Aufschlussreiche Erkenntnisse aus der medizinischen und der Lebensmittelforschung machen die Grenzen zwischen Gewürz und Arznei, zwischen Gartenkräutern und Heilpflanzen fliessend. Die Konsequenzen für die tägliche Ernährung sind erfreulich.
Autorin: Dr. Claudia Rawer, 06.16
Gewürzen und Gewürzkräutern spricht man heute zahlreiche pharmakologische und gesundheitliche Effekte zu. So erkennt man viele von ihnen als natürliche Antibiotika und weiss um ihre entzündungshemmenden, immunstärkenden und potenziell krebshemmenden Eigenschaften. Besonders hervorzuheben ist ihr hoher Antioxidanziengehalt, da diese Stoffe den menschlichen Körper vor «oxidativem Stress» und damit vor vielen Erkrankungen bewahren. Als Schutzwall gegen die sogenannten «freien Radikale» waren Antioxidanzien vor einigen Jahren in aller Munde.
Dazu muss man allerdings wissen, dass von einer Zufuhr in Form von Tabletten oder Nahrungsergänzungsmitteln heute eher abgeraten wird. Klinische Studien dazu erbrachten widersprüchliche Ergebnisse. Eine ausgewogene Ernährung mit täglichem Konsum von Obst- und Gemüsesorten, die reich an Antioxidanzien sind, wird allerdings wärmstens empfohlen.
Umso bedeutsamer ist, dass eine Untersuchung am Institut für Ernährungsforschung der medizinischen Fakultät der Universität Oslo Heil- und Gewürzkräuter als die Lebensmittel mit dem höchsten Antioxidanziengehalt (von 3100 untersuchten) identifizierte. Die Studienautoren dazu: «Obwohl Gewürze und Kräuter wenig Gewicht auf den Essteller bringen, können sie dennoch einen wichtigen Beitrag zu unserer Aufnahme von Antioxidanzien leisten.»
Kräuter seien eine bessere Antioxidanzienquelle als die meisten Früchte und Beeren, Getreideprodukte und Gemüse. Den höchsten Wert in der Kategorie «Gewürze und Kräuter» erreichen Nelken mit einem Antioxidanziengehalt von durchschnittlich 277,32 Millimol pro 100 Gramm, aber auch fast alle anderen Kräuter und Gewürze schneiden mit zweistelligen Werten respektabel ab.
Obst und Gemüse liegt dagegen auch in getrockneter oder als Saft konzentrierter Form im einstelligen Bereich. Praktische Konsequenz aus dieser wissenschaftlichen Erkenntnis: Neben Gemüse, Früchten, Beeren und Nüssen sollten Kräuter und Gewürze einen täglichen Auftritt auf unseren Tellern haben. Auch in kleinen Mengen genossen, ist ihr Beitrag zum Gesundbleiben beträchtlich.
Übrigens: Die Antioxidanzien bleiben auch in getrockneten Kräutern erhalten; die Konzentration ist sogar noch höher.
Eine weitere Bemerkung der Wissenschaftler: «Phytotherapeutische und traditionelle pflanzliche Arzneimittel stellten sich als Produkte mit dem höchsten Antioxidanziengehalt in unserer Studie heraus. Wir spekulieren, dass dieser von Natur aus bestehende hohe Gehalt einen wichtigen Beitrag zu den medizinischen Qualitäten der Kräuter darstellt.»
Natürliche Antioxidanzien sind etwa Pflanzenfarbstoffe wie Carotinoide und Polyphenole sowie die Vitamine C und E. Carotinoide (rote, gelbe und orangefarbene Stoffe, aber auch in grünen Pflanzen vorhanden) wirken unter anderem entzündungshemmend und senken wahrscheinlich sowohl das Risiko für bestimmte Krebsarten als auch altersbedingte Augenerkrankungen. Den Polyphenolen (z.B. Anthocyane und Flavonoide, rote, hellgelbe, blaue und violette Farbstoffe) werden neben der antioxidativen Wirkung antibiotische und antientzündliche Eigenschaften zugeschrieben; sie senken das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten sowie einige Krebsarten.
Heute weiss man sehr viel mehr über die einzelnen Inhaltsstoffe von Pflanzen als zu Zeiten Alfred Vogels. So kann man, um nur ein einziges Beispiel zu nennen, Salbei in Borneol, 1,8-Cineol, Linalool, Thujon, Chlorogensäure(n), Kaffeesäuren, Rosmarinsäure, Flavonoidglykoside, Di- und Triterpene und vieles mehr zerlegen. Doch Alfred Vogel lag auch ohne dieses detaillierte Wissen in seinem Vertrauen darauf, dass die Natur dem Menschen alles gebe, was für sein Leben und seine Gesundheit wichtig ist, so gut wie immer richtig.
Der Naturheilkundepionier hatte ein fast untrügliches Gespür für die Auswahl der «perfekten » Pflanzen – der Rote Sonnenhut, bei dem neueste Forschung alles bestätigt, was Alfred Vogel von ihm erwartete, ist das beste Beispiel dafür. Zudem bewies er ein Händchen für die «Komposition» von pflanzlichen Extrakten – und das nicht zuletzt bei seinem bekannten und heute in aller Welt beliebten Herbamare.
Diese Frischkräutersalze enthalten naturreines, unbehandeltes Meersalz aus der Camargue sowie Kräuter und Gemüse – und sonst nichts, denn sie sind frei von Zusatz- und Konservierungsstoffen aller Art. Die Spurenelemente des Meeres sollten, so stellte es sich Alfred Vogel bereits 1956 vor, eine Verbindung mit gesunden Pflanzenstoffen eingehen. Die Meeresalge Kelp lieferte natürlich gebundenes Jod in wohldosierter Menge; die weiteren Zutaten sollten selbstverständlich aus kontrolliert biologischem Anbau stammen.
Besonders lag Vogel am «vorteilhaften Geschmack gartenfrischer Gewürzkräuter». Getrocknete Zutaten bringen oftmals, so formulierte er es vornehm, einen «typischen Heugout» mit sich, die Kräutersalze sind also «mit einem vorherrschenden Heugeschmack behaftet, was nicht jedem mundet.»
Nicht umsonst war er also stolz auf seine Erfindung: Die gartenfrische Verarbeitung der Kräuter und Gemüse und der Prozess der sogenannten Mazeration, die Durchmischung des Salzes mit den frischen Zutaten, sind ausschlaggebend für den exquisiten Geschmack; nach der schonenden Trocknung der Salz-Kräuter-Paste liegen die gesunden Inhaltsstoffe in konzentrierter Form vor.
In der Zutatenliste zu Alfred Vogels Frischkräutersalz finden sich alte Bekannte wie Petersilie und Schnittlauch, Sellerie, Lauch und Zwiebeln, die mit ihrer Würze zu der fein abgerundeten Geschmacksnote beitragen. Doch schon die Verwendung von Basilikum ist ungewöhnlich – würde es, wie sonst üblich, getrocknet verwendet, würde es viel zu viel von seinem köstlichen Aroma verlieren.
Liebstöckel kennen relativ wenige, Majoran muss oft dem bekannteren Oregano weichen. Kaum jemand sammelt noch selbst frische Brunnenkresse; will man sie kaufen, muss man schon ziemlich suchen. Und was tut die Meeresalge Kelp in einem Kräutersalz?
Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.