Die Weidenrinde war Ausgangspunkt für die Entwicklung der Acetylsalicylsäure (ASS) und ist wirksam gegen Gelenkschmerzen. Zudem wirkt sie fiebersenkend und antioxidativ und antientzündlich und kann deshalb bei Rheuma, Arthrose und leichter Gicht eingesetzt werden.
Weiden sind Bäume und Sträucher mit meist länglichen bis lanzettlichen Blättern, die an den Rändern fein gesägt sind. Die Rinde ist glänzend und glatt, braungrau bis grünlich gelb gefärbt. Die wirksamen Inhaltsstoffe gewinnt man meist aus den beiden Arten Silberweide (Salix alba) und Purpurweide (Salix purpurea). Erstere ist ein Baum mit silbrig behaarten Blättern, die Zweite ist ein etwa sechs Meter hoher Strauch mit rötlich gefärbten Kätzchen. Beide gehören zu den Weidengewächsen (Salicaeae) und blühen von März bis Mai. Sie sind in Europa und Asien heimisch. Die Gruppe der Weidengewächse umfasst etwa 450 Arten.
Bereits in der Antike setzten Heilkundige die Weidenrinde gegen Fieber und Schmerzen ein. 1828 isolierte man den zugehörigen Wirkstoff aus der Rinde: das Salicin. Zehn Jahre später stellten Chemiker daraus die Salicylsäure her, die damals bereits als schmerzlinderndes Mittel zum Einsatz kam und die heute eines der bekanntesten Schmerzmittel darstellt.
Diese Salicylsäure aus Weidenrinde diente als Vorlage für die künstlich hergestellte Acetylsalicylsäure (ASS), die zur Gruppe der sogenannten nicht steroidalen (bedeutet: es handelt sich nicht um Cortison) Antirheumatika – kurz: NSAR – gehört.
Als pflanzliche Arzneiquelle dient auch heute noch die Rinde. Sie enthält – je nach Weidenart – bis zu 11 Prozent sogenannte Salicylate. Zu dieser Wirkstoffgruppe gehören die Substanzen Salicin und Salicortin. Wie für natürliche Substanzen üblich, variiert die genaue Zusammensetzung von Art zu Art. Für eine Wirkung müssen jedoch mindestens 1,5 Prozent Salicin enthalten sein. Zusätzlich findet man in der Rinde reichlich Gerbstoffe, Pflanzensäuren und die gesundheitsfördernden Flavonoide. Diese zusätzlichen Inhaltsstoffe tragen zum heilenden Effekt der Weidenrinden-Extrakte bei, wie eine Studie aus Irland zeigt. So weisen beispielsweise auch Catechin, Apigenin, Luteolin und Kämpferol antientzündliche oder antioxidative Eigenschaften auf.
Durch die unterschiedlichen Inhaltsstoffe besitzen Weiderindenextrakte ein breiteres Wirkungsspektrum als das entsprechende konventionelle Schmerzmedikament. Salicin ist die inaktive Vorstufe der Acetylsalicylsäure, die erst im Darm und in der Leber zum eigentlichen Schmerzmittel, der Salicylsäure, umgewandelt wird. Das Salicin wird zu hohem Prozentsatz (86 Prozent) aufgenommen und ergibt einen über mehrere Stunden konstanten Salicylatspiegel in der Blutflüssigkeit.
Die Heilpflanze wird nicht nur bei Gelenkschmerzen eingesetzt. Ihre Inhaltsstoffe wirken fiebersenkend, schmerzreduzierend, antioxidativ (Schutz vor den unerwünschten Reaktionen von Sauerstoff) und antientzündlich. Diese Effekte fallen allerdings schwächer aus als beim konventionellen Schmerzpräparat und diese positiven Wirkungen treten auch erst nach längerer Einnahme auf.
