Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans) ist eine chronische, entzündlich-rheumatische Erkrankung, welche hauptsächlich die Wirbelsäule und Kreuzbein-Darmbein-Gelenke (Iliosakralgelenke) betrifft. Im Spätstadium geht die Elastizität der Wirbelsäule verloren, sie verknöchert. Benannt ist die Krankheit nach dem russischen Neurologen und Psychiater Wladimir von Bechterew (1857 –1927), der sich Ende des 19. Jahrhunderts mit Wirbelsäulenproblematiken beschäftigte.
Das wichtigste Symptom, das so genannte Leitsymptom, ist der chronisch-entzündliche Rückenschmerz mit Morgensteifigkeit. Bei fortschreitender Krankheit kommt es nicht nur zur erwähnten Versteifung der Wirbelsäule, sondern auch zu entzündlichen Veränderungen in den grossen Gelenken, Sehnen, Augen und am Herzmuskel. Erfreulich ist, dass die Erkrankung gutartig verläuft und die Betroffenen ein normales Leben führen können. Ausserdem kann die Krankheit plötzlich zum Stillstand kommen.
Die Erkrankung beginnt meistens zwischen dem 18. und 30. Lebensjahr und ist bei Männern doppelt so häufig anzutreffen wie bei Frauen, bei denen sie zudem gutartiger verläuft. Die Krankheit kommt bei 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung vor, ist also gar nicht so selten.
Die Ursachen des Morbus Bechterew sind heute noch weitgehend unbekannt, doch gibt es schon jetzt einige Lichtblicke in der Ursachenforschung. So vermutet man Erbfaktoren (90 Prozent aller Kranken haben den Gewebemarker HLA-B27) und das gleichzeitige Vorhandensein anderer Faktoren (z.B. Darminfektion), die letztendlich zum Ausbruch der Krankheit führen.
Kommt ein Patient in die Praxis oder Klinik, interessiert sich der Arzt insbesondere für die derzeitigen Beschwerden und die Krankheitsgeschichte. Dann folgt eine Untersuchung von Kopf bis Fuss. Der Therapeut wird bei Verdacht die Messung der Dehnbarkeit und Beweglichkeit der Wirbelsäule und eine Prüfung der Schmerzempfindlichkeit der Kreuzbein-Darmbein-Gelenke vornehmen. Falls nötig, erfolgt eine weitere Abklärung mittels Röntgenuntersuchung, Computertomographie oder Magnetresonanz-Verfahren. Labortests geben Aufschluss darüber, ob eine Entzündung vorliegt oder der Faktor HLA-B27 nachweisbar ist. Allerdings gibt dieser Faktor nicht immer Gewissheit, denn er ist auch bei acht Prozent der Gesunden nachweisbar.
Morbus Bechterew wird durch eine Schwangerschaft nicht beeinflusst. Es kommt auch nicht häufiger zu Fehl- oder Frühgeburten. Jedoch müssen sich Schwangere bezüglich Medikamenteneinnahme beraten lassen.
Medikamentös: Nichtsteroidale Antirheumatika gegen Entzündungen und Schmerzen; in schweren Fällen kommen D-Penicillamin, Goldsalze und immunsuppressive Medikamente zur Anwendung.
In acht deutschen Rheuma-Kliniken wurde eine placebokontrollierte Studie mit insgesamt 70 Patienten durchgeführt, bei der die Wirkung eines Tumor-Nekrose-alpha-Blockers (Tumornekrosefaktor/TNF-alpha ist ein Auslöser von Entzündungen) untersucht wurde. Nach zwölf Wochen war die Entzündungsaktivität bei 53 Prozent der behandelten Patienten um mindestens die Hälfte zurückgegangen. Deutliche Verbesserungen zeigten sich auch bei Funktion und Beweglichkeit der Wirbelsäule und der Lebensqualität der Betroffenen. Wegen möglicher Nebenwirkungen, wie einer Störung des Immunsystems, sollte die Therapie nur in Zentren mit spezieller rheumatologischer Erfahrung eingesetzt werden.
Passive physikalische Therapie: Lokale Anwendung von Kälte, Wärme, Infrarot-Bestrahlung, Elektrotherapie und Massagen zur Entzündungshemmung und Lockerung der Muskulatur.
Aktive Bewegungstherapie: Eine Bewegungstherapie mit speziellen Schwimm- und Gymnastikübungen ist für den Bechterew-Patienten ungeheuer wichtig.
Beachten Sie bitte, dass auch bei Anwendung naturheilkundlicher Verfahren ein Arzt/erfahrener Therapeut befragt werden sollte. Gute Beratung erteilt das Fachpersonal in Apotheken und Drogerien. Der naturmedizinisch orientierte Arzt/Therapeut verordnet die begleitenden Therapien, ferner setzt er die Neuraltherapie (zur Schmerzreduzierung), mikrobiologische Therapie, Ernährungs- und Ordnungstherapie, Akupunktur und ausleitende Verfahren ein.
