Osteoporose ist eine Volkskrankheit. Nur im Frühstadium ist der Knochenschwund heilbar, die Erkrankung ist aber gut zu behandeln. Auch bei Osteoporose gilt «Vorbeugen ist besser als heilen», und: Gute Ernährung und viel Bewegung sind die wichtigsten Therapiemassnahmen.
Fast acht Millionen Erkrankte sollen es in Deutschland sein, also zehn Prozent der Bevölkerung. In der Schweiz vermutet man rund 600 000 Betroffene. Lange Zeit wurde von Kritikern angeführt, die Angaben zur Häufigkeit des Knochenschwunds seien durch die Pharmaindustrie gesteuert. Doch diese Zahlen stammen von unabhängigen Forschungsinstituten.
Autorin: Dr. Claudia Rawer, 04.13
In 95 Prozent der Fälle handelt es sich um eine primäre Osteoporose, d.h., sie tritt nicht als Folge einer anderen Erkrankung auf. Nur von dieser soll im Folgenden die Rede sein.Osteoporose entsteht, wenn mehr Knochensubstanz ab- als aufgebaut wird. Dies steht in engem Zusammenhang mit dem Alter sowie dem Hormon- und Kalziumstoffwechsel.
Als Hauptursache wird die Abnahme von Östrogen angenommen, die in den Wechseljahren beginnt. Zudem nimmt mit dem Alter die Fähigkeit der Haut ab, Vitamin D zu bilden, an das der Kalziumstoffwechsel gekoppelt ist.
Die Folgen: Knochenmasse und Knochendichte nehmen ab, die Bruchfestigkeit des Knochens sinkt, Deformationen und Brüche können auftreten. Anfangs verläuft die Krankheit zumeist unbemerkt und wird oft eher «zufällig» festgestellt – am häufigsten von Orthopäden und Allgemeinmedizinern, am seltensten von Frauenärzten (die eigentlich über mögliche Folgen der Wechseljahre informiert sein sollten).
Schmerzen treten meist erst dann auf, wenn bereits Wirbel verformt oder Knochen gebrochen sind. Durch das Zusammensinken der Wirbelkörper kommt es nicht selten zu einem Rundrücken und zu einer Abnahme der Körpergrösse. Häufig brechen Handgelenke, Hüften oder Wirbelkörper in der Brustwirbelsäule – da kann schon das Heben einer Tasche oder starkes Husten ausreichen. Die folgenschwersten Brüche sind die des Oberschenkelhalses, die bei älteren Menschen oft zu Bettlägerigkeit und Verlust der Selbstständigkeit führen.
Die Risikofaktoren sind zahlreich. Allen voran steht die Tatsache, weiblichen Geschlechts zu sein: Frauen bekommen viel häufiger Osteoporose als Männer; ihr Anteil macht etwa 80 Prozent aus. Etwa ein Drittel aller Frauen erkrankt nach der Menopause an dem tückischen Knochenschwund, betroffen sind bei den über 65-Jährigen schon fast die Hälfte.
Neben den Wechseljahren und der damit geringer werdenden Östrogenproduktion erhöht bei Frauen auch der vorzeitige Verlust der Eierstockfunktion das Risiko, z.B. nach einer Operation oder Bestrahlung.
Zweitwichtigster Faktor ist das Alter. So tritt auch bei Männern ab etwa 70 Jahren häufiger eine Osteoporose auf. Neben erblichen Faktoren spielen Krankheiten wie chronische Atemwegs- und Magen-Darmerkrankungen, Diabetes, Krebs und Rheuma mit.
Medikamente wie Kortison, Abführmittel, Schilddrüsenmedikamente, Magensäureblocker und Antiepileptika können die Gefahr für die Entstehung des Knochenschwundes ebenfalls erhöhen. Bei Männern entsteht eine Osteoporose häufig durch Testosteronmangel im höheren Alter oder nach Operation, Bestrahlung oder Chemotherapie der Hoden. Zierliche Menschen, insbesondere sehr schlanke Frauen, scheinen häufiger zu erkranken.
Andere Risikofaktoren werden Ernährung und Lebensstil zugeordnet. Dazu gehören Kalzium- und Vitamin-D-Mangel, das Rauchen, übermässiger Alkoholkonsum, Untergewicht, Diäten und Essstörungen sowie zu wenig körperliche Bewegung.
