Lange verschmäht als «Armeleuteessen», kommt das Wurzelgemüse wieder in Mode und zu kulinarischen Ehren. Kulinarisch führen Teltower Rübchen und Mairübe die Speiserüben-Liste an, aber auch ihre Verwandten bringen Abwechslung in die Küche. Aber was sind eigentlich Rüben?
Rüben sind ein sehr altes, europäisches Gemüse, das bereits Jahrhunderte vor Ankunft der Kartoffel kultiviert wurde. Vorzeiten Grundnahrungsmittel, war sie noch lange in Hungersnöten und Kriegszeiten ein unentbehrliches, wenn auch oft ungeliebtes Nahrungsmittel. Im Ersten Weltkrieg verursachte die Kartoffelfäule in Deutschland eine miserable Ernte und in der Folge eine Hungersnot. Der bitterkalte Winter von 1916/17 ging in die Geschichte als «Steckrübenwinter» ein, denn man ernährte sich von Rüben in allen Variationen - als Eintopf, Suppe, Kuchen, sogar Kaffee machte man daraus. Da Rüben viel Vitamin C enthalten, bewahrten sie die Menschen vor der Krankheit Skorbut. Satt machen konnte die Rübe aber kaum, denn sie enthält viel Wasser und nur wenige Kohlenhydrate.
Dazu kam, dass Brassica napus ssp. rapifera, die Steck- oder Kohlrübe, früher oft bitter und holzig schmeckte. Der bittere Geschmack so mancher Rüben ist jedoch Vergangenheit. Die heutigen Züchtungen, ganz besonders die Mairüben, sind zart, mit einem mild-würzigen Aroma, einer süsslichen Komponente und einem Hauch von Meerrettich bzw. mehr oder weniger ausgeprägter Rettichschärfe.
Rübe ist die botanische Bezeichnung für ein Speicherorgan einer Pflanze, die aus der Verdickung der Hauptwurzel entsteht. Sie befindet sich meistens unterirdisch, kann aber auch zum Teil über den Erdboden hinausragen oder sich ganz darüber befinden (z. B. beim Sellerie). Deshalb besitzen Pflanzen ganz unterschiedlicher Pflanzenfamilien Rüben, z.B. die Karotte (Daucus carota) oder der Rettich (Raphanus sativus). Küchensprachlich zählen Rüben wie auch Topinambur, Pastinaken, Petersilienwurzel, Meerrettich u.a. zum Wurzelgemüse.
Demgegenüber bezeichnet die Rübe (Beta vulgaris) eine Pflanzenart aus der Familie der Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae). Zu ihren Kulturformen zählen z.B. die Futterrübe (Beta vulgaris subsp. vulgaris var. crassa), Rote Bete, Mangold und die Zuckerrübe (Beta vulgaris subsp. vulgaris var. altissima).
Die Steckrübe (auch Kohlrübe, Wruke oder Bodenkohlrabi genannt) ist eine Unterart des Rapses (Brassica napus). Steckrüben sind aber wiederum keine Speiserüben: Sie sehen sich ähnlich, gehören aber nicht zur selben Familie. Enthalten sind Traubenzucker, Proteine, Fette, schwefelhaltige ätherische Öle, Kalium und Kalzium, Carotin, Provitamin A und die Vitamine B1, B2, C sowie Nicotinsäureamid. Durch ihren hohen Wassergehalt sind sie kalorienarm.
Speisreüben sind Teil der grossen Kreuzblütlerfamilie, in die auch Kohl, Rettich und Radieschen gehören. Die Speiserübe ist die essbare Wurzel des Rübsen (Brassica rapa; auch Räbe, Herbst- oder Wasserrübe). Die meisten Speiserüben säte man früher nach der Getreideernte als Zwischenfrucht «in die Stoppeln», wie etwa der Name «Zürcher Stoppelrübe» bezeugt. Viele Herbstrüben können von Mai bis September gesät und von August bis November geerntet werden. Zu ihren Formen zählen zahlreiche regionale Spezialitäten, z.B. Gatower Kugel oder Ulmer Ochsenhorn.
Manche alte Sorten wie die Teltower Rübchen, die Bayerische Rübe oder die Rübe von Pardaillan (im Languedoc) wurden nur von einzelnen Bauern vor dem Vergessen bewahrt und werden auch heute nur von wenigen Betrieben angebaut. In Grossbritannien werden die meisten «turnips» gegessen - in Schottland gehören weisse Rüben sogar zum Nationalgericht Haggis - und auch die Franzosen schätzen ihre «navets». Recht beliebt sind Speiserüben auch in Italien und Irland. In Finnland und den baltischen Staaten sind sie oft eine Alternative zu Kohlrabis. Grössere Mengen von Räben werden in den Kantonen Zürich und Aargau angebaut, zur Herstellung von Sauerrüben und «Räbeliechtli», ausgehöhlte, verzierte und mit Kerzen beleuchtete Rübenlaternen für die Kinderumzüge Anfang November.
