Kissen sind mehr als weiche Polster. Werden sie mit bewährten Naturprodukten gefüllt, können sie Beschwerden lindern und tragen zum Wohlbefinden bei. Besuch bei einer Expertin.
Autor: Adrian Zeller, 01/17
Bild: Fotolia / luna
Wenn man die Augen schliesst und an einem der Kissen riecht, die Charlotte Brandt auf ihrem Wohnzimmertisch ausgebreitet hat, steigen in einem unwillkürlich Bilder von Bergregionen auf. Erinnerungen an schroffe Felsformationen, auf denen robuste Nadelbäume sonnengleissenden Sommermonaten und lawinenreichen Wintern trotzen. Und ein herrlich würziger Geruch von Arvenholz entströmt dem Kissen. Eine andere Sorte von Nadelbäumen, Rottannen, kennzeichnen die Gegend, in der Charlotte Brandt mit ihrem Mann wohnt. Das durch viel Holz geprägte Wohnhaus steht in einer Region, die als Tannzapfenland bekannt ist. Durch diese idyllische Ecke der Ostschweiz führt der geschichtsträchtige Pilgerweg nach Santiago de Compostela. Er windet sich nur wenige Meter vom Heim der Brandts durch die wald- und wasserreiche Landschaft. Durchziehende Pilger sind für das Ehepaar ein vertrautes Bild.
«Das Arvenholz erhalten wir von Schreinern. Unsere Bewohner zerkleinern dann die ganzen Stücke durch Hobeln zu feinen Spänen.» Mit den Bewohnern sind Frauen und Männer gemeint, die in einer Wohnstätte für psychisch beeinträchtigte Menschen leben. Dies ist der Arbeitsplatz der ausgebildeten Pflegefachfrau. Charlotte Brandt unterstützt sie beim Anfertigten von Duftkissen. Auf dem weitläufigen Gelände gedeihen die verschiedensten Kräuter. Im Beschäftigungsatelier werden sie getrocknet und verarbeitet.
«Da die Kissen aus geraden Nähten bestehen, erlernen die Bewohner das Nähen rasch.» Die textilen Hüllen werden mit getrockneten Lavendelblüten, mit Duftrosen sowie mit Farn gefüllt. Einige Kissen enthalten gekardete Wolle von Schafen, die auf dem Hof leben. «Wenn die Schafwollkissen bei Erkältung auf die Brust aufgelegt werden, lindern sie die Beschwerden», weiss Charlotte Brandt aus Erfahrung. Sie schätzt, dass sie in den letzten Jahrzehnten rund 500 Beutel und Kissen mit unterschiedlichsten Füllungen hergestellt hat.
Der kompetente Umgang mit Heilpflanzen ist für die 60-Jährige nicht nur eine berufliche Aufgabe, sie ist eine persönliche Leidenschaft. «Bereits als Kind haben mich Pflanzen und ihre Eigenschaften fasziniert. Schon damals habe ich Kräutersträusse gepflückt und zusammengestellt.» Diese Faszination hat sie seither nicht mehr losgelassen. In Kursen zur Herstellung von Tinkturen, Salben und weiteren Anwendungen hat sie ihr Wissen ergänzt. «Informationen hole ich mir auch aus Fachbüchern.» Viel Erfahrungswissen hat sie sich im Umgang mit ihren Kindern angeeignet. «Wenn sie beispielsweise Ohren- oder Bauchweh hatten, habe ich ihnen einen Beutel mit getrockneten Kamillenblüten aufgelegt.» Damit die Auflage besonders angenehm war, brachte sie diese zuvor zwischen zwei Wärmeflaschen auf eine entsprechende Temperaturstufe. Gleichzeitig lösten sich so die ätherischen Öle intensiver.
Die Auswahl an Füllungen für Kissen ist sehr vielfältig, der bewährte Klassiker sind Kirschsteine. Sie helfen beispielsweise, die Folgen von Überarbeitung zu lindern. Nach einem Tag konzentrierter Tätigkeit am Bildschirm schmerzt nicht wenigen Menschen die Schulter-Nackenpartie. Ein erwärmtes Kirschsteinsäckchen löst die Verspannungen. Für diese Art von Beschwerden eignen sich besonders sogenannte Nackenhörnchen, Kissen in Bogenform. Wie ein üppiger Kragen schmiegen sie sich um die angespannte Körperpartie. Auch bei Halsweh und bei Erkältungen wirken sie wohltuend.
