Lavendel duftet nicht nur wundervoll, er ist eine Wohltat für alle Sinne und so vielseitig, dass man ins Schwärmen geraten könnte. Eine seltene Gabe macht ihn besonders wertvoll für Heilkunde und Wohlbefinden: Lavendel ist eine Pflanze des Ausgleichs und wirkt entspannend und anregend zugleich.
Niemand, der im Sommer durch Südfrankreich gereist ist, vergisst den unvergleichlichen Duft und die weiten, tiefblauen Lavendelfelder. Die Bergregionen des Mittelmeerraums sind die Heimat des Lippenblütlers.
Autorin: Dr. Claudia Rawer, 06.06
Bei uns gedeiht er an sonnigen Standorten wunderbar in den Gärten. Der Echte Lavendel heisst botanisch Lavandula angustifolia und ist auch im weniger milden Klima winterhart. Verwandte Kinder des Mittelmeerraums wie der Schopflavendel (Lavandula stoechas) sind empfindlicher und eher als Kübelpflanze geeignet.
Der Name Lavendel kommt vom lateinischen Wort für Waschen, lavare: Lavendelduft ist sozusagen Sinnbild von Sauberkeit, Klarheit und Frische. Aus über dreihundert Inhaltsstoffen setzt sich dieser faszinierende Geruch zusammen; auch wer Parfums und Duftwässer nicht besonders mag, kann sich seinem Zauber kaum entziehen.
«Auf den Kämmen und Hügeln der provenzalischen Berge wuchs die Wildpflanze im Einklang mit ihren vier Lieblingstieren: dem Esel, der mit dem Destillationsapparat zur Gewinnung ihres Öls beladen war, dem Rebhuhn, das seine Brut im Schatten ihrer Büsche in Schutz brachte; der Biene, die auf ihren Staubgefässen den farbigen Pollen fand, der den Honig aromatisierte, und dem Feldhasen, der sich vor den Jägern in Sicherheit brachte, indem er sich hinter ihren hohen, sich im Mistral sanft wiegenden Stängeln versteckte.»
So poetisch beschreibt die Autorin Anne Simonet-Avril das Leben des Lavendels auf seinen heimischen Hügeln. Lavendel ist die charakteristische Pflanze der Hoch-Provence und auch heute noch als Wildpflanze verbreitet. Inzwischen findet man im Anbau noch häufiger den Lavandin, eine natürliche Hybride von Echtem Lavendel und Speik-Lavendel (Lavandula latifolia), der weniger stark duftet und oft als Basis für preiswertere Essenzen und Öle verwendet wird.
Lavendel wirkt antiseptisch und eignet sich hervorragend als juckreizlinderndes und wundheilendes Mittel bei Insektenstichen, kleineren Brand- und anderen Verletzungen. Das wussten schon die römischen Legionäre, die Lavendelblüten auf ihre Feldzüge mitnahmen.
Bei Sonnenbrand kühlt Lavendel: Füllen Sie einen Zerstäuber mit kühlem Wasser, fügen Sie einige Tropfen Lavendelöl zu und besprühen Sie mit dieser Mischung mehrmals täglich die geröteten Hautpartien.
Beim Blutdruck zeigt Lavendel seine beiden unterschiedlichen Seiten ganz deutlich: Zum einen senkt er durch seine entspannenden, beruhigenden Eigenschaften zu hohen Blutdruck, zum anderen wirkt ein Lavendelbad bei niedrigem Blutdruck erfrischend. Seine normalisierende und zugleich aufhellende Wirkung übt Lavendel auf vielfältige Weise aus.
Ein Lavendelbad, ein Lavendelkissen oder ein paar Tropfen des ätherischen Öls helfen bei Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Migräne, Stress, Abgeschlagenheit und depressiven Verstimmungen.
Bei Beschwerden im Bereich des Oberbauches und Verdauungsproblemen entspannt Lavendeltee oder auch eine «Lavendelmassage»: einige Tropfen echtes Lavendelöl gegen den Uhrzeigersinn sanft einmassieren.
Schliesslich soll Lavendel sogar Liebeskummer heilen – und dafür sorgen, dass es dazu gar nicht kommt: Unters Kissen des Liebsten gelegt, weckt Lavendel romantische Gefühle, mit Lavendel parfümierte Wäsche soll widerspenstige Männer gefügig machen. Ob man das nun glaubt oder nicht, Lavendelsäckchen oder kleine getrocknete Sträusschen sorgten schon bei Grossmutter für frischen Duft im Kleiderschrank; Motten und Pelzkäfer werden auf unschädliche Art von der Garderobe ferngehalten.
Im Garten sind die blauen Blüten nicht nur farblich wunderschöne Partner für Rosen, Lavendel hält auch Ameisen und Läuse von den empfindlichen Gewächsen fern. Er blüht übrigens nicht immer nur blauviolett, es gibt viele unterschiedliche Sorten: «Hidcote white» zeigt ein fast klares Weiss, «Rêve de Jean-Claude» ist pastellblau, «Miss Katherine» blüht spät und in rosa.
In der Küche ist Lavendel eine ungewöhnliche, aber äusserst reizvolle Zutat. Man sollte ihn mit Fingerspitzengefühl verwenden, da er stark riecht und würzt.
Tut man das, lassen sich köstliche Geschmackserlebnisse erzüngeln: In Tartes, Sorbets, Crème brûlée, Eis oder Konfitüren sorgt Lavendel für überraschende Noten. Macht man sich die Mühe, die Blüten zu kandieren, bilden sie das i-Tüpfelchen auf Torten und Desserts.
Auch «salzig» lässt sich unser provenzalischer Freund einsetzen: Eine sommerliche Geschmacksexplosion sind junge Kartoffeln, in der Schale mit einigen zarten Lavendelblättchen gebraten. Versuchen Sie beim Grillen einmal eine Marinade aus Olivenöl, Thymian, Zitrone und Lavendelblüten oder eine mit Lavendel aromatisierte Kräuterbutter, die auch wunderbar zu gedämpftem Gemüse schmeckt.
Kommerziell wird Lavendel schon kurz vor der Entfaltung der Blüten geschnitten. Die Konzentration an wertvollen Inhaltsstoffen, wird er für Heilzwecke verwendet, ist zu diesem Zeitpunkt am höchsten. Im eigenen Garten muss man sich aber nicht vorzeitig des herrlich blauen Blütenmeers berauben – auch schon ein wenig angewelkt duften Ähren und Blätter noch herrlich. Man schneidet die Blütenstängel, bindet sie zusammen und trocknet sie an einem gut belüfteten und schattigen Ort. Hat man keinen eigenen Garten, bekommt man getrocknete Lavendelblüten in Apotheken, Drogerien oder Reformhäusern, manchmal auch an Kräuterständen auf dem Markt.