Viele haben schon davon gehört, die wenigsten sind in ihren Genuss gekommen: Teltower Rübchen eilt ein legendärer Ruf als begehrte Delikatesse voraus. Meist kommen sie von Oktober bis Dezember auf den Markt. Sie werden rund um die brandenburgische Stadt Teltow südwestlich von Berlin angebaut. Und leider sind sie nur dort so köstlich. Nur dort finden sie ideale Bedingungen: Einen relativ nährstoffarmen, lehmigen Sandboden, der nicht zur Dürre neigt, aber auch keiner grossen Feuchtigkeit ausgesetzt ist. Versuche, die Teltower Rübchen in anderen Regionen anzubauen, scheiterten. Schon im 18. Jahrhundert erkannte man, dass der Teltower Rübchensamen unter fremden Bedingungen entartet und dass nur echter Samen aus Teltow den charakteristischen Geschmack hervorbringt. Trotzdem werden «Teltower» Rüben auch andernorts (und oft schon im Frühjahr) kultiviert, kommen aber im Aroma an das Original nicht heran. Mit dem Namen nehmen es manche Gärtner, Samen- und Gemüsehändler sowieso nicht so genau. Häufig werden Mairüben ganz allgemein als «Teltower» bezeichnet.
In der wechselvollen 300-jährigen Geschichte gab es Höhen und Tiefen. Einstmals exportiert bis Lissabon Moskau und Paris, wurden die Teltower Rübchen auch besonders geschätzt von Goethe, der sie sich jahrelang per Postkutsche von Berlin nach Weimar bringen liess. Da die Ernte der kleinen Rüben mit der Grabgabel von Hand geschehen muss, wurde die Rübe in Zeiten landwirtschaftlicher Industrialisierung kaum noch angebaut. Erst Ende der 1990er-Jahre gelang eine Rückbesinnung auf die regionale Spezialität. 2008 wurde das Teltower Rübchen in die «Arche des Geschmacks» aufgenommen, einem internationalen Projekt von Slow Food zur Erhaltung der Biodiversität, das u.a. regional wertvolle und «aus der Mode gekommene» Lebensmittel vor dem Vergessen bewahren soll. Das Teltower Rübchen, auch Märkische Rübe oder Mairübe Petrowski genannt, hat einen schwer beschreibbaren Geschmack: würzig-süss und zugleich pikant. Traditionell werden die ganzen Rüben karamellisiert - so mochte sie schon der Geheimrat am liebsten.
Frisch geerntet, klein, mit weisser oder an der Oberseite violett-rötlicher Haut, ist die Mairübe nicht nur die früheste Speiserübe, sondern zugleich eine der besten.
Die Mairübe (Brassica rapa ssp. rapa var. majalis), auch (Baby- oder Mini-)Navette genannt, wird vorwiegend im zeitigen Frühjahr für die Mai/Juni-Ernte, aber auch im Juli/August für eine Ernte im Herbst gesät. Es gibt sehr viele Sorten: kugelrunde, zapfenförmige, mit weissem oder leicht gelblichem Fleisch. Achten Sie beim Einkauf auf frische, knackige Ware ohne Risse. Manchmal hat man die Chance, die Sorte «Goldball» zu erwischen, deren gelbes, festes Fleisch besonders zart und schmackhaft ist. In Samenhandlungen findet man frühe Sorten wie die weiss-violette Navet de Milan, die rasch wachsende, reinweisse Tokyo Cross oder die karottenförmige, weisse Navet de Croissy, eine Spezialität aus der Umgebung von Paris. Kaufen kann man Mairüben im Bund auf Wochenmärkten, in Naturkostläden, immer häufiger findet man sie auch in Gemüsekisten vom Biobauern und bei Lebensmittelketten.
Inhaltsstoffe
Die Mairüben-Blätter sind eine ausgezeichnete Quelle für die Vitamine A, C und E sowie Folsäure. Überdies sind sie besonders reich an Lutein und Zeaxanthin, wichtigen Vitalstoffen für die Augen, vor allem für die Netzhaut und die Makula. Rüben sind mit 90 Prozent Wassergehalt, durchschnittlich etwa 1 Prozent Eiweiss, kaum Fett und nur zirka 7 Prozent Kohlenhydraten ein kalorienarmes Gemüse. Die Knollen enthalten reichlich Ballaststoffe, viel Vitamin C, etwas Provitamin A und alle B-Vitamine (mit Ausnahme von B12). Die Mineralstoffe Kalium, Kalzium, Phosphor und Natrium werden ergänzt durch die Spurenelemente Jod, Eisen, Zink, Kupfer und Selen.
