Johanniskraut (Hypericum perforatum) wird bereits erfolgreich gegen Depressionen eingesetzt. Johanniskraut-Präparate können die Symptome einer leichten bis mittelschweren Depression ähnlich wirksam lindern wie herkömmliche Antidepressiva. Darüber hinaus sind die pflanzlichen Präparate besser verträglich.
Das Echte Johanniskraut wirkt innerlich angewendet bekanntermassen bei Angstzuständen, nervöser Unruhe sowie leichten bis mittelschweren Depressionen. Aber auch bei ausgeprägten Depressionen ist eine Therapie mit Johanniskraut ebenso wirksam wie synthetische Antidepressiva. Das bestätigt ein «Cochrane Review». Ein Team um Privatdozent Klaus Linde vom Zentrum für naturheilkundliche Forschung der Technischen Universität München wertete 29 Studien mit knapp 5500 Patienten aus und kam zu dem Ergebnis, dass der Pflanzenstoff deutlich besser als Placebo und ebenso gut wie synthetisehe Medikamente hilft. Der Vorteil von Johanniskraut: Das Naturprodukt sei deutlich besser verträglich, so die Bilanz von Linde und Kollegen. Die Abbruchraten waren nur ein Viertel so hoch wie bei der Therapie mit trizyklischen Antidepressiva und nur etwa halb so hoch wie bei der Behandlung mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI). Allerdings zeigt die Analyse der Untersuchungen auch, dass das pflanzliche Medikament in deutschsprachigen Ländern besser half als in anderen Regionen. Dies könne daran liegen, dass Johanniskraut hier eine längere Tradition habe und oft von Ärzten verschrieben werde, vermutet Linde. Die Münchner Forscher halten es jedoch nicht für sinnvoll, die Pflanzenextrakte eigenmächtig gegen Depressionen einzunehmen. Vor Gebrauch sollte man erst mit einem Arzt sprechen.
Vorsicht ist v.a. bei der Einnahme anderer Medikamente geboten, denn Johanniskraut-Präparate können deren Wirksamkeit beeinträchtigen, z.B. bei:
Äusserlich angewendet, dient es der Wundheilung und Hautpflege. Bei Blutergüssen, Prellungen und Quetschungen verhindert das Echte Johanniskraut durch seine gefässverengende Wirkung die weitere Ausbreitung der innerlichen Blutung. Es kann bei Verbrennungen Linderung verschaffen.
Anwendung: Blüten und Blätter ausquetschen und auf die betroffene Stelle legen. Alle zwei Stunden erneuern.
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Johanniskraut enthält einen Mix aus wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffen, vor allem Hyperforin sowie Flavonoide. Diese erhöhen wie synthetische Antidepressiva die Konzentration bestimmter Neurotransmitter im Gehirn, indem sie deren Wiederaufnahme in die Nervenzellen hemmen. So verbleiben Noradrenalin, Serotonin und Dopamin länger in der Lücke zwischen zwei Nervenzellen.
Extrakte der Heilpflanze werden auch in der Krebstherapie sowie bei Alzheimer erforscht. Diese neuen Ansätze sind auch mit ein Grund, warum sich der «Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde» an der Universität Würzburg dafür entschieden hat, das Echte Johanniskraut zur Arzneipflanze des Jahres 2015 zu machen. Und auch zur Heilpflanze des Jahres 2019 hat es das Johanniskraut geschafft. Auch hier argumentierten die Verantwortlichen des Vereins NHV Theophrastus damit, dass es die Vielseitigkeit ist, die das Gewächs so wertvoll macht. Ein weiterer Grund für die Würdigung liegt an der immer wieder infrage gestellten Wirksamkeit der Pflanze, wie Heilpraktikerin Christina Schäfer, Vorsitzende der Jury, erklärt: «Eine Heilpflanze, die so eine Odyssee durchlebt hat, verdient es, wiederholt gewürdigt und unter verschiedenen Aspekten der Naturheilkunde betrachtet zu werden, auch wenn sie bereits Arzneipflanze des Jahres 2015 war.»
Der Artname perforatum bedeutet «durchlöchert» und nimmt Bezug auf die wie von Nadeln zerstochen aussehenden Blüten und Blätter.
