Mehr als jeder vierte Schweizer leidet gemäss der Schweizerischen Gesundheitsbefragung unter mittelschweren oder schweren Schlafstörungen. Das kann auf Dauer die Gesundheit angreifen. Mögliche Folgen sind Stimmungsschwankungen, Konzentrationsprobleme und eine nachlassende Gedächtnisleistung. Auch die Infektanfälligkeit und das Risiko für Herz-Kreislauf-Leiden steigen. Also sollte man unbedingt etwas gegen Schlafstörungen unternehmen!
Autorin: Anja Rech, 11/20
Der häufigste Auslöser für Schlafstörungen ist gemäss der ärztlichen Behandlungsleitlinie Stress. «Aber auch schlechte Angewohnheiten spielen hier eine wichtige Rolle», ergänzt Prof. Dr. med. Sigrun Chrubasik, Ärztin aus Bad Ragaz. «Dazu zählen ein unregelmässiges Leben, zu wenig Bewegung, zu viel Alkohol und Kaffee sowie zu spätes Essen.»
Diese Faktoren zu ändern, ist Ziel der sogenannten Schlafhygiene, über die Patienten bei der Behandlung von Schlafstörungen informiert werden. Die Probleme können jedoch auch durch Erkrankungen hervorgerufen werden, etwa des Herzens, der Schilddrüse, oder sie sind Anzeichen einer Depression. Ausserdem können sie als Nebenwirkung von Medikamenten auftreten, beispielsweise von manchen Antibiotika, Schilddrüsenhormonen, Betablockern oder Antidepressiva.
Der «Klassiker» unter den schlaffördernden Heilpflanzen ist Baldrianwurzel (Valeriana officinalis). «Sie hemmt die Wachheit und unterstützt den Schlaf», erklärt Prof. Chrubasik, die auf Naturheilverfahren und Phytomedizin, also Pflanzenheilkunde, spezialisiert ist. Man wisse, dass Baldrianwurzel verschiedene Rezeptoren an Nervenzellen beeinflusse, etwa solche, an die auch Benzodiazepine andocken. «Der genaue Wirkmechanismus ist jedoch nicht bekannt.» Für die Wirkung verantwortlich sind mehrere Inhaltsstoffe. Wird Baldrian als Tee getrunken, werden nur wasserlösliche Inhaltsstoffe zugeführt; mit einem Extrakt in einem Medikament auch sehr konzentrierte fettlösliche. «Bei leichten Schlafstörungen empfiehlt es sich bis zu dreimal am Tag ein Tee aus zwei bis drei Gramm Baldrianwurzel.»
Anwendung: Dazu übergiesst man die kleingeschnittene Wurzel mit einer Tasse kochendem Wasser und lässt sie 10 bis 15 Minuten bedeckt stehen.
Als Einschlafhilfe sollte man ein bis zwei Tassen eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen trinken. Alternativ rät Prof. Chrubasik zu einigen Tropfen einer Baldrian-Urtinktur.
Die beruhigende Wirkung eines abendlichen Bades lässt sich mit der Heilpflanze ebenfalls unterstützen: Dazu gibt man 100 g davon in ein Vollbad.
Ebenfalls bewährt haben sich die weiblichen Blüten der Kletterpflanze Hopfen (Humulus lupulus), als Hopfenzapfen bezeichnet. Zu ihren würzigen ätherischen Ölen kommen viele weitere Inhaltsstoffe. «Hopfen wirkt ähnlich wie Melatonin», erklärt Prof. Chrubasik. Damit fördert er das Einschlafen. Man spricht von einer zentral dämpfenden Wirkung. «Der Wirkmechanismus ist noch nicht aufgeklärt.»
Anwendung: Als Tee mit 1 – 2 TL pro Tasse. Oder man macht sich abends eine Hopfenmilch: Dazu 2 TL zerkleinerte Hopfenzapfen in einen Teebeutel füllen, in einem Glas Milch (200 ml) kurz aufkochen, 7 Minuten ziehen lassen, mit Honig süssen.