Tipps für Garten
Ab März werden die Mairüben-Samen mit 25 Zentimeter Reihenabstand 1 bis 2 Zentimeter tief im Boden gesät und nach Erscheinen der grünen Blätter auf etwa 10 bis 15 Zentimeter vereinzelt. Rüben lieben feuchte, lockere Böden und sandigen Lehmboden an sonnigen bis halbschattigen Standorten. Zu viel Trockenheit bekommt ihnen nicht. Netze schützen vor der Kohlfliege. Mairüben können schon nach vier bis acht Wochen geerntet werden. Je jünger sie sind, desto köstlicher ist ihr Geschmack. Dicht gesät, bilden sich keine grösseren Wurzeln, dafür umso dickere Blattstiele. Sie werden als Rübstiel oder Stielmus gebraucht. Schneidet man die Blätter, die man am besten ganz frisch verwendet, etwa 2 Zentimeter über dem Boden ab, sind zwei bis drei Ernten im Jahr möglich.
Die Herbstrübe (Brassica rapa subsp. rapa var. esculenta, auch Weisse Rübe, Krautrübe, Ackerrübe, Wasserrübe, Stoppelrübe oder Räbe genannt) ist eine Speiserübe, die mit der Mairübe verwandt, aber viel herber im Geschmack ist. Wie der Rettich enthalten Herbstrüben Senföle. Sie wird in den Herbstmonaten Oktober und November geerntet. Im Gemüsefach des Kühlschranks bis zu drei Wochen haltbar, im Keller oder in kühlen Räumen bis zu drei Monaten lagerbar.
Pro 100 g sind enthalten:
Wegen der für die Schärfe und den Geruch verantwortlichen Senföle - den für Kreuzblütler typischen Glucosinolaten - gehören die Rübchen neben Brokkoli, Brunnenkresse, Grünkohl, Meerrettich, Pak Choi, Radieschen, Rosenkohl, Rucola und Wasabi zu den Lebensmitteln, die das Nationale Krebsinstitut der USA als krebshemmend eingestuft hat. Glucosinolate sind sekundäre Pflanzenstoffe, die zum Abwehrsystem der Pflanze gehören. Sie sollen jedoch auch das menschliche Immunsystem stimulieren, Infektionen vorbeugen und die Krebsabwehr unterstützen. Glucosinolate werden beim Zerstören der Zellstruktur frei, etwa beim Zerkleinern der Pflanze oder beim Kauen.
In vielen Ländern gibt es traditionell bevorzugte Zubereitungen. In Italien werden Rüben als Stielmus angeboten; in der Schweiz und Deutschland als konservierte Sauerrüben (gehobelte Herbstrüben mit Wacholderbeeren und Senfkörnern, milchsauer vergoren wie Sauerkraut); in Irland werden Rüben mit der gleichen Menge Kartoffeln zu Püree verarbeitet; in Frankreich werden Mairüben in Zucker, Honig, Ahornsirup und süssem Senf karamellisiert oder im Pot-au-feu und als Beilage zu gebratener Ente verwendet.
In der Schweiz zählte die «Räbebappe», aus frischen Speiserüben zubereitetes Püree, zu den typischen Mahlzeiten im Herbst. Da sich nun auch die moderne Küche und einige Sterneköche der Rübchen angenommen haben, findet man Mairüben in Gratins, Mousses, Flans, Sorbets, Rahmsüppchen oder als Buttergemüse mit Kräutern, Frühlingszwiebeln, jungen Möhren oder Fenchel. Mairüben schmecken sowohl roh als auch gedünstet. Da die Schale einen relativ hohen Anteil an Senfölen enthält, ist es Geschmackssache, ob man die Haut von jungen, kleinen Rübchen nur sauber abbürstet oder abzieht. Grössere Exemplare werden geschält. Aus den Blättern bereitet man das fein-säuerlich schmeckende Stielmus wie Spinat zu oder gibt es zu Eintöpfen.
Indisches Korma mit gelben Räben
Karamellisierte Mairübchen
30 g Butter in einem Topf schmelzen, 2 EL Zucker zufügen und goldgelb schmelzen lassen. 500 g geschälte und je nach Grösse ganze, halbierte oder geviertelte Mairüben dazugeben und gut vermengen, so dass alle Rüben überzogen sind. 125 ml Wasser oder Gemüsebrühe aufgiessen. Mit Pfeffer, Salz und einer Prise gemahlener Nelken würzen. Im geschlossenen Topf etwa 20 Minuten sanft garen, bis die Rüben weich und die Flüssigkeit weitgehend verdampft ist. (Die Weichheit prüft man wie bei Kartoffeln mit einer Messerspitze oder Gabel.) Ein kleines Stück Butter zufügen und die Rüben im verbliebenen Jus rühren, bis sie glänzen.
Mairüben-Carpaccio
Die geschälten, fein gehobelten Mairüben auf einen mit Olivenöl eingeriebenen Teller legen. Mit einer Vinaigrette aus Senf, Apfelessig, Olivenöl, einer Messerspitze Honig, Salz und Pfeffer grosszügig beträufeln.