Klingt komisch, ist aber so: Ohne bestimmte Schimmelpilze und Bakterien wären viele Käsesorten nur halb so schmackhaft.
Dass bei Gorgonzola und Roquefort Schimmelpilze im Inneren das bläulich-grüne Geäder formen, ist vielen wohlbekannt. Dass es aber auch Schimmelpilze sind, die die weisse Rinde auf der Oberfläche von Brie, Camembert und Co. schaffen, wird einige überraschen.
Autorin: Ingrid Zehnder, 01.15
Schon allein beim Wort Schimmel dreht sich mancher Magen um. Die Wissenschaft ist sich einig: Von Schimmel befallene Lebensmittel gehören in den Müll. Die alte Küchenregel, man dürfe zum Beispiel im Konfitüreglas oder auf dem Quark die (grünweissliche) Schimmelschicht grosszügig entfernen und den Rest dann noch verwenden, ist überholt. Denn unsichtbare Zellfäden können bereits gefährliche Mykotoxine produziert haben, die nichts anderes als Ausscheidungsprodukte der Schimmelpilze sind. Mykotoxine wirken krebserregend und schädigen Herz, Leber, Nieren und das Zentralnervensystem.
Völlig anders verhält es sich mit den sogenannten Edelschimmelpilzen in der Käseproduktion. Sie sind absolut sicher und gefährden in keiner Weise die Gesundheit. Im Gegenteil – sie wirken konservierend und sorgen neben anderen Komponenten für das spezielle Aroma.
Hätten Sie gewusst, dass die Griechen die grössten Käseliebhaber Europas sind? Der Pro-Kopf-Konsum im Land der Ziegen- und Schafskäse lag 2010 bei 31 Kilogramm. Edelschimmelpilze spielen in Griechenland allerdings keine Rolle. Auf dem zweiten Platz der Käsefans liegen seit
Jahren die Franzosen mit einem Pro-Kopf-Konsum von 26,2 Kilo im Jahr 2012. Auf dem dritten Rang folgen – nein, nicht die Schweizer – die Deutschen mit 24,4 Kilogramm pro Kopf im Jahr 2013. In der Schweiz liegt der Durchschnittsverbrauch 2013 bei 21,3 Kilogramm; mit grossem Abstand wird hier am meisten Mozarella verzehrt, dann folgen Gruyère AOP, Emmentaler und, schon deutlich abgeschlagen, Tilsiter*.
Nur in Frankreich spielen die Edelschimmelkäse eine grössere Rolle, denn hier liegt immerhin der Camembert auf Platz zwei der beliebtesten Käse, und Brie, Roquefort und Münster befinden sich ebenfalls unter den bekanntesten.
* Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF / Bundesamt für Landwirtschaft BLW gibt 2013 als Quelle an: Milchstatistik der Schweiz SBV, TSM, SMP, SCM.
Man unterscheidet zwischen Blauschimmelkäsen wie Roquefort und Gorgonzola, Weissschimmelsorten wie Camembert und Brie und Rotschimmellaiben wie Limburger und Saint Albray. Bei den zur Käseherstellung verwendeten Schimmelpilzen handelt es sich um speziell ausgewählte Zuchtformen, die keinerlei gesundheitsgefährdendes Potenzial mehr aufweisen.
Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.
Der feine, weisse Flaum auf der Oberfläche von Brie und Konsorten bildet sich mit Hilfe der Schimmelpilze namens Penicillium camemberti bzw. Penicillium candidum. Der weisse, trockene Pilzbelag wird mit zunehmendem Alter gelblich-bräunlich und etwas schmierig. Ob man diese Rinde noch mitessen mag, ist reine Geschmackssache.
Beim Camembert werden der Kesselmilch neben Milchsäurebakterien die Schimmelpilze beigegeben; seltener werden erst die geformten Käselaibe mit den Schimmelpilzkulturen besprüht. Penicillium camemberti wächst auf der Oberfläche, daher vollzieht sich die Käsereifung von aussen nach innen. Doch dringt nicht der Pilz in den Käse ein, sondern die von ihm produzierten Enzyme. Nach sechs bis zehn Tagen ist der Käse auch im Inneren reif.
Der Camembertschimmel hat verschiedene Funktionen: Zum einen entsäuert er den Käse durch den Abbau der Milchsäure, was dem Aroma zugute kommt, und fördert geschmacksbildende Bakterien und Enzyme; zum anderen bildet der dichte Schimmelrasen auf der Oberfläche einen Schutz gegen fremde, unerwünschte Schimmel.
Verschiedene Arten des Schimmelpilzes Penicillium roqueforti kommen überall auf der Welt im Boden, in der Luft und auf Pflanzen vor; man findet ihn sogar im ewigen Eis. Jede von uns kennt ihn als Lebensmittelverderber bei (Erd-)Nüssen, Brot und Früchten. Das erste Antibiotikum, das von Sir Alexander Fleming 1928 entdeckte Penicillin, wurde aus dieser Schimmelpilzart gewonnen.
