Der pikante Scharfmacher ist traditionell auch ein beliebtes Heilmittel; seine Wirkung ist wissenschaftlich untersucht.
Autorin: Glorija Schönsleben, 09/21
Man findet ihn im Detailhandel in der preisgünstigen Riesentube ebenso wie in spezialisierten Läden edel dargeboten als Luxusprodukt: Senf gibt es in unterschiedlichsten Varianten und Farben. Das Würzmittel kann allerdings mehr als nur Speisen aufpeppen. Traditionell wird Senf als Heilmittel eingesetzt. Studien bestätigen seine gesundheitsfördernde Wirkung.
Senf ist ein ständiger Begleiter in fast jedem Haushalt, in der Tube oder einem Gläschen, bekannt unter den Namen Senf, Tafelsenf oder Mostrich. Die Hauptzutat sind Senfkörner, ein bis zwei Millimeter grosse Samen von Schoten, welche als Früchte einer einjährigen Pflanze wachsen. Verschiedene Arten von Senfpflanzen sind bekannt, wobei für kulinarische Zwecke drei Sorten von grösserer Bedeutung sind: Gelbsenf bzw. Weisser Senf (Sinapis alba), Brauner bzw. Indischer Senf (Brassica juncea) und Schwarzer Senf (Brassica nigra). Botanisch betrachtet, gehören diese drei Arten verschiedenen Gattungen innerhalb der Familie der Kreuzblütler an.
Eines der Hauptanbaugebiete ist Kanada; in Europa wird Senf besonders in Russland und der Ukraine kultiviert. Senf ist aber auch in unseren Gefilden zunehmend verbreitet. In der Schweiz gedeiht je nach Klima Weisser und Schwarzer Senf sowie zum Teil auch Wilder Senf.
Das Aussehen der Pflanze erinnert mit ihren gelben Blüten stark an Raps. Wie hält man die Pflanzen auseinander? Der Unterschied liegt in der Blütezeit: Raps blüht im April und Mai, Senf hingegen ab Juli.
Tafelsenf wird in der Regel aus Senfkörnern, Essig oder einer anderen Flüssigkeit wie z.B. Traubenmost, Bier oder Wein, Salz und allerlei Gewürzen hergestellt. Dafür werden die Senfkörner zuerst gereinigt, verlesen und getrocknet sowie bei mancher Senf-Herstellungsmethode auch eingeweicht und entölt. Die Senfkörner werden daraufhin entweder zerstossen, geschrotet, fein vermahlen oder als «Senfmehl» weiterverarbeitet. Enthaltene gesunde ätherische Öle sorgen für den würzigen Geschmack und sind hitzeempfindlich; die Herstellungstemperatur sollte daher 50 Grad Celsius nicht überschreiten.
Die Ruhezeit der Grundmasse ist wesentlich für die Fermentation, im Zuge derer sich der typische Geschmack und die Würze entfalten können. Pure Senfkörner schmecken mild mit leicht nussiger Richtung. Die für Senf typische, würzige Note entwickelt sich erst durch den Herstellungsprozess. Durch Vermahlen oder Schroten und der Bindung der Masse mit Flüssigkeit wird ein Enzym namens Myrosinase aktiviert, welches für den herzhaften Geschmack sorgt.
Die Auswahl der Senfkörner ist entscheidend für das Endprodukt. Aus weissen Senfkörnern wird milder Senf hergestellt. Schwarze oder braune Senfkörner verwendet man für eine würzigere Variante, die als scharfer Senf angeboten wird. Mittelscharfer Senf wiederum besteht aus einer Mischung von weissen und dunkleren Körnern; je höher der Anteil dunklerer Körner, desto würziger und schärfer schmeckt das Endprodukt.
Das genaue Verfahren hängt von der gewünschten Senfvariation ab. Süsser Senf, in Süddeutschland zur Weisswurst beliebt, wird aus weissen und braunen Senfkörnern hergestellt. In Österreich ist Kremser Senf eine sehr beliebte Süsssenfvariation, die im Vergleich zur deutschen Variante etwas kräftiger schmeckt. Durch Röstung der Körner und die Zugabe von Süssstoffen wie z.B. Zucker oder Honig entsteht sein typischer, karamellartiger Beigeschmack. Aus diesem Grund ist es für Diabetiker empfehlenswert, auf die Zutatenlisten zu achten: vielen Senfsorten, besonders solchen mit Früchten, wird Zucker in verschiedenen Formen beigemengt.
