Die Fichte ist auch eine altbekannte Heilpflanze (Baum des Jahres 2017). Aus den jungen Trieben lässt sich ein lindernder Sirup herstellen, der gegen Husten und Heiserkeit hilft. Fichtennadelöl ist zudem Bestandteil des erfrischenden Einreibemittels Franzbranntwein, duftende Nadelbaumextrakte tun im Badewasser gut.
Der Gattungsname Picea stammt vom griechischen peuke, peuch, pissa. Daraus wurde das lateinische pix, was «Pech» bedeutet und Bezug nimmt auf das Fichtenharz, welches bei Verletzungen des Stammes aus dem Holz austritt.
Der Name Fichte resp. Feichte (von feucht) ist urverwandt mit dem griechischen peuke. Der Name Rottanne nimmt Bezug auf die rotbraune Farbe des Stammes und der Äste. Im Volksmund werden Fichten/Rottannen (Picea) und Tannen/Weisstannen (Abies) als «Tannenbäume» zusammengefasst. Bereits bei den Kelten stand die Tanne in hohem Ansehen. In ihrem Kalender steht sie in der Zeit vom 2. bis 11. Januar und dem 5. bis 14. Juli, wobei die Wintersonnenwende am 21. Dezember der Silbertanne und dem Vokal A (genannt Ailm) geweiht war. Nach dieser Nacht werden die Tage wieder länger und die Tanne gilt seither als Baum der Geburt des Lichtes.
In den mittelalterlichen Kräuterbüchern werden Rottanne, Weisstanne und Lärche zwar genau unterschieden, ihre Anwendung wird aber zusammengefasst. Nach Lonicerus «lindern gesottene Tannenblätter die entzündeten Wunden und sind gut fürs Zahnwehe, mit Honig für den Lebersüchtigen. Tannenharz mit Honig gekocht, ist für Haupt-Fluss (= Schnupfen) und Halswehe, Angina genannt, und allen äusserlichen Schäden am Leib bequem. Der Terpentin soll sänfftiglich purgieren, die versehrte Brust, Lung und Leber reinigen und heilen. Sonderlich soll der Terpentin, wohl bereit und gewaschen, gut seyn für die Schwindsucht (= Tuberkulose), für alten Husten, Keichen und eytericht (= eitrig) Blutspeyen, von welchem Gebrechen sich die Schwindsucht erhebt».
Die Fichte kommt in Mitteleuropa bis in den hohen Norden, südlich aber nur etwa bis zum 40. Breitengrad vor. Im Osten wird die Fichte durch die Wolga begrenzt. Sie ist in Gebirgslagen über 900 m beheimatet und häufig auch mit verschiedenen Laubbäumen vergesellschaftet. Im Tiefland wird sie in grossem Ausmass kultiviert und hat dort die Tanne (= Weisstanne) fast völlig verdrängt.
Die Fichte oder Rottanne ist ein immergrüner, bis 60 m hoher Baum mit pyramidenförmiger Krone und schlankem, geradem, oft bis zum Boden beästeten Stamm aus der Familie der Nadelhölzer (Koniferen). Die Fichte ist ein Flachwurzler, was ihr bei Sturm oft zum Verhängnis wird. Ihre Rinde ist braunrot und wird im Alter rissig-schuppig. Ihre etwas nach abwärts hängenden Äste sind an der Spitze aufwärts gebogen. Sie sind ringsum oder auf der Lichtseite halbrings spiralig mit dunkelgrünen, vierkantigen, stachelspitzigen Nadeln besetzt. Rehe knabbern gern an den Zweigen der Fichte, noch lieber jedoch an denen der Weisstanne.
Erst nach dem 30. Lebensjahr kommt die Fichte zur ersten Blüte. Im Mai treibt sie gleichzeitig männliche und weibliche Blüten. Die unreifen männlichen Blütenkätzchen von der Grösse und Färbung einer Erdbeere, die meist zwischen den Nadeln vorjähriger Zweige hängen, werden bei der Reife durch die zahlreichen Blütenstaubkörner gelb gefärbt. Die an den Spitzen der Triebe stehenden weiblichen Blütenzäpfchen sind leuchtend karminrot. Reif sind sie braun, hängend und fallen als Ganzes ab. Noch im gleichen Jahr reifen in der Krone des Baumes die erst stehenden, dann hängenden Zapfen, die 10 bis 15 cm lang und 3 bis 4 cm dick werden.
Die Fichte kann bis zu 600 Jahre alt werden. Doch heute setzen ihr die Luftverschmutzung, hohe Ozonwerte, der saure Regen, die Bodenübersäuerung und Trockenheit zu. Nadelbäume leiden unter diesen Faktoren mehr als Laubbäume, weil sie ihre Nadeln nicht jährlich verlieren. Bestimmte Inhaltsstoffe wie Picein und Piceol gelten als Stress-Substanzen, die von der Fichte nur dann gebildet wird, wenn sie sich von Invasoren unbekannter Art bedroht fühlt.
Die Blütezeit ist der Mai.
In den Nadeln sind ätherische Öle enthalten, vor allem in den jungen, hellgrünen Trieben, unter anderem mit den Bestandteilen Borneol, Camphen, Limonen und Pinen. Sie wirken auswurffördernd, antimikrobiell und durchblutungsfördernd. Die jungen, hellgrünen Sprossen enthalten zudem Terpentin, Harz und Vitamin C.
Fichten- und Tannenspitzen werden bei Katarrhen der oberen und unteren Luftwege eingesetzt. Verwendet werden der mit Alkohol stabilisierte Presssaft und der wässrige Auszug aus frischen Fichtenspitzen, die im Frühjahr von wild wachsenden sowie von biologisch angebauten Fichten gepflückt werden. Für den Auszug werden die Trester der frisch ausgepressten Knospen mit kaltem Wasser angesetzt, und schonend extrahiert. Dieser Auszug wird mit Rohrohrzucker, Birnendicksaft und Honig nach traditionellem Rezept ebenfalls schonend unter Vakuum auf Sirupdicke eingekocht.
Das Rezept für den wässrigen Auszug:
1 bis 2 kleingeschnittene, frische Fichtenspitzen in einer Tasse kalten Wassers 6 bis 8 Stunden ziehen lassen, erhitzen ohne zu Kochen, 10 Minuten ziehen lassen, mit Kandiszucker oder Honig süssen. Ein Extrakt der jungen Triebspitzen und Nadeln wird in den USA verwendet für das Getränk «Spruce Beer». Dazu wird er mit Zuckersirup oder Melasse, Wasser und weiteren Bestandteilen gemischt und durch Hefezusatz vergoren. Medizinisch genutzt werden ferner Urtinktur, Fichtennadelextrakt und -öl, Harz, Kolophonium, Terpentinöl, -balsam, -salbe und Holzteer.
Die Fichte wird intensiv u.a. für Tischlerarbeiten, im Orgel- und Instrumentenbau (die Stradivaris sind aus Fichtenholz) und für Resonanzböden, als Brenn- und Bauholz, zur Papierherstellung, zu Telefonmasten, für Holzteer, Holzkohle und Gerberlohe genutzt. Das Harz dient zur Herstellung von Terpentinöl, Kolophonium und Pech.