Die Behandlung einer Osteoporose ist nicht einfach. Als «Goldstandard einer zeitgemässen Therapie» gelten laut der Osteologin Dr. Jutta Semler, Vorsitzende des deutschen «Kuratoriums Knochengesundheit», in Kombination mit Vitamin D und Kalzium gegebene Bisphosphonate. Sie hemmen den Knochenabbau und fördern die Neubildung von Knochenmasse. Laut Dr. Semler erhalten jedoch bei weitem nicht alle Osteoporose-Patienten diese Medikamente. In Deutschland waren es noch 2003 nur zehn Prozent; selbst die Basistherapie mit Kalzium und/oder Vitamin D wurde nur 17 Prozent verordnet.
Der überwiegende Teil der Betroffenen wurde nur mit Schmerzmitteln «behandelt». Bisphosphonate sind die gegenwärtig wirkungsvollsten Medikamente, jedoch nicht nebenwirkungsfrei: Bei einer Langzeitbehandlung können u.a. Schäden am Kieferknochen auftreten. Sie sind unbedingt nach Anweisung einzunehmen; zur Vorbeugung sind sie ungeeignet.
Die einfache und sichere Methode zur frühzeitigen Diagnose, eine Knochendichtemessung, wird von den Krankenkassen nur vergütet, wenn z.B. schon mindestens ein osteoporotisch bedingter Knochenbruch vorliegt. Die reine Vorsorgeuntersuchung muss die Patientin selbst zahlen. Vorbeugung steht daher im Vordergrund, damit Osteoporose gar nicht erst entsteht. Aber auch eine bestehende Osteoporose wird durch die richtige Ernährung und viel Bewegung günstig beeinflusst.
Unser Skelett ist eine Grossbaustelle, auf der die lebendige Substanz Knochen ständig neu auf-, um- und wieder abgebaut wird. Der wichtigste Baustein der Zellen, die die Knochensubstanz an die jeweilige Beanspruchung anpassen, ist Kalzium. Etwa 300 Milligramm des Stoffes scheiden wir täglich aus, es muss also nachgeliefert werden – und zwar in grösseren Mengen, denn wir können das aufgenommene Kalzium nur teilweise verwerten.
Um den Bedarf zu decken, müssen Erwachsene täglich etwa 1000 Milligramm zu sich nehmen. Die Grenze von maximal 1500 Milligramm sollte jedoch nicht überschritten werden. Bei einer abwechslungsreichen Ernährung mit viel Gemüse, in der auch Milchprodukte Platz haben, ist es normalerweise kein Problem, die empfohlene Menge aufzunehmen. Lebt man vegan, verträgt Milchprodukte schlecht oder mag sie schlicht nicht, kann es etwas schwieriger werden.
Aber auch in diesen Fällen gibt es gute Möglichkeiten. Dr. Jutta Semler sieht als knochengesunde Ernährung «eine bunte Kostform mit viel Gemüse und Obst sowie kalziumreichem Mineralwasser ... Empfehlenswert ist ... eine mediterrane Kost mit viel Fisch.»
Kalziumtabletten sind aufgrund einer neueren Studie umstritten. Bei gesunden Menschen, insbesondere bei Männern, traten vermehrt Herzinfarkte auf, wenn sie Kalziumtabletten einnahmen. Diese sollten also nur eingesetzt werden, wenn es unmöglich ist, genü- gend Kalzium über die Nahrung aufzunehmen – und die Einnahme mit dem Arzt abgesprochen werden.
Dr. Semler hält die regelmässige Einnahme von Kalziumtabletten nur in Ausnahmefällen für angebracht und empfiehlt ihren Patienten nur dann «mal eine» Tablette, «wenn Sie tagsüber keine kalziumreiche Nahrung zu sich genommen haben.» Sie kritisiert dabei auch, dass die – sinnvollerweise – mit Vitamin D kombinierten Kalzium-Präparate oft ein Dosis-Missverhältnis aufweisen, also etwa 600 bis 1000 Milligramm Kalzium, aber nur 400 Einheiten Vitamin D. Mindestens 800 Einheiten (IE) täglich hält Dr. Semler für unabdingbar.
