Stress ist heutzutage allgegenwärtig. Doch wie geht unser Immunsystem damit um? Die Abwehrzellen registrieren Stresshormone. In akuten belastenden Situationen zeigen bestimmte Abwehrzellen eine erhöhte Aktivität – das Immunsystem registriert sozusagen den Stress und hält sich bereit. Dauert der Stress allerdings zu lange (und wird somit chronisch), wird unser Immunsystem unterdrückt; die unspezifische und die spezifische Immunabwehr werden beeinträchtigt. Das führt zu erhöhter Infektanfälligkeit. Jeder von uns kennt das: In oder nach besonders stressigen Zeiten werden wir schneller krank, sind z.B. anfälliger für Erkältungskrankheiten.
Autorin: Dr. Silke Kerscher-Hack
Der Begriff „Stress" bezeichnet die Reaktion eines Menschen auf eine körperliche (physische) oder seelische (psychische) Belastung, welche von spezifischen äusseren Reizen hervorgerufen wird. Beispiele für solche auch als Stressoren bezeichneten Auslöser sind
Jede Beanspruchung – sogar ein angenehmer, jedoch als belastend empfundener Reiz – kann Stress verursachen, muss jedoch nicht. Dies hängt davon ab, wie die betroffene Person dies bewertet. Im Grunde gibt es drei Möglichkeiten. Der Stimulus wird eingestuft als:
Eine zweite (sekundäre) Bewertung klärt, ob wie die Situation bewältigt werden kann und welche Fähigkeiten der betroffenen Person zur Verfügung stehen. Hierzu gehören unter anderem das vorhandene Selbstvertrauen, materielle Ressourcen (z. B. Vermögen) sowie soziale Unterstützungsmöglichkeiten (transaktionales Stressmodell nach Lazarus). In diesem Stadium entscheidet sich also, ob der Mensch sich gestresst fühlt. Sind die nötigen Ressourcen vorhanden, kann die Belastung bewältigt werden (adäquates Coping). Fehlen diese, entsteht Stress.
Distress wirkt sich auf den gesamten Organismus aus und kann diesen – zum Teil irreversibel – schädigen. Er ist ein Risikofaktor für viele verschiedene psychische, psychosomatische und körperliche Gesundheitsprobleme:
Psychische Anzeichen von Stress:
Stress entsteht, wenn die Belastung mit den vorhandenen Ressourcen nicht bewältigt werden kann. In diesem Fall werden die beiden Stress-Achsen aktiviert:
Die Sympathikus-Nebennierenmark-Achse, von Medizinern auch als sympatho-medulläres System bezeichnet, dient zur kurzfristigen Anpassung an die Belastung. Innerhalb weniger Sekunden reagiert der Körper auf die bedrohlichen Umweltbedingungen und aktiviert den Sympathikus. Dieser gehört zum vegetativen (autonomen) Nervensystem, das die Abläufe im Körper, die man nicht willentlich steuern kann wie z. B. Atmung oder Herzschlag, regelt. Seine Aktivierung bewirkt, dass das Nebennierenmark die Hormone Adrenalin und Noradrenalin in den Blutkreislauf freisetzt. Diese wirken auf die verschiedensten Organe. Beispielsweise hemmen sie das Magen-Darm-System, setzen die gespeicherten Energiestoffe Fett und Glykogen (die Speicherform von Zucker und Kohlenhydraten) frei und erhöhen den Herzschlag, wodurch Muskeln, Haut und Gehirn besser durchblutet werden. Zudem wirken sie auf die Bronchien erweiternd, so dass sich die Sauerstoffaufnahme erhöht. Der Körper ist nun bereit für Kampf oder Flucht (Fight-and-Flight-Reaktion).
Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse wird zeitlich verzögert aktiviert. Sie bereitet den Körper darauf vor, dass die Belastung länger andauert (längerfristige Anpassung). Nach Einwirken des Stressors wird eine Kaskade an Reaktionen ausgelöst, die schließlich in der Nebennierenrinde, einem Teilbereich der Nebenniere, die Ausschüttung von Kortisol bewirkt. Die Folgen dieses Hormons sind zum einen verschiedene spezifische und unspezifische Abwehrprozesse. Damit auch bei extremen Umweltbedingungen ein konstanter Blutzuckerspiegel aufrecht gehalten werden kann, werden bei einer hohen Konzentration von Kortisol im Blut Aminosäuren zu Traubenzucker (Glukose) umgewandelt. Ist Kälte die Ursache des Stresses, bewirkt Kortisol die Freisetzung von Schilddrüsenhormonen, um den Grundumsatz und damit die Körpertemperatur zu steigern.
Daneben alarmiert Kortisol auch die natürliche oder angeborene Immunabwehr (unspezifisches Immunsystem), der ersten Instanz bei der Abwehr von Krankheitserregern, z.B. von virusbedingten Infektionen. Die Anzahl der natürlichen Killerzellen und Fresszellen nimmt zu, so dass Bakterien, Pilze und Viren besser unschädlich gemacht werden können. Allerdings sinkt kurze Zeit nach dem Anstieg die Menge an Immunzellen schnell wieder ab. Zudem interagiert Kortisol mit einem Netzwerk aus verschiedenen Nerven- und Immunbotenstoffen und erhöht so die Infektanfälligkeit. Manche dieser Botenstoffe unterdrücken eine angemessene Immunantwort oder stören die Barrierefunktion der Haut und Schleimhaut, sodass Krankheitserreger leichter eindringen können.
