Fett macht fett und ist ungesund, so der Leitspruch der Light-Generation. Also keine Angst vorm Fett, wenn immer mehr Menschen vom Kindes- bis ins hohe Alter immer dicker werden? Darüber, wieviel und welches Fett man essen soll und darf, herrscht grosse Unsicherheit.
Ingrid Zehnder, 03.4
Fett scheint Geschmackssache. Doch nicht nur das: auf keinem anderen Gebiet der Ernährung herrscht so viel Unwissenheit wie bei den Fetten. Viele haben noch nie etwas von Qualitätsunterscheiden bei Fetten gehört, nicht allen ist der Unterschied zwischen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren bewusst.
Bereits die Muttermilch hat einen Fettanteil von 51 Prozent. Denn Fett liefert dem Körper Energie und enthält lebenswichtige Nährstoffe, die unser Körper nicht mit anderen Lebensmitteln aufnehmen kann. Fett ist auch notwendig für die Verwertung der Vitamine A, D, E und K, die nur in Fett löslich sind. Fett ist ein wesentlicher Bestandteil aller Zellmembranen, allein unser Gehirn besteht zu 70 Prozent aus Fett, das dazu dient, die Nervenzellen zu isolieren. Davon abgesehen sorgt Fett als Aromaträger dafür, dass Speisen sich im Mund gut anfühlen und schmecken.
Das im Blut messbare Fett lässt sich in zwei Gruppen unterscheiden: Triglyzeride und Cholesterin.
Triglyceride sind die Hauptbestandteile von Fetten, die wiederum aus den einzelnen Fettsäuren bestehen, die wir mit der Nahrung zu uns nehmen. Ist zu viel Nahrungsfett vorhanden, wird es in den Fettdepots eingelagert.
Alle Nahrungsfette (Lipide) sind chemisch nach dem selben Muster aufgebaut: Sie bestehen aus Glyzerin und Fettsäuren. An ein Glyzerin-Molekül sind drei Fettsäuren gebunden (Triglyzerid). Die verschiedenen Fettsäuren unterscheiden sich voneinander durch die Anzahl kettenförmig aneinander gereihter Kohlenstoffatome (kurzkettig, langkettig) sowie durch die Anzahl und Position der in dieser Kette enthaltenen Doppelbindungen (gesättigt, ungesättigt). Man unterscheidet:
Cholesterin wiederum lässt sich grob in zwei Arten unterteilen: Lipoproteine hoher Dichte (High Density Lipoprotein, HDL) transportieren überschüssiges Fett in die Leber, wo es abgebaut wird. Lipoproteine niedriger Dichte (Low Density Lipoprotein, LDL) bringen dagegen das Fett von der Leber zu den Zellen. Cholesterin wird zu fast 80 Prozent in Leber und Darm gebildet, kann aber auch über die Nahrung aufgenommen werden. Sind die Zellen ausreichend mit Fett versorgt, schwimmt das überschüssige LDL weiter im Blut, was zu einer Atherosklerose führen kann. HDL gilt daher als das "gesunde", LDL dagegen als das "schädliche" Cholesterin. Doch ganz so einfach ist es nicht.
Tierische Lebensmittel (mit Ausnahme von Fisch) enthalten nicht nur vorwiegend gesättigte Fettsäuren (kurz: gesättigte Fette), sondern auch Cholesterin. Eine Ernährung mit viel Fleisch, Eiern, fettem Käse und anderen fetthaltigen Milchprodukten kann zu einem Anstieg des Cholesterinspiegels und in der Folge zu einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten führen.
Ein Risikofaktor der Arteriosklerose, der Triglyceridgehalt im Blutplasma, wird ebenfalls durch eine hohe Zufuhr gesättigter Fettsäuren gesteigert. Ganz allgemein gilt, dass eine zu hohe Energiezufuhr zu einem Anstieg von Cholesterin- und Triglyceridkonzentrationen im Blut führt. Unter den Pflanzenfetten bilden Kokos-, Palm- und Palmkernfett insofern eine Ausnahme, als sie viel gesättigte Fette enthalten. Gesättigte Verbindungen wandern meistens sofort in die Fettdepots. Ungesättigte Verbindungen werden demgegenüber bei den organischen Bauprozessen eingesetzt und liefern für unseren Körper wichtige Bestandteile.
In pflanzlichen Ölen kommt kein Cholesterin vor, dafür sind sie reich an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Einfach ungesättigte Fettsäuren senken die Konzentration des ungünstig wirkenden LDL-Cholesterins, wenn sie gesättigte Fette in der Nahrung ersetzen, z.B. wie in der Mittelmeerkost, indem auf das Tomatenbrot statt Butter einige Tropfen Olivenöl kommen.
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren können das LDL-Cholesterin demgegenüber aktiv senken. Allerdings bleibt auch das «gute», weil herzschützende HDL-Cholesterin nicht unangetastet, doch die mehrfach ungesättigte Fettsäure Linolsäure senkt es stärker als die einfach ungesättigte Ölsäure. Nicht zuletzt diese Tatsache hat den guten Ruf der Mittelmeerkost gefestigt, die ja häufig das einfach ungesättigte Olivenöl verwendet.
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind in fast allen fetthaltigen Pflanzen zu finden. Zwei davon, die Linolsäure (eine Omega-6-Fettsäure) und die alpha-Linolensäure (eine Omega-3-Fettsäure) nennt man essentiell da sie für Wachstum und Funktion unseres Körpers unentbehrlich sind, aber vom menschlichen Organismus nicht produziert werden können.