Finnische Forscher machten im Rahmen einer Studie mit der Teeblättrigen Weide (Salix phylicifolia), der Schwarz-Weide (Salix myrsinifolia) sowie deren Hybriden eine überraschende Entdeckung. Heisswasserextrakte der Weidenrinden hatten im Labor eine antivirale Wirkung auf Erkältungsviren sowie auf Sars-CoV-2. Wurden die Viren in dem Extrakt gebadet und anschliessend unter Laborbedingungen auf Lungenzellen gesetzt, blieben bis zu 90 Prozent der Lungenzellen vital. Ohne Extrakt starben bis zu 70 Prozent der Lungenzellen ab. Die Forscher machen die reichlich vorhandenen Tannine (Gerbstoffe) für die antivirale Wirkung verantwortlich.
Der Weidenrindenauszug wird gut vertragen. Nebenwirkungen, die von Acetylsalicylsäure bekannt sind, treten normalerweise nicht auf. Zudem ist die Magenverträglichkeit von Salicin besser (keine Magenblutungen) als bei direkter Einnahme der Salicylsäure. Das Pflanzenpräparat besitzt auch nur eine geringe blutverdünnende Wirkung. Fragen Sie jedoch sicherheitshalber einen Arzt, wenn Sie Mittel zur Blutverdünnung einnehmen.
Vorsichtig sollte man bei einer Überempfindlichkeit bzw. Allergie gegen Salicylsäure sein, insbesondere bei Blutungsneigung. Generell sollten Sie vor der Einnahme des Pflanzenextrakts Ihren Arzt fragen. In Studien waren die Präparate gut verträglich und wirkten ähnlich den chemisch-synthetischen Präparaten. Selten können Magen-Darm-Beschwerten wie Übelkeit oder Magenschmerzen auftreten. Dann sollten Sie die Weidenrinde meiden. Das gilt ebenfalls bei Hautreaktionen, wie Juckreiz oder Ausschläge.
Man verwendet am besten die möglichst im Frühjahr gesammelte, ganze oder geschnittene, getrocknete Rinde junger Zweige oder die im Erntejahr entwickelten jungen Triebe der Weidenrinde. Im Handel findet man vor allem die Rinden der Salix purpurea und Salix daphnoides, die bis zu 11 Prozent Gesamtsalicine enthalten, wenn sie aus Weidenkulturen stammen. Achten muss man auch darauf, dass der Cadmiumgehalt von 0,5 ppm nicht überschritten wird.
Mittlere Tagesmenge: Für die entzündungshemmende Wirkung der Weidenrindenextrakte ist eine tägliche Menge von 60 – 120 mg Salicin erforderlich. Da bei einer Teezubereitung die Inhaltsstoffe nicht zu 100 Prozent in das Getränk übergehen, sind dafür etwa 8-15 g Weidenrinde erforderlich, die mindestens 1,5 Prozent Gesamtsalicin enthalten müssen. Am sichersten erhält man dies über Fertigarzneien wie Dragees, Tabletten oder Kapseln, die man in Apotheken oder Drogerien erhält. Es gibt auch Kombinationen mit anderen Heilkräutern wie z. B. Birkenblättern oder Heisteria-Rinde.
Teezubereitung: 1 Teelöffel fein geschnittene Weidenrinde (entspricht ca. 1,5 g Weidenrinde) mit 1 Tasse (250 ml) kochendem Wasser übergiessen, ca. 20 Minuten ziehen lassen, absieben. Von diesem Tee mehrmals täglich 1 Tasse heiss trinken.
Der Geschmack ist sehr gewöhnungsbedürftig. Wem dies zu unangenehm ist, kann auf die Fertigpräparate aus Weidenrinde gegen rheumatische Beschwerden und Muskelschmerzen ausweichen. Auch als Badezusatz wird der Inhaltsstoff der Weidenrinde, die Salicylsäure, empfohlen, sofern nicht gerade ein Schub bei Rheuma vorliegt.