Kirschsteine haben die besondere Eigenschaft, die Wärme schnell aufzunehmen und anschliessend über längere Zeit gleichmässig abzugeben. Dabei haben sie Wärmflaschen einiges an «Ausdauer» voraus. Um die Steine auf die richtige Wohlfühltemperatur zu bringen, wird so ein Kissen fünf bis zehn Minuten bei 50 Grad im Backofen oder zwei Minuten in der Mikrowelle (800 Watt) erwärmt. Diese Auflage natürlichen Ursprungs empfiehlt sich zu- dem bei rheumatischen Beschwerden, bei Hexenschuss und Bauchkrämpfen.
Das Kirschsteinkissen eignet sich auch, um durchfrorene Füsse oder Hände zu wärmen oder um das Bett vor der Nachtruhe «anzuheizen». Auf kühle Weise wirken sie übrigens auch – und verlängern sogar die Wirkung von Wickeln und Auflagen. Bei verstauchten Gliedmassen oder anderen Schwellungen lindern gekühlte Kirschsteinkissen die Schmerzen. Dazu werden sie vorab in den Kühlschrank oder in die Gefriertruhe gelegt.
Kirschsteinkissen sollten aus Sicherheitsgründen nie unbeaufsichtigt erwärmt werden. Falls dennoch eines versehentlich zu viel Hitze abbekommt, entsteht ein beissender Qualm. Je nach Verbrennungsgrad genügt es, nach dem Abkühlen eine Naht zu öffnen und die an ihrer Dunkelfärbung erkennbaren, verbrannten Steine auszusortieren. Danach wird die Naht wieder verschlossen. Falls der Kissenbezug Brandlöcher aufweist, muss er ausgewechselt werden. Sind viele Kerne sowie die Umhüllung erheblich verbrannt, bleibt nur das Entsorgen.
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Bei rheumatischen Beschwerden, bei Hexenschuss sowie bei Ischias hilft ein mit Heublumen gefülltes Kissen gegen die Schmerzen. Unter den Begriff Heublumen (Graminis flos) fällt ein Mix aus kleinen Blütenblättern, Fasern, Härchen und Samen, die beim Aussieben von Heu durch das Gitter fallen. Zu den typischen Pflanzen, die im Heu enthalten sind, zählen Löwenzahn, Schafgarbe, Kamille, Ruchgras und Knäuelgras. Je nach Standort und Düngung gedeihen in Wiesen bis zu fünfzig unterschiedliche Gewächse. Sie enthalten ätherische Öle, Harze sowie sekundäre Pflanzenstoffe, die entzündungshemmend, durchblutungsfördernd und entkrampfend wirken.
Wer kein gebrauchsfertiges Heublumenkissen im Fachhandel erwerben will, bekommt entsprechende Pflanzenmischungen zum Abfüllen in Fachgeschäften für Gesundheit sowie im Versandhandel im Internet. Heublumenbeutel können auf einem Heizkörper erwärmt und anschliessend auf die erkrankte Körperregion aufgelegt werden. Die Wärme setzt die Inhaltsstoffe frei.
Noch intensiver wirken die Packungen, wenn sie in einen Topf gelegt und mit warmem Wasser übergossen werden. Man lässt sie respektive die enthaltenen Pflanzenstoffe während zehn Minuten im Wasser aufquellen. Danach wird die überschüssige Flüssigkeit aus der Packung ausgepresst und das Säckchen anschliessend auf die betroffene Stelle am Körper gelegt. Die Heublumenpackung sollte ungefähr 38 Grad haben. Die Behandlung wird bei Bedarf zwei bis drei Mal pro Tag wiederholt. Das Säckchen bleibt so lange am Körper, bis es ausgekühlt ist. Feuchte Packungen werden anschliessend sorgfältig an der Sonne, an der frischen Luft oder auf einem Heizkörper getrocknet, damit sich kein Schimmel bildet. Auch wenn durch den Kontakt mit Wasser einiges an Substanz «verloren» geht, sind Heublumen auch später noch nutzbringend. Sie wirken bei Kopf-, Bauch-, Nieren-, Gallen- sowie Blasenbeschwerden lindernd.
Gemäss dem Schweizer Bundesamt für Statistik leidet rund ein Viertel der Bevölkerung unter wiederkehrenden Schlafstörungen. Auch in Deutschland finden gleich viele Personen häufig keinen Schlaf. Von 100 Personen greifen acht immer wieder mal zu Schlaftabletten. Dabei droht das Risiko der Gewöhnung.