Nach Angaben von Prof. Chrubasik weisen Tabletten, die einen Spezialextrakt aus Baldrian und Hopfen enthalten, unter den pflanzlichen Schlafhelfern die beste Evidenz für die Wirksamkeit auf; sie zeigten in Studien die besten Ergebnisse. Der Effekt entspreche dem von Benzodiazepinen. «Die Schlafphasen eins und zwei waren in den Studien verkürzt, die Teilnehmer konnten so besser einschlafen. Ausserdem verlängerte sich die Durchschlafzeit; sie fühlten sich am Morgen frischer», fasst sie zusammen. «Die Ergebnisse können allerdings nicht auf andere Kombinationen übertragen werden.» Der Extrakt trägt die wissenschaftliche Bezeichnung Ze 91019 und ist sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland nur in der Apotheke erhältlich.
Steckt innere Unruhe hinter den Problemen, bietet sich das Öl des Arznei-Lavendels (Lavandula angustifolia) an: «Es hilft gut, wenn Menschen Schlafprobleme haben, weil sie nicht abschalten können», beschreibt Apotheker Dr. Noé. «Dabei macht es nicht müde, nimmt aber Angst und Stress.» Prof. Chrubasik ergänzt: «Der Schlaf verbessert sich indirekt, weil das Lavendelöl Angstsymptome nachweislich reduziert.» Lavendelöl ist in Form von Kapseln in der Apotheke erhältlich. (Es gibt allerdings Hinweise auf mögliche endokrine und eventuell sogar kanzerogene Effekte von Lavendelöl. Speziell für Brustkrebspatientinnen erscheint es darum sinnvoll, lavendelölhaltige Produkte zu meiden, so der Rat von Experten.) Auch Lavendelduft kann uns zur Ruhe bringen – er gelangt über die Nase direkt ins Gehirn, wo er seine Wirkung entfaltet.
Anwendung: Bewährt sind Kräuterkissen. Füllen Sie dazu etwa 100 g getrockneten Lavendel in ein kleines Baumwollkissen. In der Wärme des Bettes entfaltet sich das Aroma besonders intensiv.
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Ebenfalls beruhigend wirkt die Heilpflanze Melisse (Melissa officinalis). Laut Prof. Chrubasik hat man nachgewiesen, dass ihr Wirkstoff unter anderem an sogenannte GABA-Rezeptoren im Gehirn bindet, die an schlaffördernden und angstlösenden Prozessen beteiligt sind. In einer Studie besserte eine Trockenextrakt-Kombination aus Melissenblättern (160 mg) und Baldrianwurzel (320 mg) Schlafqualität und Tagesbefinden besser als ein Scheinpräparat (Placebo). Die Teilnehmer nahmen die Dragees dazu zwei Wochen lang zweimal täglich.
Anwendung: Wer Melisse als Tee nutzen will, verwendet 2 g getrocknetes Kraut pro Tasse.
Magnesium trägt zur normalen Funktion des Nervensystems und normalen psychischen Funktion bei.
Die hübsche Heilpflanze Passionsblume (Passiflora incarnata) hat sich ebenfalls zur Behandlung von Anspannung und Nervosität bewährt. Sie wirkt wie die Melisse über GABA-Rezeptoren im Gehirn und ist Bestandteil von schlaffördernden Präparaten.
In der Volksheilkunde spricht man zudem Hafer (Avena sativa), den wir eher als Nahrungsgetreide kennen, eine beruhigende Wirkung zu. Man vermutet, dass der Wirkstoff Gramin, ein Alkaloid, dafür verantwortlich ist. Genutzt wird Haferkraut, also Stängel und Blütenstand, kurz vor der Blüte geerntet. Daraus bereitet man einen Frischpflanzensaft oder eine Tinktur zu, die man bei nervöser Erschöpfung, Schlafproblemen oder Erregungszuständen anwendet.
Anwendung: Auch als Tee lässt sich Haferkraut nutzen. Dafür werden 3 g zerkleinertes Kraut mit einer Tasse kochendem Wasser übergossen.
Kinder unter zwölf Jahren sollten sicherheitshalber nicht damit behandelt werden, da die schlaffördernde Wirkung nicht ausreichend erforscht ist. Auch Patienten mit Zöliakie verzichten besser darauf.
Während der Wechseljahre leiden Frauen häufiger unter Schlafstörungen. Eine iranische Studie zeigt, dass ein Extrakt aus den Blättern des Basilikums (Ocimum basilicum) die Schlafqualität verbesserte und die Zeit der Schlaflosigkeit verringerte. Die Probandinnen erhielten einen Monat lang 250 mg Basilikumextrakt in Kapselform. Eine australische Studie konnte die beruhigende Wirkung auch für das indische Basilikum (Ocimum tenuiflorum) zeigen. Mehr über Wechseljahre