Der jährliche weltweite Fischkonsum überstieg 2016 erstmals die Marke von 20 Kilo pro Kopf. In der Schweiz liegt sie bei 9,1 Kilogramm. Ganz oben auf dem Speisezettel stehen bei uns Thunfisch, Crevetten oder Lachs. Hauptgrund für den grossen Zuwachs sind Aquakulturen, die Aufzucht in Gehegen im offenen Meer oder in Teichen.
Text: Tino Richter, 4.17
Laut der UN-Ernährungsorganisation FAO sind jedoch über 30 Prozent der Fischgründe überfischt und mehr als 60 Prozent werden bis an ihre Grenzen genutzt. Besonders im Mittel und Schwarzen Meer ist die Lage prekär: 59 Prozent der Bestände werden dort nicht nachhaltig befischt. Obwohl hinsichtlich des Artenschutzes und der Nachhaltigkeit einige positive Entwicklungen zu verzeichnen sind, hat sich die Situation insgesamt nicht verbessert. Der Anteil der Fischzucht an der weltweiten Fischproduktion beträgt mittlerweile über 44 Prozent – ein Anstieg von über 40 Prozent gegenüber 2004. Zwar schwächt sich dadurch der Wildfang ab, doch bringen die Aquakulturen weitere Probleme mit sich: Bis zu 75 Prozent des Fischfutters besteht aus Fischmehl und Öl. Und dieses wird aus anderen Fischen gewonnen. Pro Jahr landen allein 20 Mio. Tonnen Kleinfische als Fischfutter in den schwimmenden Fabriken. Das sind mehr als ein Fünftel der weltweit jährlich gefangenen Tonnen (93,4 Mio.). Um also den hierzulande begehrten Lachs satt zu bekommen, wird laut der Umweltschutzorganisation Greenpeace dreimal so viel Futterfisch benötigt. Übrigens: Der als gesund gepriesene Lachs enthält die vielfach beworbenen Omega3Fettsäuren nur, weil sich seine Beute von Algen ernährt.
Ein ganz anderes Problem ergibt sich aus dem im Fischfutter enthaltenen Konservierungsmittel Ethoxyquin. Der Stoff wurde 2011 in der EU als Pflanzenschutzmittel verboten, als Konservierungsmittel für Fischfutter ist er aber seltsamerweise weiterhin erlaubt. Ethoxyquin ist toxisch und reichert sich u.a. im Fettgewebe und in der Muttermilch an. Zwar existiert für Gemüse und Fleisch ein Grenzwert von 50 Mikrogramm (μg)/Kilo, für Fischfutter jedoch nicht. Je nach Messmethode kommen Untersuchungen von im Handel erhältlichem Lachs auf fünf bis 881 μg pro Kilo. BioLachse enthalten dagegen keine oder nicht mehr als 16 μg/Kilo (Greenpeace, 2016). Noch sind sich Wissenschaftler uneins darüber, wie gefährlich der Stoff wirklich ist. Für die EU fehlt es an Daten, um eine abschliessende Bewertung der Sicherheit für Verbraucher vornehmen zu können. Langzeittests zu möglichen Auswirkungen von Ethoxyquin auf den menschlichen Organismus gibt es nicht und selbst wenn der Stoff für sich alleine womöglich keine gesundheitliche Gefährdung darstellt, könnte er in Kombination mit anderen Schadstoffen problematisch sein.
Bei Fischen, die pflanzlich ernährt werden (z.B. mit Soja oder Lupineneiweiss), verlagert sich das Problem vom Wasser auf das Land. Soja weist eine schlechte CO2-Bilanz auf und stammt teilweise aus genmanipuliertem Saatgut. Hinzu kommt, dass Futterpflanzen zusätzliches Ackerland benötigen. Die Fütterung in den Aquakulturen fördert die Überdüngung, was wiederum zu vermehrtem Algenwachstum und Wasserverschmutzung führt. Und auch die Haltungsbedingungen von Zuchtfischen in zu kleinen Käfigen, die Gabe von Antibiotika und die nicht artgerechte Nahrung sind problematisch.
Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.
Bisher gibt es keine einheitliche Bewertung des ökologischen Fussabdrucks der Fischzucht. Laut Holger Kühnhold vom Leibniz Zentrum für Marine Tropenökologie ist die CO2-Bilanz bei der Aquakultur viel besser als bei Rind oder Schwein. Um eine Tonne Rindfleisch zu produzieren, werden 25 Tonnen CO2 ausgestossen, bei der Schweinezucht sind es zehn Tonnen und bei der Lachszucht fünf Tonnen. Shrimps und Garnelen verbrauchen wiederum mehr als die Lachszucht, aber immer noch weniger als bei Rindern.
Der Verein Fair Fish rechnet dagegen vor, dass die Fischmast vergleichbar viele pflanzliche Futterkalorien benötigt wie Huhn- und Schweinemast. Der Wasserverbrauch hängt entscheidend mit dem Haltungssystem zusammen und kann sogar höher sein. Nur gemessen an der Rindermast schneidet die Aquakultur viel besser ab. Aber: Für die Shrimps-Zucht werden laut Greenpeace rund vier Kilo Fischmehl benötigt, um ein Kilogramm Shrimps zu erhalten. Zusätzlich werden hierfür Mangrovenwälder abgeholzt und es kommt zu einer Versalzung des Grundwassers.
Die Aquakultur ist also insgesamt gesehen nicht ökologischer als andere Formen der Massentierhaltung. Sie hilft jedoch, die steigende Nachfrage zu bedienen und dämpft den Druck auf die Wildbestände, sofern es sich um Friedfische handelt. Laut FAO stammt die Hälfte der weltweiten Aquakultur-Produktion von Arten, die nicht mit Fischen gefüttert werden, z.B. von Karpfen und Tilapien. Hierzu zählen aber auch Krebse, Muscheln und Mikroalgen.