Bei der Käseproduktion wird der Pilz zur Veredelung von Blauschimmelkäse eingesetzt. Beispielsweise werden die Sorten Roquefort, Gorgonzola, Bleu d’Auvergne, Blue Stilton, Bavaria Blu oder Cambozola mit Hilfe dieser Schimmelpilzart produziert. Da sie häufig auf Roggenbrot vorkommt, wurde sie in der Vergangenheit und wird heute noch beim Roquefort auf Brotlaiben gezüchtet, bis diese gänzlich vom Schimmel durchzogen sind. Das getrocknete, durchschimmelte Brot wird vermahlen und in Flüssigkeit aufgelöst, welche dann in den Käse eingebracht wird. Im Käse stellt Penicillium roqueforti keine Gefahr dar.
Die Schimmelpilzkulturen werden meist der Kesselmilch zugefügt, damit sie sich während des Reifeprozesses im Innern des Käses entwickeln. Da Blauschimmel für sein Wachstum Sauerstoff braucht, wird der Käse nach vier bis sechs Tagen mit langen Hohlnadeln durchstochen, sodass Sauerstoff ins Innere des Laibes gelangt. Im Fachjargon wird dieser Vorgang «Pikieren» genannt. Zudem wird der Käse während der Reifung in feuchten Kellern gelagert oder mit feuchten Tüchern behandelt, denn auch Feuchtigkeit fördert das Wachstum des Schimmelpilzes. Die Reifung dauert ein bis zwei Monate, oft länger.
Ein Rotschmier- oder Rotschimmelkäse wird während der Herstellung mit verschiedenen Substanzen wie Salzlake, Gewürzauszügen, Wein, Bier, Cidre oder Schnäpsen unter Beteiligung des Bakteriums Brevibacterium linens und des hefeähnlichen, in Käsereien allgegenwärtigen Pilzes Milchschimmel (Geotrichum candidum) besprüht, gewaschen oder beschmiert, um die Oberfläche des Käses mit diesen Mikroorganismen zu besiedeln.
Dadurch wird für ein besonders würziges Aroma gesorgt, und es bildet sich an der Oberfläche eine orange-rötliche Rinde. Diese kann sehr unterschiedlich aussehen. Beim Pont l’Evêque, der zu den ältesten französischen Weichkäsen zählt und auf Binsenmatten reift, ist die Rinde zunächst trocken und gelblich-rötlich, bei voller Reife wird sie rissig-krümelig und eher gelb-grau. Beim Münster, dem Weichkäse aus dem Elsass, ist die orangerote Rinde feucht und schmierig.
Bei Hartkäse mit Rotschmiere wie dem Appenzeller oder Tilsiter wird die Rinde nicht mitgegessen, bei Weichkäsen wie dem Münster oder Chaumes gründlich abgekratzt oder weggeschnitten.
Laut der Verbraucherorganisation Foodwatch und dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung verwenden viele Käsehersteller bei Rotschmierekäsen den Stoff Natamycin, der «wie ein Antibiotikum wirke und in der Medizin zur Behandlung verschiedener Pilzinfektionen zum Einsatz komme». Die Verwendung des Anti-Pilzmittels ist nicht verboten, doch raten die genannten Organisationen ausdrücklich vom Verzehr der Rinde ab. Der Käsekonzern Bongrain, der für seinen Saint Albray Natamycin verwendet und lange mit dem Werbeargument «essbare Rinde» vermarktete, musste diese Aussage zurückziehen.
Schwangeren wird aus Vorsicht gänzlich vom Verzehr von Käserinden abgeraten. Alles Käse – Kopien am laufenden Band. Viele, sehr viele Käse sind nach Dörfern oder Regionen benannt, in denen ihre Karriere begann. Ist der Name nicht rechtzeitig geschützt worden, haben Kopisten in aller Welt das Renommée genutzt und auf eigene Faust «Camembert», «Emmentaler » oder «Tilsiter» vermarktet.
Der wohl am meisten kopierte Käse ist Camembert. Der einzig wahre, beste und köstlichste trägt den geschützten Namen «Camembert de Normandie AOP». Er wird nur in der Normandie nach traditioneller Art aus frischer Rohmilch von normannischen Kühen hergestellt und muss mindestens 35 Tage reifen.
Die strengen Vorschriften des Labels AOP (früher AOC) erfüllen nur 4,2 Prozent der gesamten französischen Camembertproduktion. Auch nicht die Käse, die unter dem Namen «Camembert fabriqué en Normandie» verkauft werden – also gut aufs Etikett achten!
Auch Brie wird weltweit häufig nachgeahmt, wobei industriell hergestellter Brie (aus Past-Milch) nicht selten fad und langweilig schmeckt. Die Auszeichnung AOP tragen nur zwei Briesorten aus dem Ursprungsgebiet Ile de France im Departement Seine et Marne: der Brie aus den Kleinstädten Melun und Meaux. Im Vergleich zum Brie de Meaux wird Brie de Melun nur in kleinen Mengen hergestellt.
