Mit gesunder Ernährung kann man bei Gelenkschmerzen viel erreichen. Entscheidend ist die richtige Auswahl von Nahrungsmitteln, besonders bei entzündlichem Rheuma und Gicht.
Autorin: Dr. Andrea Flemmer, 12/19
Das klassische rheumatische Krankheitsbild ist eine Entzündung der Gelenke mit fortschreitender Zerstörung der Gelenkknorpel. Im Krankheitsverlauf kommt es zu Gelenkverformungen und zur Zerstörung des Gelenkknorpels bzw. -knochens. Die fortdauernden Entzündungsprozesse greifen die Gelenke an. Hier kann man mithilfe der entsprechenden Ernährung viel erreichen.
Schon lange steht fest, dass sich ein übermässiger Fleischkonsum nachteilig auf Rheuma auswirkt – der Entzündungsprozess wird verstärkt. Inzwischen kennt man den Grund dafür: die entzündungsfördernde Arachidonsäure. Sie ist nur in tierischen Lebensmitteln enthalten (z. B. Fleisch, Eigelb, Milchfett, Butter). Pflanzliche Nahrung ist arachidonsäurefrei! Deshalb ist jede vegetarische Mahlzeit ein Beitrag zur Verringerung des Entzündungsförderers Arachidonsäure in unserem Körper. Mit einer üblichen Mischkost nimmt man etwa 0,3 g Arachidonsäure pro Tag zu sich, mit einer vegetarisch orientierten Kost nur 0,05 g.
Entsprechend hilft bei allen Diäten, die für Rheuma-Patienten empfohlen werden, vor allem eines: die Reduktion der Arachidonsäure (im Fachchinesisch: Eikosatetraensäure), die in fetten Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs vorkommt. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt des entzündlichen Geschehens. Es handelt sich um eine mehrfach ungesättigte Fettsäure, die zu den sogenannten Omega-6-Fettsäuren gehört.
Mithilfe einer entsprechenden Ernährung kann man Rheuma, bzw. die Rheumatoide Arthritis zwar nicht heilen. Doch das Beachten einiger Regeln kann dabei helfen, die Entzündung zurückzudrängen und das Fortschreiten der Erkrankung zu verzögern. Dabei soll die Bildung bestimmter Entzündungsmediatoren, d. h. Entzündungsvermittler, verhindert werden. Dies sind sogenannte Eicosanoide (v. griech. „zwanzig"), also Substanzen, die aus 20 Kohlenstoffeinheiten zusammengesetzt sind und hormonähnlich wirken. Die für Rheumatiker wichtigen Eicosanoide heissen Prostaglandine, Leukotrine sowie Thromboxane und werden im Körper aus Arachidonsäure gebildet. Diese Säure ist auch nötig, um den Entzündungsprozess zu unterhalten. Ein geringer Arachidonsäuregehalt im Körper bedeutet weniger Entzündung und Schmerzen, denn ohne sie können die Entzündungsvermittler nicht gebildet werden.
Die Arachidonsäure hat nützliche und wichtige Aufgaben in unserem Körper (sieht man einmal davon ab, dass sie die Basis für Entzündungsvermittler bietet). Im Unterschied zu anderen Fetten wird sie jedoch nicht zur Energiegewinnung zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut. Unsere Körperzellen nehmen die Arachidonsäure unverändert auf – ohne sie abzubauen. In den Zellen reguliert sie dann die Verformbarkeit der Zellen, steuert Signalwege und ist die Ausgangssubstanz wichtiger Gewebshormone und Botenstoffe, welche wiederum der Zellantwort und Zellreaktion in allen Organen des Körpers dienen.
Tatsächlich vom Organismus gebraucht werden gerade mal 10 mg Arachidonsäure pro Tag.
In der Nahrung kommt die Säure zum einen direkt in Fleisch und anderen tierischen Produkten vor, nicht in Pflanzen. Die Arachidonsäure selbst ist ganz offensichtlich nicht das Problem, jedoch ihre Folgeprodukte, die im Rahmen der Stoffwechselvorgänge im Körper gebildet werden. Sie fördern die Entzündungsreaktion bei der rheumatoiden Arthritis. Führt man dem Körper über die Nahrung weniger Arachidonsäure zu, stehen weniger Ausgangsstoffe für eine mögliche Entzündungsreaktion zur Verfügung.