Omega-3-Fettsäuren verbessern die Fliesseigenschaften des Blutes, halten die Arterien elastisch und wirken sowohl gerinnungs- also auch entzündungshemmend. So beugen sie arteriosklerotischen Gefässveränderungen vor und senken das Risiko für die Entstehung eines Schlaganfalls.
Die Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure kann im Körper zu den langkettigen Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA), die bedeutsame Funktionen im Organismus erfüllen, umgewandelt werden. Bei einer an trans-Fettsäuren- und/ oder linolsäurereichen Kost kann diese Umwandlung behindert werden. Das optimale Verhältnis zwischen Linolsäure und alpha-Linolensäure beträgt etwa 5:1.
Alpha-Linolensäure kommt in Spuren in vielen pflanzlichen Ölen und grünen Blattgemüsen vor. Viel Linolensäure enthalten Weizenkeim-, Raps- und Sojaöl, Leinsamen, Walnüsse und Sojaprodukte. Die Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) finden sich in fetten Meeresfischen.
Grüne Blattgemüse haben zwar geringe Fettanteile, aber ein exzellentes Verhältnis von Linol- zu alpha-Linolensäure. Die wichtigste Nahrungsquelle für EPA und DHA sind Seefische und Lebertran. Fischöle können Rheumabeschwerden lindern, da sie indirekt Entzündungen hemmen.
Quellen für Omega-6-Fettsäuren: Lein-, Hanf-, Sonnenblumen-, Distel-, Saflor- und Sojaöl haben die höchsten Linolsäure-Anteile. Ausserdem: Maiskeim-, Weizenkeim- und Sesamöl, viele Nussarten, Esskastanien, Sojabohnen und -mehl.
Ganz genau weiss das niemand. Es gibt aber Erfahrungswerte und Empfehlungen der Gesellschaften für Ernährung in den jeweiligen Ländern, welche raten, die von gesunden Erwachsenen täglich aufgenommenen Kalorien (bzw. Joules) sollten zu 55 Prozent aus Kohlenhydraten, zu höchstens 30 Prozent aus Fett und zu 15 Prozent über Eiweiss gedeckt werden.
30 Prozent der Energie entsprechen z.B. bei einer Gesamtenergiezufuhr von 2400 Kalorien (10 MJ) für Männer mit leichter bis mittelschwerer körperlicher Arbeit einer täglichen Portion von 80 Gramm Fett. Die deutsche, österreichische und Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (DACH) erachtet ein Unterschreiten dieses Werts um bis zu fünf Prozent nicht nur als unbedenklich, sondern als günstig. Tatsache ist aber, dass die durchschnittlich gegessene Fettmenge die empfohlene Menge von 80 Gramm bei weitem überschreitet. Die Crux dabei ist, dass wir viel «unsichtbares» Fett essen, das sich in Wurst, Käse, Knabberzeug, Süss- und Mehlspeisen hinterlistig versteckt. Da sich das versteckte Fett der Speisen am Körper jedoch kaum mehr verbergen lässt, ist eine weitere Empfehlung der Ernährungsexperten, höchstens die Hälfte der pro Tag «erlaubten» 80 Gramm Fett als sichtbares Speisefett aufzunehmen.
Dick wird bekanntlich, wer mehr Energie verspeist als er verbraucht. Das «Übel» beim Fett ist, dass es eine Energie- bzw. Kalorienbombe ist: ein Gramm Fett liefert mit neun Kalorien (38, 1 kJ/g) doppelt so viel Energie wie die gleiche Menge Kohlenhydrate. Die Dicken, die immer beteuern, gar nicht viel zu essen, schwindeln nicht. Ein Wiener Würstchen oder eine halbe Cervelat sind ja nun wirklich nicht viel, haben aber 500 bzw. 814 Kalorien. Das ist der «Gegenwert» von 10 bzw. 16 Äpfeln oder einer Riesen-Portion Vollreis mit Gemüse.
Aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren kann der Organismus Prostaglandine herstellen. Das sind Botenstoffe, die unter anderem den Blutdruck, die Blutgerinnung, den Salz- und Wasserhaushalt und eben auch die Entzündungsneigung bestimmen. Wir benötigen Prostaglandine, die Entzündungen fördern, damit wir uns gegen Infektionen wehren können. Wir brauchen aber auch Prostaglandine, die Entzündungen wieder bremsen können.
Entzündungsfördernde Botenstoffe werden aus den Omega-6-Fettsäuren Linol- und Arachidonsäure gebildet. Omega-3-Fettsäuren favorisieren den Aufbau entzündungshemmender Botenstoffe. Rheumatiker sollten wissen, dass durch eine hohe Zufuhr an Omega-3-Fettsäuren bei gleichzeitig geringer Zufuhr an Linol- und Arachidonsäure wenige entzündungsfördernde und viele entzündungshemmende Prostaglandine entstehen.
Das bedeutet nicht, dass Arthritispatienten sich völlig ohne Omega-6-Fettsäuren ernähren sollten. Das ist weder nötig noch sinnvoll, denn wie wir erfahren haben, ist die Linolsäure lebensnotwendig. Wenn Sie Entzündungen eindämmen oder sich dagegen wappnen möchten, sollten Sie das Gleichgewicht zwischen Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren eindeutig zugunsten der Omega-3-Fettsäuren verschieben (Minimum: Verhältnis bei 1:1, besser 1:3). Viele, wenn auch nicht alle Rheumatiker profitieren von folgenden diätetischen Massnahmen: