seine erdige Note einen Namen gemacht hat.
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Jenseits des delikaten Aromas hat Safran interessante Inhaltsstoffe zu bieten, weshalb er auch schon im Ayurveda und in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) als Heilmittel diente. Perser, Griechen und Römer schätzten ihn, Paracelsus lobte seine vitalisierenden Eigenschaften, und in verschiedenen volksmedizinischen Traditionen wird auch seine aphrodisierende Wirkung gepriesen. In Indien werden Schmerzen mit Safran behandelt, und Iraner trinken ihn für gute Laune in ihrem Tee.
Einer indischen Studie von 2010 zufolge ist Safran seit 4000 Jahren als Heilmittel bekannt und wurde seitdem zur Behandlung von 90 Krankheiten eingesetzt. Dieselbe Studie ergab, dass Safran mehr als 150 flüchtige Aromastoffe sowie viele weitere, nichtflüchtige Bestandteile besitzt. Dies macht verständlich, warum ein synthetischer Nachbau des teuren Gewürzes so schwierig ist.
Forschende der Universität Freiburg haben 2014 gemeinsam mit einem internationalen Team ein Schlüsselenzym für die Hauptinhaltsstoffe Crocetin/Crocin (hauptverantwortlich für die intensive Färbung der Safranfäden), Picrocrocin (erzeugt den leicht bitteren Geschmack) und Safranal (beeinflusst Geruch und Aroma) entdeckt. Damit könnten diese drei Substanzen vielleicht in Zukunft kostengünstig für medizinische Zwecke reproduziert werden. Komplett lasse sich Safran jedoch nicht künstlich herstellen, heisst es in einer Meldung der Universität, denn dafür sei die Zusammensetzung des natürlichen Gewürzes zu komplex.
Da Safran sich im Laufe seiner Geschichte fast einen Ruf als Allheilmittel erworben hat, interessierten sich auch immer mehr Wissenschaftler für die Pflanze – und entdeckten, dass Safran medizinisch tatsächlich einiges zu bieten hat. Unter anderem bestätigten US-amerikanische Wissenschaftler aus Texas die positiven Wirkungen auf die Augen: Demnach steigert Crocin die Durchblutung der Netzhaut und könnte eventuell bei Makuladegeneration helfen. Mehrere Studien unterstreichen die antidepressiven Effekte von Safran, andere verweisen auf ein Potenzial bei neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer; wiederum andere betonen seine verdauungsfördernden oder auch antientzündlichen Eigenschaften. Insbesondere den Carotinoiden im Krokus wird eine stark antioxidative Wirkung zugeschrieben – ein Grund, warum die Blume auch Bestandteil diverser Kosmetikprodukte ist.
Damit bestätigen bisherige Studien eine Reihe von Effekten, die dem Safran schon lange zugeschrieben wurden – und sie machen Hoffnung, dass es in Zukunft vielleicht für verschiedene Leiden neue natürliche Medikamente auf der Basis von Safranwirkstoffen geben könnte. Bis es dazu kommt, braucht es allerdings noch weitere grosse, klinische Studien. Denn so manches bisherige Ergebnis resultiert aus einer eher kleinen Studie oder aus Versuchen im Labor oder mit Tieren.
Fakt ist, dass Safran nicht überdosiert werden sollte, weil Bestandteile wie Picrocrocin leicht giftig sind und bei übermässigem Konsum zu Beschwerden führen können. Abhängig von Herkunft und Qualität soll eine Dosis ab circa zehn Gramm sogar tödlich sein. Auch Schwangere sollten Safran nur mit Vorsicht geniessen, denn das Gewürz fördert die Durchblutung der Gebärmutter und kann möglicherweise eine Fehlgeburt auslösen.
Bei einem Preis zwischen 30 und 70 Franken, den ein Gramm Safran aus Schweizer Produktion im Schnitt kostet, dürfte die Gefahr einer Überdosierung allerdings nicht besonders gross sein. Zudem würzt Safran sehr intensiv, so dass beim Kochen bereits kleinste Mengen genügen. Bernhard Loretan, Besitzer des Restaurants Safran in Mund, verarbeitet jedes Jahr beachtliche 800 bis 900 Gramm des Gewürzes, rät aber trotzdem zur Vorsicht beim Würzen, denn: «Gibt man zu viel bei, kann das Gericht ein wenig bitter werden.»
Dunkel und trocken gelagert, hält sich Safran über ein Jahr. Der einzigartige Geschmack ist laut Bernhard Loretan schwer zu beschreiben und sollte am besten selbst ausprobiert werden: etwa in spanischer Paella, französischer Bouillabaisse und italienischem Risotto Milanese, auch in Schweizer Spezialitäten wie dem Brot Cuchaule – oder auch in einem Käsefondue und Parfait mit Safran, die beide zu den Lieblingsspeisen von Zunftmeister German Jossen zählen.
Schätzungen gehen davon aus, dass 75 bis 85 Prozent des weltweit gehandelten Safrans Fälschungen sind. Als Safranersatz dienen Gewürze wie Kurkuma, Curry und Piment, aber auch Pflanzen wie Tagetes, Ringelblume und Färberdistel. Um ein grösseres Gewicht zu erzielen, werden dem Safran manchmal Wasser, Öl, Substanzen aus farbigen Mineralien, Sand etc. beigemischt.
Auf dem Markt sind wegen der unterschiedlichen Preise auch Herkunftsfälschungen, und es gibt minderwertigen Safran. Dieser kann durch schlechte Trocknung und Konservierung, aber auch durch Verunreinigung, zum Beispiel durch Staub, entstehen.
Safranfäden lassen sich nicht so leicht fälschen wie Pulver, darum werden gute Qualitäten als Fäden angeboten. Getrocknete Safranfäden sind dunkelrot, 2–3 Zentimeter lang, fein und leicht brüchig und an ihrem Ende etwas erweitert. Sie duften stark und schmecken leicht bitter. In Wasser gelegt, färben sie dieses gelb und bleiben selbst rot.
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