Die Stoffwechselvorgänge, die unsere Knochen gesund erhalten, sind sehr komplex. Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, aber auch körpereigene Hormone einschliesslich der Sexualhormone sind beteiligt. Die Funktion der Organe regelt die diffizil ineinander greifenden Prozesse.
Äusserst wichtig für die richtige Kalziumversorgung ist Vitamin D. Es reguliert die Aufnahme im Darm sowie den Spiegel im Blut und fördert den Einbau in die Knochen. In der Haut können wir das Vitamin selbst bilden. Im Winter, bei hohem Sonnenschutz und vor allem bei älteren Menschen ist aber eine genügende Produktion nicht immer gewährleistet. Dann muss Vitamin D zusätzlich zugeführt werden. Ein Mangel kann auch zu einem erhöhten Sturzrisiko führen. Vitamin K spielt ebenfalls eine wichtige Rolle im Knochenstoffwechsel; Mangel bewirkt eine verminderte Knochendichte. Zusätzlich einnehmen muss man es nicht: Eine ausgewogene Ernährung mit grünem Gemüse, Geflügel, Getreide und Früchten deckt den Bedarf problemlos.
Phosphat ist der universelle Energielieferant unseres Körpers und spielt wie Kalzium eine wesentliche Rolle beim Knochenaufbau. Das Verhältnis zwischen Kalzium- und Phosphatspiegel im Blut ist sehr heikel und wird durch fein abgestimmte Mechanismen in der Balance gehalten. Wird deutlich mehr Phosphat als Kalzium aufgenommen, steigt der Blutspiegel an.
Um das ausgewogene Verhältnis aufrechtzuerhalten, kann der Körper dann Kalzium aus den Knochen mobilisieren. Zudem kön- nen übermässig viele Phosphate aus der Nahrung die Kalziumaufnahme im Darm behindern, weswegen man den Stoff gerne als «Kalziumräuber» bezeichnet. Diese Rolle wird jedoch wahrscheinlich etwas überschätzt.
Denn umgekehrt muss die Balance ebenfalls stimmen: Bei Osteoporosepatienten, die sehr hohe Dosen Kalzium einnehmen, haben Mediziner schon öfters einen verminderten Phosphatspiegel beobachtet, denn zu viel Kalzium behindert seinerseits die Phosphataufnahme im Darm. Das kann ebenfalls einen negativen Einfluss auf die Knochenmineralisation haben. Zudem kann sich eine verminderte Phosphatkonzentration im Blut in Form von Muskelschwäche und Muskelschmerzen äussern, was wiederum das Sturzrisiko erhöht.
Dennoch: Hohe Phosphatmengen finden sich vor allem in relativ ungesunden Esswaren wie Schmelzkäse, Wurst und Colagetränken sowie in (meist auch noch fett-, zucker- und salzreichen) Fertigprodukten. Den Konsum solcher Lebensmittel zu meiden oder zumindest einzuschränken, dürfte nicht nur Osteoporose-Patienten guttun.
Oxalsäure kann die Kalziumversorgung des Gewebes mindern und den Stoff im Darm binden. Daher sollten Menschen mit Osteoporose Lebensmittel mit hohem Oxalsäuregehalt (Rhabarber, Sauerampfer, Mangold und Spinat, rote Bete/Randen, Kakao und Schokolade, Schwarz- und Pfefferminztee) mit Mass und Vorsicht geniessen.
Zu viel Oxalsäure kann zudem gerade in Verbindung mit Kalzium zur Bildung von Nierensteinen führen. Kaffee hat seinen schlechten Ruf weitgehend verbessern können und gilt inzwischen sogar als durchaus gesund. Doch Koffein steigert die Ausscheidung von Kalzium. Mehr als vier Tassen täglich werden daher nicht empfohlen. Auch eine hohe Kochsalzzufuhr fördert wegen des enthaltenen Natriums die Kalziumausscheidung. Zwar muss man sich keineswegs salzfrei ernähren, doch sollten speziell Frauen nach der Menopause bewusst mit Salz umgehen. Hier ist zu überlegen, ob sich nicht ein Umsteigen auf ein natriumarmes Diätsalz lohnt. Zucker gilt als wahrer «Knochenfresser» und behindert die Kalziumaufnahme im Darm.