Den Arachidonsäuregehalt verschiedener Lebensmittel können Sie anhand der folgenden Liste erkennen.
Lebensmittel (je 100 g verzehrbarer Anteil) / mg Arachidonsäure
Die Zufuhr geringer Mengen an Arachidonsäure verhindert, dass der Körper selbst diese entzündungsfördernde Fettsäure bildet. Das bedeutet jedoch auch, dass eine ausschliesslich vegetarische Ernährung für Rheuma-Betroffene keine Vorteile bringt – wenig tierische Produkte hingegen schon. Wichtig ist, Milchprodukte für eine ausreichende Kalziumversorgung aufnehmen. Dies geschieht am besten mit fettreduzierten Milchprodukten.
Gicht ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der der Haushalt der im Blut enthaltenen Harnsäure gestört ist. Erblich bedingt wird zu viel Harnsäure (mehr als 6,5 mg Harnsäure in 100 ml Blutflüssigkeit) gebildet und zwar aufgrund einer Störung des sogenannten Purinstoffwechsels.
Bei 99 Prozent der Betroffenen wird zu wenig Harnsäure über die Nieren ausgeschieden. Deshalb reichert sich die Säure im Blut an. Aus dem Überschuss an Harnsäure entstehen scharfkantige Kristalle, die sich in den Gelenken und auch in Weichteilen ablagern und dort Schäden anrichten.
Auf Dauer werden die Gelenke durch die entstehende Entzündung und die scharfen Kristalle zerstört. Man sieht dies auch daran, dass die Gelenke dick und knotig werden.
Um die Krankheit Gicht zu begreifen, ist es wichtig, die Körpervorgänge bei dieser Krankheit zu kennen. Dann versteht man auch, welche Ursache die Krankheit hat und wie sie sich entwickelt. Das erklärt dann, warum man sich purinarm ernähren sollte. Dafür ist ein tieferer Einblick in die Biologie des Menschen erforderlich.
Grössere Lebewesen setzen sich aus Abermillionen von mikroskopisch kleinen Zellen zusammen. Diese Zellen enthalten Zellkerne. Dort findet man die Erbsubstanz DNA (Desoxyribonukleinsäure). Die DNA setzt sich unter anderem aus chemischen Verbindungen zusammen, die man Purine nennt und die eine der Hauptrollen bei der Gicht spielen. Sind die Purine in die Erbsubstanz eingebunden, passiert noch nichts. Isst man jedoch zum Beispiel Lebensmittel, die viele Zellen und Zellkerne enthalten, beispielsweise Innereien, werden die Zellkerne bei der Verdauung geknackt. Dann werden die Erbsubstanz und somit die Purine (speziell die Purinbasen, genannt Adenin und Guanin) frei und gelangen ins Blut. Dies gilt auch, wenn körpereigene Zellen abgebaut werden. So lebt eine Darmzelle nur ein bis zwei Tage, eine Hautzelle zwei bis vier Wochen; viele andere Körperzellen regenerieren sich innerhalb eines Jahres. Zahlreiche Körperzellen sterben zum Beispiel beim Fasten oder einer sehr raschen Gewichtsabnahme ab.
Es ist also gleichgültig, ob man die Purine isst oder sie durch Abbau von Zellen im eigenen Körper entstehen. Diese Purine werden im Körper biochemisch umgebaut und über Zwischenstufen in Harnsäure umgewandelt. Die überschüssige Harnsäure wird zu 80 Prozent über die Nieren und den Harn ausgeschieden, zu etwa 20 Prozent über den Darm.
Unser Stoffwechsel produziert etwa 300 bis 400 Milligramm Purine pro Tag. Über die Nahrung kommen dann täglich zwischen 300 und 600 Milligramm hinzu.
Besonders viele Purine sind enthalten in Innereien, Fleisch, Wurst, Fisch, vor allem in der Tierhaut, Meeresfrüchten sowie Hefe. Etwa 60 Prozent der aufgenommenen Purine stammen aus Fleisch.
Wenn der Purinstoffwechsel gestört ist, steigt die Harnsäurekonzentration an. Sie ist das Ergebnis aus dem Gleichgewicht zwischen der körpereigenen Bildung (85 Prozent) und der Zufuhr von Purinen über die Nahrung (15 Prozent) sowie der Harnsäureausscheidung. Letzteres betrifft ungefähr 30 bis 70 Prozent der aufgenommenen Purine.
