Chili – die einen lieben den Gaumenkitzel, die anderen wehren ab: «Scharfes vertrage ich nicht!» Doch die kleinen Schwestern der Paprikaschoten sind in allen Varianten von ganz mild bis hochprozentig zu haben, und noch dazu gesund.
Autorin: Dr. Claudia Rawer
Die pikanten Schoten bringen mehr als Schärfe in die Küche: viel Farbe und Abwechslung sowie erstaunlich differenzierte Geschmacksnuancen. Ätherische Öle, Bitter-, Scharf- und Farbstoffe tragen auf vielseitige Weise zu unserer Gesundheit bei. Und nicht zuletzt macht es grossen Spass, eigene Chilis zu ziehen und bei Bedarf ein paar der frechen Früchtchen frisch zu pflücken – für ein paar würzige Häppchen vorweg, einen temperamentvollen Tomatensalat, einen herzhaften Schmortopf, eine delikate Salsa oder für verlockende Kleinigkeiten vom Grill.
Mit den Namen, Typen und Sorten könnte man eine ganze Enzyklopädie füllen. Und doch handelt es sich hauptsächlich um eine einzige Art: Capsicum annuum, Paprika, in der Schweiz Peperoni, anderswo auch Spanischer Pfeffer genannt. Die Vielfalt reicht von milden Gemüsepaprika bis zu superscharfen Habaneros, von erbsengrossen Chiltepin, die als Urform gelten, bis zu 25 Zentimeter langen Schoten, von grünen und roten Früchten bis zu zitronen- oder dottergelben, orangefarbenen und dunkelvioletten bis fast schwarzen Varianten.
In diesen bunten Chili-Reigen mischen sich noch einige andere Capsicum-Arten:
Doch diese Feinheiten überlassen wir den Botanikern und den wahren «Chiliheads», den Liebhabern und Sammlern, für die die durch den Verzehr von Chilis ausgelöste Endorphin-Ausschüttung zum Glücklichsein gehört.
Wie erwähnt, heissen «Paprika» in der Schweiz «Peperoni.» Dass man in Deutschland zu Chilis, also den pikanteren Varianten, auch Peperoni sagt, verwirrt nicht nur Schweizer. Die deutschen Peperoni wiederum heissen in der Schweiz wie in Italien «peperoncini».
Angefangen hat das ganze Durcheinander schon vor Jahrhunderten: Kolumbus, der sich ja bekanntermassen in Indien statt in Amerika glaubte, hielt die feurigen Früchte für Verwandte des indischen Pfeffers (Piper nigrum). Er taufte sie also nach der damals überaus kostbaren Handelsware.
Daher die «spanischen Pfefferschoten», aber auch eine weitere Sprachverwirrung, da auf Spanisch «pimienta» Pfeffer, «pimiento» aber Paprika und Chilischoten bezeichnet. Selbst der «Piment», der Nelkenpfeffer, der zu einer ganz anderen Pflanzenfamilie gehört, mischt da mit. Der Einfachheit halber bezeichne ich hier also alle kleinformatigen, mit mehr oder weniger Schärfe (vereinfachte Skala von 1 bis 10) ausgestatteten Familienmitglieder von Capsicum als «Chilis».
Chilipflanzen stammen ursprünglich aus Süd- und Mittelamerika. Ausserhalb dieser Region waren sie unbekannt. Im Laufe der Jahrhunderte sind durch gezielte Züchtungen zahlreiche Sorten entstanden.
Aus der Küche Südamerikas, aber auch aus der indischen und thailändischen sind sie nicht wegzudenken. Heute werden Chilis in Mexiko, Indien, Indonesien, Thailand, Japan und China, aber auch in Nigeria, Uganda und Tansania, in Südeuropa sowie im Süden Nordamerikas auf grossen Plantagen angebaut. Geerntet werden sie von Hand.
Jalapeños aus Mexiko, Schärfegrad (0-10): 5.
Bei uns kennt man Paprika und Verwandte als Alltagsgemüse erst seit den 1950er-Jahren. Wie so vieles andere waren sie ein Geschenk, das die sogenannten Gastarbeiter mitbrachten. Mit ihnen zog eine ganz neue Würze in unsere Küchen ein. Inzwischen kennen Reisende, Liebhaber fremder Küchen, erfahrene Hausfrauen und Hobbyköche nicht nur scharfe Pulver, Pasten und Saucen wie Cayennepfeffer, den französischen Piment d’Espelette oder den rauchigen Pimentón de la Vera aus Spanien, Sambal Oelek, Harissa oder Tabasco, sondern auch die immer häufiger in den Geschäften und auf den Märkten zu findenden frischen Sorten wie «pimientos de Padrón», aromatische Jalapeños mit abgerundeter Spitze oder rundliche Habaneros.
"Höllisch scharf": Scotch Bonnet, 150'000 bis 300'000 Scoville-Einheiten.
Allgemein gilt für Probierwillige: Vorsichtig anknabbern, Milch, Joghurt, Öl oder trockenes Brot für den Notfall parat haben – und sich langsam, aber offen mit den unterschiedlichen Geschmacksnuancen und Schärfegraden vertraut machen.
Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.
Woher kommt eigentlich die für Chilis so typische, mehr oder weniger ausgeprägte Schärfe? Chilis enthalten – in sehr unterschiedlicher Konzentration– den Stoff Capsaicin sowie verwandte Verbindungen, die in ihrer Gesamtheit die Schärfe erzeugen: Je mehr Capsaicin, desto schärfer.