Diese Vorgänge sind der Grund dafür, weswegen akuter Stress eher anregend auf das Immunsystem wirkt, während die chronische Belastung es dagegen schwächt.
Beim Reduzieren von Stress helfen spezielle Stressbewältigungstrainings, in denen die Betroffenen den konstruktiven Umgang mit Stressoren sowie eine angemessene Stressreaktion erlernen. Die Trainings bestehen in der Regel aus folgenden Elementen:
Wichtig: Das beste Stressmanagement hilft nichts, wenn der Betroffene nicht sein eigenes Verhalten (sondern nur das der anderen) verändern will. Denn Veränderungsprozesse im Umfeld hängen direkt mit dem eigenen Verhalten zusammen.
Als Unterstützung gegen Stress können folgende pflanzliche Arzneimittel eingesetzt werden:
Es gibt zudem einige einfache Methoden, um generell zur Ruhe zu kommen:
Chronischer Stress kann im Extremfall lebensgefährlich werden. Folgende körperliche Komplikationen sind möglich:
Desweiteren kann Disstress Ursache folgender psychischer Krankheiten sein:
Häufiger oder andauernder Stress kann ernste Komplikationen verursachen. Ein Arztbesuch ist daher immer sinnvoll, wenn die Beschwerden nicht abklingen oder sogar zunehmen, wenn sie sich auch nach einer Erholungsphase nicht bessern und der Leidensdruck sich verstärkt.
Stress ist ein Ungleichgewicht zwischen einer Situation mit einer Anforderung einerseits und einem Menschen mit seinen Fähigkeiten andererseits. Das Ungleichgewicht wird als unangenehm und belastend empfunden. Risikofaktoren sind daher:
Eine positive Stressbelastung zeichnet sich durch einen harmonischen Wechsel aus Anspannung/Aktivität und Erholung/Entspannung aus. Die Unfähigkeit, Pausen einzulegen, also chronischer Stress, macht auf Dauer krank. Was hilft:
Zur Stressprävention gehören auch
Ursache von Stress bei Kindern sind
den psychischen und sozialen Anforderungen, die an das Kind in einem bestimmten Lebensabschnitt gestellt wird, gerecht zu werden (Entwicklungsaufgabe), z. B. Übergang vom Kindergarten in die Schule.
Kinder reagieren auf solche Belastungen meist mit körperlichen Beschwerden wie Kopf- und Bauchschmerzen oder Einschlafstörungen. Möglich sind aber auch Konzentrationsschwierigkeiten, Appetitlosigkeit, Lust- und Antriebslosigkeit. Zur Vorbeugung (Prophylaxe) sollten Eltern
Grosser Stress kann selbst bei jungen Paaren Empfängnisprobleme oder sogar eine Phase der Unfruchtbarkeit verursachen. Diese Reaktion des Körpers ist sinnvoll, da psychische oder körperliche Belastungen verhindern, dass sich die Frau auf die Schwangerschaft konzentrieren kann. Normalisiert sich die Situation wieder, verschwinden auch die Empfängnisprobleme.
Während der Schwangerschaft ist geringer Stress nicht schädlich für das Kind. Im Gegenteil vermuten Forscher sogar, dass er möglicherweise das Kind fördert. Ist die Mutter jedoch massiv gestresst, kann das die Entwicklung des Kindes ungünstig beeinflussen. Mögliche Folgen für das Baby sind:
Nach dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell oder auch Diathese-Stress-Modell entstehen psychische Erkrankungen, wenn sowohl eine erhöhte Anfälligkeit (Diathese, Prädisposition, Vulnerabilität) als auch aktuelle und chronische Belastungen (Stress) vorliegen.
Internet:
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https://leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/stress-und-stressbewaeltigung/ (Abruf: 03.03.2022)
PDF:
Hügle: Physiologische Veränderungen des Stressmarkers Cortisol, der Wachstumsfaktoren BDNF und VEGF, der Struktur des Hippocampus sowie kognitiver Fähigkeiten während eines Langzeitaufenthalts in der Antarktis, Dissertation (2021)
Keitel: Endokrine und subjektive Stressreaktionen im Rahmen simulierter Notfallsituation: Studien in einem Full-Scale-Patientensimulator, Dissertation (2011)
Wippert: Der Körper unter Spannung, Ergopraxis 5/09
Landesportbund Nordrhein-Westfalen: Schutzfaktoren und Risikofaktoren
Bücher:
Pschyrembel, DeGruyter, 268. Auflage (2020)
Löhmer, Standhardt: MBSR, Klett-Cotta, 3. Auflage (2015)
Pflege Heute, Urban&Fischer, 6. Auflage (2014)
Schewior-Popp, Sitzmann, Ullrich: Thiemes Pflege, Thieme, 12. Auflage (2012)
Strobel: Stressbewältigung und Burn-out-Prävention, Thieme, 3. Auflage (2021)
Zuletzt aktualisiert: 24-09-2024