Das Johanniskraut (Hypericum perforatum), das in den Werken von Plinius und Dioskurides zu finden ist, wurde bereits im Altertum als Arzneimittel für somatische und psychische Leiden genutzt.
Es war ausserdem Bestandteil des Theriaks (Allheilmittel), den Kaiser Nero von seinem Arzt Andromachus als Antidot gegen Vergiftungen erhielt. In den altgermanischen Sonnwendkulturen spielte das Johanniskraut eine wichtige Rolle, denn einerseits weisen Blütenform und -farbe auf die Sonne hin, andererseits galt es als «Lichtbringer».
Bei der Christianisierung wurden die Sonnwendzeit und ihre Pflanzen Johannes dem Täufer geweiht, denn das Johanniskraut beginnt um Johanni (24. Juni) zu blühen und weist dann ihren höchsten Wirkstoffgehalt auf. Nach einer Volkslegende symbolisiert der rote Saft der Pflanze das Blut des Märtyrers Johannes.
Die Kräuterbuchautoren des frühen Mittelalters nannten die Pflanze auch «Corona regia», Königskrone, weil ihre Blüten einem himmlischen Strahlenkranz gleichen. Das Johanniskraut wurde von alters her zur Wund- und Schmerzbehandlung eingesetzt. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit diente es zudem als Psychotherapeutikum und Apotropaikum (unheilabwehrendes Mittel). Es wurde bei Exorzismen verwendet, worauf sein Name «Fuga daemonum» hinweist.
Paracelsus schrieb 1525 über das Johanniskraut (Hypericum perforatum): «das soll ietlicher arzt wissen, das got ein gross arcanum (Geheimnis) in das Kraut gelegt hat, allein von wegen der Geister und dollen fantaseien, die den Menschen in verzweiflung bringen.»
Der Ursprung des griechischen Gattungsnamens ist unklar. Eine Version besagt, dass er von hyper eikon «über jede Vorstellung, jedes Bild gehend» abgeleitet wird, was auf die grosse Heilkraft der Pflanze hinweist. Wahrscheinlicher ist jedoch der Bezug zum Titanen Hyperión («der Obere»), der mit Theia den Sonnengott Helios gezeugt hat. Helios (der mancherorts auch Hyperion genannt wird), trägt um das Haupt eine Strahlenkrone und heisst «der Leuchtende».
Aus einem weitverzweigten Wurzelstock wachsen im Frühjahr mehrere harte, oft rötlich gefärbte, kahle Stängel 50–80 cm hoch. Im oberen Teil sind sie verästelt und wachsen stark in die Breite. Ein charakteristisches Merkmal zur Unterscheidung von anderen Hypericum-Arten sind die zwei Längskanten der Stängel. Daran stehen die ungestielten, gegenständigen Blätter von länglich-ovaler und ganzrandiger Form, die mit feinen schwarzen Drüsenpunkten besetzt sind. Die goldgelben Blüten stehen an der Spitze der oberen Zweige und bilden einen ausgebreiteten trugdoldigen Blütenstand. Die fünfzipfligen, asymmetrischen Kronblätter sind ebenfalls mit Exkretdrüsen besetzt. Beim Zerquetschen der Blüten tritt ein blutroter Saft aus, der die Finger blauviolett färbt. Die zahlreichen Staubgefässe stehen in drei Bündeln vereinigt. Von H. perforatum gibt es vier Unterarten, die sich durch die Breite ihrer Kelchblätter unterscheiden. Verfälschungen und Verwechslungen kommen häufig mit nahe verwandten Hypericum-Arten vor. Sie lassen sich durch Stängelstücke oder mittels Dünnschichtchromatographie erkennen.
Die Blütezeit ist von Ende Juni–September.
Achtung: Echtes Johanniskraut kann leicht mit dem giftigen Jakobskreuzkraut verwechselt werden.
Das Johanniskraut ist in den gemässigten Klimazonen Europas, dem westlichen Asien und in Nordafrika heimisch und relativ weit verbreitet. In die anderen gemässigten Zonen wurde es eingeschleppt. Es bevorzugt trockene Kalk- oder Urgesteinsböden in sonnigen Lagen und findet sich auf Brachland, an Wiesen- oder Waldrändern, Mauern und Wegen bis auf 1'500 m Höhe.