Klassisch wird Senf für Senfsaucen, in Kartoffelsalat oder als Senfkörner bei eingelegten Gurken verwendet. Wird ein Produkt als Senfmehl verkauft, besteht dieses nur aus reinen, gemahlenen Senfkörnern. Bei Senfpulver hingegen ist es möglich, dass neben den fein vermahlenen Senfkörnern noch weitere Gewürze beigemischt werden. Im Gewürzregal der meisten Supermärkte erhältlich, eignen sich Senfpulver bzw. -körner für die Zubereitung verschiedener Saucen, Marinaden, Currys und Dressings; sie passen zu Gemüse sowie Fleisch oder Fisch.
Senfprodukte sollten immer dem bereits gekochten, fertigen Gericht beigemengt werden, sonst werden die hitzeempfindlichen, gesunden ätherischen Öle zerstört.
Aus Senfsaat (als keimfähig auf der Verpackung deklariert) können im Keimglas Senfsprossen gezogen werden, die eine würzige Note auf den Salatteller oder als Beigabe zum Brotaufstrich bringen können. Bereits gezogene Senfsprossen sind immer häufiger in grösseren Supermärkten oder in Bioläden beim gekühlten Gemüse und Kräutern zu finden. (Besser ist es jedoch, Senfsprossen selbst zu ziehen, denn Supermarktware ist nicht selten mit Keimen belastet.)
Trocken und bei Raumtemperatur gelagert, halten Senfkörner bis zu drei Monate.
Senf gilt traditionell als bewährtes Haus- bzw. Heilmittel. Im alten Rom wurde Senf als ein Aphrodisiakum eingesetzt; Jahrhunderte später wurden die vitaminreichen Senfkörner auf Schiffen als ein Mittel gegen Skorbut gekaut. Heutzutage wird Senf dank seines positiven Einflusses auf die Verdauung sowie seiner durchblutungsfördernden und antimikrobiellen Eigenschaften verwendet. Alfred Vogel empfahl im Standardwerk «Der kleine Doktor» Senfwickel bei Asthma, kindlichem Keuchhusten und eitriger Mittelohrentzündung.
Senfprodukte finden sich in Lebensmittelgeschäften und fast jeder Apotheke. Die häufigsten angebotenen Formen sind weisse und schwarze Körner, Senföle oder Senfmehl. Gemahlene Körner werden für Senfwickel oder -bäder verwendet. Hat man noch keine Erfahrung mit Senf als Heilmittel, sind weisse Körner die bessere Wahl, weil sie milder als die schwarzen wirken.
Bei Bronchitis, Husten, Rheuma oder Muskelverspannungen kann zu Senfwickeln gegriffen werden: Vermahlene Senfkörner werden mit warmem Wasser verrührt, wobei eine breiartige Masse entsteht. Für therapeutische Anwendungen sind reines Senfmehl oder selber fein gemahlene Körner am besten geeignet. Der direkte Kontakt mit der Haut sollte dabei vermieden werden. Die Anwendung darf daher nur in Form einer Kompresse oder eines Wickels stattfinden, wobei der Senfwasserbrei in einem Tuch verbleibt. Anfangs legt man den Wickel nur für kurze Zeit auf, später kann es drei bis fünf Minuten dauern. Die Anwendungen sollen auch nicht länger als eine Woche durchgeführt werden.
Senf reizt die Haut und wird einerseits deswegen zur besseren Hautdurchblutung angewendet, andererseits kann diese fördernde Eigenschaft des Heilmittels zu unerwünschten Hautreizungen führen. Deshalb sollte die Anwendung sofort abgebrochen werden, wenn die Haut unter dem Senfwickel zu brennen beginnt oder eine Rötung sichtbar ist. Handelt es sich um eine Anwendung auf der Brust, sollten auch Gesicht oder Augen geschützt werden. Für Personen mit bestehenden Hauterkrankungen sind Senfwickel nicht zu empfehlen.