Man muss es kaum noch sagen: Rauchen verschlechtert die Durchblutung vieler Organe, auch des Knochens, und verstärkt den Östrogenabbau bei Frauen wie bei Männern, vergrössert also das Risiko für und die Folgen von Osteoporose.
Auch der Überkonsum von Alkohol schädigt die Knochen. Bewegung dagegen regt die knochenaufbauenden Zellen an. Nur ein Knochen, der gefordert ist, bleibt auch stark. Der Aufenthalt im Freien beim Wandern, Nordic Walking oder Radfahren fördert zudem die Vitamin-D-Produktion der Haut. Auch Gymnastik und Krafttraining stärken die Knochenmasse, Bewegungsarten wie Tai Chi, Nordic Walking und Tanzen schulen zusätzlich Koordination und Balance.
Mit diesen Sportarten kann man eigentlich in jedem Alter noch anfangen – und auch Gartenarbeit zählt als knochenfördernde Bewegung!
Gängige Empfehlungen zur Kalziumaufnahme lauten gerne «schon ein halber Liter Milch und 50 Gramm Emmentaler Käse decken den täglichen Bedarf».
Beim Konsum von Milchprodukten ist jedoch zu bedenken: Sie enthalten neben dem Kalzium auch tierische Fette in nicht geringer Menge und die entsprechenden Kalorien. Mit dieser Portion hat eine Frau von 60 Kilo Körpergewicht mehr als ein Viertel ihres Energiebedarfs (von etwa 2000 Kilokalorien) zu sich genommen. Satt ist sie aber nicht.
Ausserdem nimmt man allein mit diesem Snack doppelt so viele gesättigte Fettsäuren zu sich wie von Ernährungsfachleuten empfohlen. Als tägliche Diät ist die Portion Milch und Käse für Erwachsene also nicht sonderlich geeignet. Essen Sie viel (grünes) Gemüse und trinken ein kalziumreiches Mineralwasser, sieht die Auswahl schon ganz anders aus.
Ein frühlingsfeines Brennnesselsüppchen, mit Kartoffeln und Gemüsebrühe zubereitet, bringt Ihnen ein Viertel bis die Hälfte des Tagesbedarfs auf den Teller, ein Salat mit vielen frischen Kräutern, mit Bärlauch, Brunnenkresse oder Portulak garniert und eine Scheibe Vollkornbrot dazu ebenso. Zum Mittag- oder Abendessen ein Teller Spaghetti mit Brokkoli oder Spinat, ein Auflauf mit Fenchel, eventuell mit Käse überbacken, ein Gemüseeintopf mit Grün- oder Weisskohl, mit etwas angeröstetem Sesam serviert, ein Linsen- oder Bohnentopf, ergänzt mit Kräutern oder einem kleinen Rucolasalat, liefern ebenfalls etwa die Hälfte des Tagesbedarfs.
Sehr kalziumreich sind Mohn, Sesam und verschiedene Nüsse. Letztere sind natürlich auch nicht gerade kalorienarm, enthalten dafür aber auch viele weitere gesunde Inhaltsstoffe.
Mineralwässer können reichlich Kalzium liefern und damit zur Osteoporose-Vorbeugung beitragen. Die Bioverfügbarkeit von Kalzium aus natürlichen Mineral- und Heilwässern ist genauso gut wie die aus Milch und Milchprodukten – einigen Untersuchungen zufolge sogar besser.
Ihr Vorteil ist zudem: Sie haben keine Kalorien, und Kalzium wird effektiver vom Körper ausgenutzt, wenn es in mehreren kleinen Portionen anstelle einer grossen aufgenommen wird – wie man Mineralwasser eben über den Tag verteilt trinkt.
Als kalziumreich werden Mineralwässer teils schon ab einem Gehalt von 150 Milligramm pro Liter (mg/l) bezeichnet. Bei einem Bedarf von 1000 Milligramm muss man da viel trinken! Einfacher ist es bei Mineralwässern mit Kalzium über 400 bis 500 mg/l.
Natürlich muss man dann die Kalziumaufnahme aus anderen Lebensmitteln beachten, damit die Grenze von 1500 Milligramm pro Tag nicht überschritten wird. Experten empfehlen, nicht nur den Kalziumgehalt auf dem Flaschenetikett zu beachten, sondern auch den Natriumgehalt. Er sollte 50 bis 60 Milligramm nicht übersteigen.