Seit 1980 mit dem Siegel AOP ausgezeichnet, ist es diesen Bries gelungen, den Traditionen einer Herstellung auf dem Bauernhof treu zu bleiben. Der Brie de Melun soll der ältere «Bruder» des Meaux-Bries sein; sein Format ist kleiner und dicker, sein Geschmack kräftiger und etwas salziger und seine Reifung dauert länger. Beide sind aus Kuhrohmilch hergestellt. Der bekannte Brie de Meaux mit seinem flachen, tortenförmigen Laib hat einen aromatischen, ausgeprägten Geschmack.
Während des Reifeprozesses, der im Minimum vier Wochen dauert, wird der Käse mehrmals von Hand umgedreht. Eine Legende erzählt, dass der französische Diplomat Talleyrand während des Wiener Kongresses 1814 einen Käsewettbewerb ausrief, bei dem Vertreter von 30 Staaten eine typische Käsesorte ihres Landes präsentierten. Der Brie de Meaux soll alle anderen ausgestochen haben und schmückt sich seither mit dem Beinamen «König der Käse».
Gorgonzola wird seit dem 11. Jahrhundert hergestellt und trägt den Namen einer kleinen Ortschaft in der Nähe Mailands. In der Version DOP (denominazione di origine protetta) darf er in sechs Provinzen/ Regionen des Piemonts und zehn der Lombardei aus pasteurisierter Kuhmilch hergestellt werden. Dem Käsebruch werden Kulturen von Penicillium roqueforti hinzugefügt. Die Laibe sind zwischen sechs und dreizehn Kilogramm schwer, und ihre im Ergebnis recht dicke, rötliche Rinde wird regelmässig mit Salzwasser abgewaschen. Der vollfette Weichkäse wird in zwei Sorten hergestellt: dolce (mild, Reifung 60 Tage) und piccante (scharf, Reifung 90 bis 100 Tage).
Die Vielfalt der französischen Blauschimmelkäse ist unerreicht. Herausgreifen möchte ich einen Käse aus Zentralfrankreich, einem Gebiet, das durch das vulkanische Zentralmassiv dominiert wird. Verglichen mit dem Gorgonzola ist die Geschichte des Bleu d'Auvergne jung, denn er wird seit 150 Jahren im Massif central produziert. AOP Bleu wird von zehn Fabrikanten, darunter vier Bauernhöfe, in den Départements Puy-de-Dôme und Cantal aus unpasteurisierter Kuhmilch hergestellt.
Ein zylindrischer Laib hat ein Gewicht von zwei bis drei Kilo. Die Reifung in kühlen und feuchten Kellern dauert mindestens vier Wochen. Der halbfeste Schnittkäse zeichnet sich durch eine sehr gleichmässige Verteilung des Blauschimmels aus und schmeckt milder als der berühmte Roquefort aus roher Schafsmilch.
Ist in Frankreich der Brie der König der Käse, so ist es in England der Blue Stilton PDO (protected designation of origin). Er darf ausschliesslich in Derbyshire, Nottinghamshire and Leicestershire aus lokal gewonnener, pasteurisierter Milch produziert werden. Die zylindrischen Laibe mit einem Gewicht von etwa acht Kilogramm werden in einem besonderen Verfahren hergestellt. Im drei bis zu 18 Monaten dauernden Reifelager wird der Stilton mehrmals pikiert, damit sich die blau-grünen Blauschimmelkulturen von der Mitte aus optimal entwickeln können.
Der Käse hat ein sehr volles Aroma, und sein würziger Geschmack wird mit zunehmender Reife pikanter und manchmal sogar etwas bitter. Wird er zu frisch angeboten, ist der Teig hart und weiss und im Geschmack leicht säuerlich.
In der Schweiz sind Blauschimmelkäse die Domäne kleinerer, spezialisierter Käsereien – beispielsweise der «Bleu de Grangeneuve» aus thermisierter Kuhmilch, das rahmige, milde «Blaue Wunder», der «Blue Dream» aus Schafsmilch, der pikante «Thurblau» aus Rohkuhmilch, der «Züri Blues» aus der besonderen Milch von Jersey-Kühen (Milchviehrasse von der britischen Insel Jersey) oder die «Blaue Geiss», ein mit Penicillium roqueforti sehr stark durchzogener Ziegenkäse.
Die Franzosen begannen damit, bestimmte Käse, wie die Weine, unter dem Gütesiegel «Appelation d'Origine Contrôlée» (AOC) zu vermarkten. Inzwischen wurde daraus «Appelation d'Origine Protégée» (AOP); «kontrolliert» wurde also ersetzt durch «geschützt».
Produkte, die mit dem Zeichen AOP ausgestattet sind, müssen aus einer festgelegten Ursprungsregion kommen und bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. In der Schweiz haben 12 Käsesorten die Bezeichnung AOP, unter ihnen Gruyère, Sbrinz, Tessiner, Glarner und Berner Alpkäse. Deutsch heisst AOP «Geschützte Ursprungsbezeichnung » (g.U.). Für die ganze EU gibt es ein gemeinsames Siegel, jeweils in der Landessprache.