Für ein Fussbad gibt man bis zu drei Esslöffel Senfmehl in 10 Liter warmes Wasser. Senffussbäder sind empfehlenswert bei Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden und Erkältungen. Aufgrund der hohen Reizfähigkeit des Heilmittels gelten die gleichen Vorsichtsmassnahmen wie bei Senfwickeln: Falls es zu Problemen mit der Haut kommt, muss die Anwendung sofort abgebrochen werden. Senffussbäder sind für Schwangere, Stillende, Kinder sowie Personen mit Herz- und Kreislaufbeschwerden nicht empfehlenswert.
Nicht nur die Haut, auch Magen und Darm können von den Eigenschaften des Senfs profitieren, da die Verdauung in Schwung gebracht wird. Einer Volksweisheit zufolge soll ein Löffel Senf morgens auf nüchternen Magen den Stoffwechsel in Gang bringen. Die im Senföl enthaltenen Glykoside Sinalbin (weisser Senf) und Sinigrin (schwarzer Senf) wirken anregend sowohl auf den Appetit als auch die Verdauung. Besonders wirkungsvoll ist schwarzer Senf, der die Produktion von Magensäure anregt. Je nach Senfart könnten jedoch, abhängig von der eingenommenen Menge, bestehende Magenprobleme eventuell verstärkt werden.
Senföle sind schon seit Längerem für die Wissenschaft von Interesse. Eine Studie (2012) des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene der Universität Freiburg im Breisgau zeigte, dass Senf die menschlichen Zellen vor Erbgutschäden schützen kann, welche für die Entstehung von Krebs relevant sind. Eine solche vorbeugende Wirkung nennen Forscher «Chemoprävention». Es geht dabei um Prozesse, die im Körper eine bestimmte schützende Wirkung entfalten. Solche chemopräventiven Effekte findet man z.B. in den Phenolen von Tee oder beim Vitamin C in Früchten. Beim Senf sind es die sogenannten Isothiocyanate, die man auch unter dem Begriff «Senföle» kennt. Sie entsorgen Gifte aus dem Organismus. Diese Stoffe sind geschmacklich an ihrer Schärfe zu erkennen (z.B. auch in Kapuzinerkresse und Meerrettich): Je schärfer, desto mehr Isothiocyanate sind enthalten. Senföle haben nachweislich eine entzündungshemmende und antibakterielle Wirkung, wie verschiedene Studien zeigen.
Aus den Grundzutaten Senfkörner, Essig, Wasser (für Kinder, ansonsten kann auch Wein zum Einsatz kommen) und Zucker lässt sich zu Hause ein «Grundsenf» zubereiten. Die Zutaten sollten in einem leistungsstarken Mixer je nach Wunsch grob oder fein vermahlen werden. Die Masse ruht darauf ca. drei Tage in sterilisierten, gekühlten Glasbehältern, damit sie «ausreifen» kann. Je nach Lust und Laune kann diese Grundmasse aufgepeppt werden.
Für Süsssenf-Liebhaber ist die Zugabe von diversen Früchten (z.B. Apfel, Aprikose, Ananas, Feige, Orange, Mango, Quitte, Zwetschgen) eine Option. Früchte enthalten von Natur aus Zucker, deshalb die zugegebene Zuckermenge reduzieren. Möchte man handelsüblichen Zucker ganz vermeiden, sind Honig oder Datteln gesündere Alternativen. Die Datteln weicht man über Nacht in ein wenig Wasser ein und püriert sie (inkl. Einweichwasser) mit den Grundzutaten.
Für pikante Varianten würzt man mit Chili, Pfeffer, Meerrettich oder Currypulver. Möchte man, dass bereits die Grundmasse eine pikante Note hat, können schwarze Senfkörner mitgemahlen werden, welche meistens in Asia-Geschäften zu finden sind. Je nach Geschmack können sogar scharfe und süsse Noten verbunden werden, z.B. als Mango-Chili-Senf.
Kräuterfans können Saisonkräuter fein gehackt entweder als Mischung oder als Einzelgeschmacksrichtung untermengen. Beliebt sind Bärlauch, Basilikum, Dill, Estragon, Rosmarin, Thymian.