Die ab etwa 1950 in Ungarn gezüchteten Gemüsepaprika enthalten praktisch kein Capsaicin mehr. Gemessen wird der Schärfegrad übrigens über ein recht kompliziertes Verfahren in der Scoville-Skala, die von Null (keine Schärfe/kein Capsaicin) bis 16 Millionen Scoville (reines Capsaicin, nur für medizinische Zwecke, ungeniessbar) reicht. Die durchschnittliche untere Wahrnehmungsschwelle für Schärfe liegt bei etwa 16 Scoville, wobei jeder Mensch eine unterschiedliche Toleranz gegenüber Capsaicin besitzt und durch häufige Capsaicin-Aufnahme die Toleranzschwelle heraufgesetzt wird.
Der Scoville-Wert ist also recht ungenau. Zur ungefähren Einordnung: rote Tabascosauce liegt bei etwa 2500 bis 5000 Scoville, noch als recht mild geltende Jalapeños bei 2500 bis 8000.
Der schärfste Chili der Welt (2023) ist eine Züchtung aus den USA und heisst «Pepper X». Der Chili kommt auf der Scoville-Skala auf einen Wert von 2,693 Millionen und ist Nachfolger der «Carolina Reaper», die bereits auf einen Wert von 1,64 Millionen kam.
Zudem beziehen sich die Scoville-Werte in der Regel auf getrocknete Chilischoten, die wesentlich potenter sind als frische Früchtchen. Da ist es doch viel übersichtlicher, eine Schärfeskala von 1 bis 10 zu verwenden. Auch wenn sie gröber ist: Wenn dort die blassgrünen «Peperoncini» aus Italien und der Türkei eine 1 bekommen und rote Tabascosauce eine 5, weiss man als Mensch mit normalen Geschmacksempfindungen, dass man eine Sauce namens «Vicious Vampire» (bissiger, bösartiger Blutsauger) mit einer 10 plus gar nicht erst probieren muss.
Die grossen Spannbreiten zeigen, dass die Schärfe von Chilis durch mehrere Faktoren bestimmt wird, unter anderem auch durch das Klima im Anbauland. Eine Hilfe für Anfänger ist das «Brenn-o-meter» der «Pepperworld»-Webseiten (pepperworld.com).
Chilisorte aus Peru: Peruvian purple mit intensivem Raucharoma. Schärfe (1-10): 5
Immer wieder werden neue Möglichkeiten zur medizinischen Anwendung von Capsaicin bekannt. Bereits die amerikanischen Ureinwohner nutzten Chilischärfe gegen Zahnschmerzen oder Arthrose. Seit 1928 bekannt sind die Wärme- und Schmerzpflaster mit Capsaicin in unterschiedlicher Konzentration, die bei Hexenschuss, Migräne, Gürtelrose und sogar bei Nervenschmerzen (postherpetische und trigeminale Neuralgien) eingesetzt werden können – teils aber nur unter ärztlicher Aufsicht!
Zukunftsmusik sind noch Einsatzgebiete wie Herzinfarkte und Prostatakrebs. Bislang wurde nur in Tierversuchen festgestellt, dass hohe Dosen Capsaicin Prostatakrebszellen abtöten oder den Herzschaden nach einem Infarkt reduzieren.
Menschen, die häufig Chili konsumieren, leben offenbar gesünder als solche, die scharfes Essen verschmähen. Sie sterben seltener an Herz- und Atemwegserkrankungen; auch ihr Krebsrisiko ist niedriger. Das berichten chinesische Mediziner und Ernährungswissenschaftler in einer Studie im «British Medical Journal». Die Daten stammen aus der regelmässigen Untersuchung und Befragung von mehr als einer halben Million erwachsenen Chinesen in zehn Landesteilen.
Schützen Chilis die Leber? Die Europäische Gesellschaft zur Erforschung der Leber EASL äusserte kürzlich die Vermutung, der tägliche Konsum von Capsaicin könne die Entstehung einer Leberzirrhose verhindern.
Scharfe Gewürze regen die Produktion der Verdauungssäfte an und machen so das Essen bekömmlicher, regen den Geschmackssinn an und verbessern ihn sogar. Sie fördern das Schwitzen und die Erweiterung der Blutgefässe in der Haut und senken so die Körpertemperatur. Ganz wichtig ist ihre «desinfizierende» Wirkung: Die Inhaltsstoffe hemmen das Wachstum von Bakterien. Und nicht zuletzt heben sie, wie schon erwähnt, die Stimmung: Die Ausschüttung von Glückshormonen (Endorphinen) gibt uns ein gutes Gefühl und wirkt anregend.
Doch offenbar ist diese Wirkung nicht bei allen gleich: Capsaicin steht auch im Verdacht, bei manchen Menschen Magenschmerzen, Durchfall oder Blasenirritationen hervorzurufen. Ganz allgemein scheint der Verzehr von Chilis jedoch eher gesundheitsfördernd zu sein.
Bei der Verarbeitung von Chilis sollte man Handschuhe tragen. (Eine Schutzbrille ist nur bei äusserst scharfen Sorten und/oder empfindlichen Personen nötig.) Auch mit behandschuhten Händen sollte man keine anderen Körperstellen berühren – also nicht an die Nase fassen oder gar die Augen wischen!
Die beste Methode, um die Scharfstoffe zu entfernen: Hände/Handschuhe mit einem Teelöffel Öl einreiben und mit Seife oder Spülmittel gründlich waschen.
Die Chilischoten waren schärfer als erwartet? Wassertrinken hilft nicht!
Nur Fette (und Alkohol) lösen das Capsaicin: Milch oder Joghurt lindern das Brennen. Beim Kauen von trockenem Brot wird der Speichel samt Capsaicin vom Brot aufgesogen. Nun kann man schlucken, ohne die Schmerzrezeptoren weiter zu reizen. Vorsicht: Für Kinder (und Haustiere) sind Chilis nicht geeignet!