Bei der sogenannten Hyperurikämie oder Gicht kann die Harnsäurekonzentration bis zum zigfachen der „gesunden" Menge ansteigen.
Unter Harnsäure versteht man also die saure Substanz, die aus den Purinen der Erbsubstanz gebildet wird. Die Purine werden im Körper bei der Zellvermehrung benötigt, um die Erbinformation zu übertragen. Sie sind für den Aufbau neuer Zellen erforderlich. Bei ihrem Abbau werden sie vom Stoffwechsel in Harnsäure umgewandelt, die beim gesunden Menschen hauptsächlich über den Urin ausgeschieden wird, darum auch der Begriff „Harn" in der Harnsäure.
Generell ist immer eine gewisse Menge Harnsäure im Blut vorhanden. Das bedeutet, dass sie völlig normal ist und Gesunden nicht schadet. Ist dagegen zu viel Harnsäure im Blut, wird es problematisch.
Man gibt die Harnsäuremenge im Blut in ml oder mg/100 ml Blutflüssigkeit an. Die Normalwerte bei Gesunden sind folgende (die Werte variieren je nach Quelle):
Harnsäure bei Gesunden, mg in 100 ml Blutflüssigkeit
Zwischen 6,5 und 6,8 mg Harnsäure pro 100 ml Blutflüssigkeit sind bei der üblichen Körpertemperatur von 37 °C in der Blutflüssigkeit gut löslich, ohne dass es zu Störungen kommt. Ab 6,5 mg Harnsäure pro 100 ml Blutflüssigkeit bilden sich die schädigenden Harnsäure-Kristalle, die über das Blut durch den ganzen Körper getragen werden. Schliesslich lagern sie sich in Gelenken und Weichteilen wie die Niere ab und es entsteht Gicht. Ohne Ernährungsumstellung und/oder Medikamente bilden sich immer mehr davon. Diese scharfkantigen Kristalle reizen dann das Gewebe in den bewegten Gelenken. Durch diese Reizung strömen Immunzellen ein und setzen Botenstoffe frei, die eine Entzündung hervorrufen.
Leider haben fast 30 Prozent der Männer mehr als 6,5 mg Harnsäure im Blut, Frauen hingegen etwa 2,5 mg. Um die Bildung der Harnsäurekristalle zu verringern, ist eine purinarme Ernährung erforderlich.
Auch als Gicht-Betroffener sollten Sie sich ausgewogen und gesund ernähren. Frisches Obst und Gemüse sind ideal. Sie enthalten wertvolle pflanzliche Eiweiße, sind reich an Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und sekundären Pflanzenstoffen, die nicht nur krebsvorbeugend wirken.
Wichtig ist:
Lebensmittel / Harnsäure (mg/100 g)
Umrechnungshilfe:
1 mg Harnsäure = 0,42 mg Purine
1 mg Purine = 2,4 mg Harnsäure
Anhand der Liste können Sie purinreiche Lebensmittel leicht erkennen. Diejenigen mit einem Gehalt von mehr als 250 mg Harnsäure sollten Sie besser ganz meiden, vor allem Innereien.
Eine sinnvolle Lebensmittelauswahl besteht aus einer fettarmen, ovo-lacto-vegetarischen Ernährung. Vegetarisch deshalb, da Pflanzen bis auf wenige Ausnahmen wie Hülsenfrüchte (Soja, Linsen, Bohnen) deutlich weniger Purine enthalten als Fleisch oder Fisch. In Studien wurde festgestellt, dass der Puringehalt pflanzlicher Lebensmittel keinen negativen Einfluss ausübt. Dies erklärt, warum Vegetarier vergleichsweise seltener an Gicht leiden und dies, obwohl sie häufig purinreiche Lebensmittel wie Nüsse, Pilze und Hülsenfrüchte wie Soja, Bohnen und Erbsen essen.
Lebensmittel / Harnsäure (mg/100 g, bzw. ml)
Liste: Harnsäuregehalte unter 80 mg pro 100 g Lebensmittel
Streng purinarm sollte man sich ernähren, wenn man zum Beispiel keine harnsäuresenkenden Medikamente einnehmen kann oder will. Hält man sich an diese Empfehlungen, lässt sich der Harnsäurespiegel effektiv senken. Medikamente können dann überflüssig werden.