Als Heilmittel kommen pflanzliche Medikamente und homöopathische Mittel infrage.
Folgende Heilpflanzen haben sich bewährt: Arnika montana in Form eines Gels, Arnika in Kombination mit Thymian und Rosmarin in Form von Umschlägen, Kampfer («Kampferspiritus» zum Einreiben), Capsaicin zur Schmerzlinderung, Pfefferminzöl, Weidenrinde, Wacholderöl und Wintergrünöl.
Manche Experten raten zu pflanzlichen Antidyskratika («Resolventien» oder «Blutreinigungsmittel»). Das sind Medikamente, die in das Stoffwechselgeschehen der rheumatischen Erkrankung eingreifen. Gut sind die Heilpflanzen Löwenzahn, Wacholder und Brennnessel, da sie die Harnausscheidung fördern.
Positive Wirkung zeigten auch Kombinationsmittel, bestehend aus Extrakten von Rinde und Blättern der Zitterpappel, Goldrutenkraut und Eschenrinde. Empfohlen werden zudem Guajakholz- und Teufelskrallenextrakt sowie die im Handel erhältlichen Rheumatees (3- bis 5-mal täglich eine Tasse). Im Rahmen des Fastens kommen Birken- und Brennnesselsaft zur Anwendung.
Beinwellwurzelextrakt wird ebenfalls gerne verordnet. Dieser wirkt entstauend, schmerzlindernd und je nach Temperatur als Auflage kühlend oder wärmend.
Passive physikalische Therapie: Kälte (Eiswickel, Eisbäder, feuchte Wickel, Güsse, kalter Fango), Wärme (Fango, Heublumen- oder Solewickel), Heissluft, Infrarot-Bestrahlung, Überwärmungsbäder (Schwefel, Heublumen), Thermalbäder; Elektrotherapie, manuelle Massage, Bindegewebs-, Reflexzonen- und Unterwassermassage.
Begleitend: Bewegungstherapie
Weitere Therapien und Techniken: Akupunktur, Neuraltherapie, Entspannungstechniken, Magnetfeldtherapie, Akupressur, Gegensensibilisierung nach Prof. Dr. Theurer (eine modifizierte Eigenblutbehandlung, die auch bei der Behandlung von Allergien angewendet wird).
Eine Vorbeugung ist nicht möglich. Der Patient kann jedoch durch Selbsthilfe und Eigeninitiative eine Menge tun, um die Krankheit erträglicher zu machen und ein Fortschreiten der Krankheit zu unterbinden. Wichtig ist die aktive Mitarbeit. Betroffene sollten unbedingt ein gezieltes Bewegungsprogramm durchführen. Ein Patient, der sich nicht bewegt, bekommt unweigerlich später eine Versteifung der Wirbelsäule. Die Bewegungstherapie führt zur Stärkung der Muskelkraft, Verbesserung der Wirbelsäulen- und Gelenkbeweglichkeit, Korrektur von Wirbelsäulen- und Gelenkfehlstellungen sowie zu einer örtlichen Verbesserung der Blutzufuhr und damit zu einer Reduzierung der Schmerzen.
Physiotherapeuten leiten zu einer speziellen Gymnastik an, die sich gut zu Hause durchführen lässt. Motivierender und besser durchzuhalten sind Gymnastik und Schwimmen in einer Gruppe.
Weitere Massnahmen: Der Patient tut sich etwas Gutes, wenn er öfter eine Bauchlage einnimmt, denn sie wirkt einer Verkrümmung der Wirbelsäule entgegen. Auch sollte er so flach und hart wie möglich liegen, um die Wirbelsäule in möglichst gerader Lage zu halten (seitliche stützende Kissen oder Rollen sind dabei gute Helfer). Auch eine gute Sitzhaltung ist wichtig, ausserdem das Vermeiden von schwerer körperlicher Arbeit. Günstige Sportarten sind Volleyball, Rückenschwimmen, Skilanglauf und Radfahren.
Ernährung: Eine Ernährungsumstellung (Vollwertnahrung, Heilnahrung, Reduzierung der entzündungsfördernden Arachidonsäure) ist sinnvoll. Empfehlenswerte Getränke sind Kräutertees (Birkenblätter, Goldrute, Brennnesselblätter, Löwenzahn, Bohnenschalen und Teufelskralle) und Mineralwasser. Alfred Vogel empfahl das Trinken von Kartoffel-, Weisskohl- und Karottensaft (dreimal täglich ein Glas).
Mehr dazu finden Sie in unserem Artikel „Rheuma und Ernährung – das müssen Sie wissen“