Es gibt viele Bestrebungen, die Wirtschaftlichkeit der Fischerei zu steigern, z.B. indem Fischreste und Beifänge besser ausgenutzt werden. 30 bis 70 Prozent des Fischfangs sind Reste, und schon jetzt bestehen 35 Prozent des gewonnenen Fischöls aus Abfällen wie Organen, Knochen oder Köpfen. Diese haben durchschnittlich einen höheren Anteil an Vitaminen, Mineralstoffen sowie Omega-3-Fettsäuren. Als Futterquellen für Raubfische werden auch Schlachtabfälle, Tiermehl, Insekten, Bakterien und Algen in Betracht gezogen. Greenpeace empfiehlt die Förderung der Küstenfischerei, welche umweltschonender agiert und im Gegensatz zur industriellen Fischerei nicht für die Überfischung verantwortlich ist.
Besonders interessant sind zwei Weiterentwicklungen der Aquakultur, die aber bis jetzt im Weltmassstab zu klein sind, um echte Alternativen zu sein. Aquaponik
beruht auf einem geschlossenen Wasser- und Nährstoffkreislauf, so dass das Wasser nicht mehr ausgetauscht werden muss, sondern durch die Nährstoff anreicherung als anorganisches Substrat für die Pflanzenzucht bereitsteht. Damit wird nicht nur Wasser gespart, sondern gleichzeitig einer Überdüngung vorgebeugt. Polyaquakultur ist eine nachgebildete Nahrungskette aus Algen, Muscheln und verschiedenen Fischarten. So wird artgerechtes Futter ohne zusätzliche Futterfische bereitgestellt.
Wer sich den aktuellen Fischratgeber der Umweltschutzorganisation Greenpeace anschaut, sieht bis auf wenige Ausnahmen wortwörtlich nur Rot. Der WWF kommt teilweise zu anderen Empfehlungen (Weblinks in der rechten Spalte). Einziger unproblematischer Fisch ist der Karpfen (Cyprinus carpio). Als Friedfisch ernährt er sich von Insektenlarven und Pflanzen. Die Nachteile: viele Gräten, und das Aroma ist von der Jahreszeit abhängig. Aufgrund der von ihm verzehrten Blaualgen schmeckt er im Sommer nicht, sondern nur im Winter (September bis April).
Güesiegel wie der Marine Stewardship Council (MSC) haben einerseits zu einer Verbesserung der Situation gefürt: Dank der Zertifizierungen erholen sich die Bestände des Alaska-Seelachs im Golf von Alaska wieder. Andererseits sind sie keine Garantie für eine wirklich nachhaltige Fischerei. Das Label des Aquaculture Stewardship Council (ASC) erlaubt beispielsweise die Abgabe von Antibiotika sowie Ethoxyquin. Der MSC verbietet das Fischen mit Grundschleppnetzen, die den Meeresboden und damit den Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten zerstören, nicht grundsätzlich. Beide Gütesigel stellen jeweils Kompromisse zwischen Industrie, Tier- und Umweltschutzorganisationen dar.
Fischfutter aus Resten der Speisefischverarbeitung oder nachhaltiger Fischerei; frei von Ethoxyquin und keine präventive Abgabe von Antibiotika. Nachteil: Nur künstlich ernährte Fische in Käfighaltung erhalten das Bio-Label. Daher sind nachhaltig gefischte Wildfische in natürlicher Umgebung aus dem Meer oder deutschen bzw. Schweizer Seen einem Bio-Zuchtfisch vorzuziehen. | |
Stellt konsequent das Tierwohl in den Mittelpunkt, unterstützt Fischzucht nur, wenn dafür keine Wildbestände gefährdet werden. | |
Ökologischer und sozialer als MSC, aber nicht transparent genug. | |
Fischmehl und -öl für das Fischfutter stammt aus ökologisch verantwortungsvollen Quellen; Abgabe von Antibiotika und Ethoxyquin gestattet. Kontrolle der Verschmutzung der Gewässer. | |
Wichtigstes Label für Wildfang; ursprünglich von WWF und Unilever gegründet mit Fokus auf Erhalt bestimmter Bestände; transparent, aber zu schwache Umweltstandards: Grundschleppnetze und Langleinen erlaubt; teures Zertifizierungsverfahren. |
Positiv ist aus Sicht der FAO hervorzuheben, dass weltweit mehr Menschen Zugang zu hochwertigem Protein und mehrfach ungesättigten Fettsäuren haben. Die Fangmenge, die nicht für die Nahrung bestimmt ist, sank von 34,2 (1994) auf 20,9 Mio. Tonnen (2014). Einerseits aufgrund der Zunahme durch Aquakulturen, andererseits aber auch durch geringere Mengen an Futterfischen sowie eine «bessere» Ausnutzung der Beifänge. Greenpeace empfiehlt, nur noch maximal einmal im Monat oder gar keinen Fisch zu essen. Wer seltener Fisch isst, hilft nicht nur den Fischbeständen, sondern auch jenen fast 800 Millionen Menschen, die nur eingeschränkten Zugang zu lebenswichtigen Nährstoffen haben. Pflanzliche Lebensmittel wie Algen oder Leinsamen stellen nicht nur aus europäischer Sicht eine gute Alternative für die Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren dar. Für Fischliebhaber aber heisst das, noch genauer hinzuschauen.
Beim Fischkauf ist neben Frische und Gütesiegeln auf folgende Angaben auf der Verpackung bzw. beim Händler zu achten: Handelsname und lateinischer Name, Fanggebiet nach FAO, Subfanggebiet und Fangmethode.