Zudem kann der gefürchtete sogenannte Hangover-Effekt eintreten: Schlafhilfen, die sehr spät eingenommen werden oder eine Langzeitwirkung haben, können in den ersten Morgenstunden zu Müdigkeit, Abgeschlagenheit und vereinzelt zu Schwindel führen. Durch sie steigt das Unfallrisiko. Weit harmloser ist ein Kissen oder ein Beutel mit schlaffördernden Heilkräutern auf dem Nachttisch oder neben dem Kopfkissen. Es wird zu gleichen Teilen mit Baldrianwurzelstückchen sowie mit Hopfen- und mit Lavendelblüten gefüllt. Mithilfe der beruhigenden Düfte stellt sich der Schlummer schon bald ein.
Manchmal will man nach einem hektischen Tag zur Ruhe kommen, ohne gleich einzuschlafen. Die Rezeptur für das passende Entspannungskissen lautet: Lavendel, Hopfen, Melisse, Orangenblüten und Waldmeister zu gleichen Teilen. Soll die Entspannung sehr unruhiger Kinder gefördert werden, eignen sich ebenfalls Kissen mit diesen Heilpflanzen. In die Form eines Kuscheltiers gebracht, wird das «Beruhigungskissen» schnell zum Lieblingsobjekt. Ohnehin sind den Formen der Kissen kaum Grenzen gesetzt. Überaus beliebt sind herzförmige Kräuterbeutel aus Baum- wolle oder aus Leinen.
Will es mit dem Ein- oder Durchschlafen nicht klappen, ist die Ursache gelegentlich das Bettzeug. Nicht alle Menschen finden auf einem mit Enten- oder Gänsedaunen gefüllten Kopfkissen erholsamen Schlaf. Die einen lehnen aus ethischen Gründen Bettzeug tierischer Herkunft ab, andere schwitzen in der Nacht übermässig. Ein feuchtes Kopfkissen senkt die Schlafqualität. Der Fachhandel bietet mittlerweile Kopfkissen mit p anzlichen Füllmaterialien aus ökologischem Anbau an. Charlotte Brandt schätzt mit Schafwolle gemischte Späne der Zirbelkiefer (= Arve). Der Volksheilkunde nach soll das ätherische Öl, das der alpine Na- delbaum verströmt, für einen besonders tiefen und erholsamen Schlaf sorgen.
Wenn eine triefende Nase und ständiger Husten einen am Einschlafen hindern, wirkt ein Kräuterkissen beruhigend auf die lästigen Erkältungssymptome. Die Herstellung ist denkbar einfach: In eine Textilhülle werden getrocknete Salbeiblätter sowie Fichtennadeln gefüllt, fertig. Wer nicht zum Sammeln der Ingredienzen kommt: Gebrauchsfertige Kräuterkissen gegen Erkältung kann man im Fachhandel erwerben. Wie von Charlotte Brandt erwähnt, ist auch Schafwolle bei Erkältungen angezeigt; sie kann als Kissenfüllung mit Spänen und Asttrieben von Nadel- bäumen angereichert werden. Deren ätherische Öle beruhigen die gereizten Schleimhäute. Schafwolle enthält das Wollfett Lanolin, das Erkältungsbeschwerden abschwächt.
Hanf ist ein beliebtes Füllmaterial natürlichen Ursprungs. Er wird meist mit Bio-Baumwolle gemischt. Hanfkraut wirkt wärme- und feuchtigkeitsausgleichend.
Diese Eigenschaften weist auch Dinkelspreu auf, das ebenfalls gerne als natürliche Kissenfüllung verwendet wird. Das weiche Material passt sich den Körperformen perfekt an. Daher verwendet man es vorzugsweise bei Schulter- und Nackenverspannungen. Eine Dinkelfüllung wirkt lockernd auf die Muskulatur. Dazu wird das Kissen bei 60 Grad während einer Viertelstunde im Backofen erwärmt. Ausserdem eignet es sich als Lagerungskissen bei Knie- und Fussbeschwerden. Beim Kauf von Dinkelkissen und anderen mit kleineren Körnern sollte man übrigens darauf achten, dass die Hülle in mehrere Kammern unterteilt ist. So verrutschen die Körner nicht so stark.
Kissen mit Füllungen, die Beschwerden lindern und das Wohlbefinden fördern, sind nicht nur eine Wohltat für einen selbst. Charlotte Brandt weiss aus langjähriger Erfahrung: «Mit geschmackvoll verzierten Bezügen sind sie ein geschätztes Mitbringsel oder Geschenk.»