Bei den Griechen und Römern war der Hafer wenig geachtet, denn wahrscheinlich kannten sie nur den Flughafer, Avena fatua, als lästiges Feldunkraut. Seine Veredelung durch zielbewusste Kulturauslese erfolgte vermutlich in der kaspisch-kaukasischen Tiefebene oder in dem daran angrenzenden turkestanischen Tiefland, von wo er schon in vorgeschichtlicher Zeit seinen Weg nach Nordwesten fand. Nördlich der Alpen lernten ihn die Römer als „barbarisches Brotkorn der Germanen“ kennen. Plinius berichtete, dass die Germanen Hafer säten und keinen anderen als Haferbrei ässen. Er war der Meinung, dass der Hafer ein unter dem Getreide vorkommendes Unkraut sei und durch Entartung der Gerste entstünde. Noch heute dient der Hafer im Süden überwiegend als Tierfutter.
Die Bedeutung des Wortes Avena, womit die Römer sowohl den wilden als auch den kultivierten Hafer bezeichneten, ist noch nicht geklärt. Vermutlich liegen ihm die Sanskritworte avi, was „Schaf“ bedeutet, oder avàsa, was „Nahrung“ heisst, zugrunde. Grimm hat nachgewiesen, dass der Name des Hafers sich in fast allen europäischen Sprachen mit dem des Bockes berührt. Demnach wurde der Hafer als Futter des Ziegenbockes bezeichnet.
Bei den Heilkundigen der Antike spielte der Hafer keine Rolle. Erst im Mittelalter wurde er gebührend erwähnt und im Laufe der Zeit wurden seine Anwendungsgebiete erheblich erweitert. Lonicerus schrieb in seinem Kräuterbuch von 1737: „Habern ist ein nützlich Getraid für Vieh und Leut. Zu Speiss gebraucht, ist es eine edel Arzney zum täglichen Stuhlgang, stopffet den Bauch, gibt kräfftige Nahrung. Seine Tugend ist, die Feuchtigkeit zu durchdringen und verzehret die harten Geschwär, das Meel davon als ein Pflaster aufgelegt. Und ist sonderlich gut für die Fisteln. In der Speiss ist er warmer Natur, aber in der Arzney äusserlich, soll er kühlen und trucknen. Habern ist gut genutzt zu aller Geschwulst am Leib, so von Hitz kommt. Gauch-Habern (= wilder Hafer) mit Stengel, Saamen und Kraut, in rothem Wein gesotten, und getruncken, stillet den rothen und weissen Bauch-Fluss und treibt den Harn, samt allem Unrath, in der Blasen und Mutter (= Gebärmutter) versammlet.“
Matthiolus schreibt 1563: “Die Würckung vom Habern: Die Brüe darinn Habermehl gesotten ist, ist gut wider den husten. Das Habermus wol gekocht und gessen, stopft den stulgang. Wider den lendenstein pflegt der gemeine man Habern oder Wacholterbeere zu wermen und in einem säckle auffzulegen. Habermehl wird gebraucht zu den geschwollenen, verrenckten gliedern, gleich wie Gerstenmehl. Habermehl mit bleiweyss vermenget, und das antlitz darmit gewaschen, macht es schön und klar. Wider die räude und schebichten grindt der kleinen kindlen ist nichts besser, dann Haberstro gesotten und darinne gebadet.“
Jahrhunderte hindurch diente die Hafergrütze vor allem in England (Porridge) und Deutschland als erstes Frühstück, bevor sie von Kaffee und Brot verdrängt wurde.
Der Hafer wächst als einjähriges, in Büscheln oder mit einzelnen Halmen wachsendes Gras. Die hohlen, kahlen Halme werden 20 bis 150 cm hoch und sind unverzweigt. Die Blattscheiden sind bis zum Grund geöffnet und die 3 bis 20 mm breiten, meist flach ausgebreiteten Blattspreiten sind in der Knospenlage gerollt. Aufrecht, locker und weit ausgebreitet steht die Rispe mit ihren weit abstehenden, wenig verzweigten, dünnen Seitenästen. Die etwa 15 bis 30 cm langen Rispen tragen meist zwei- bis dreiblütige Ährchen. Die Blüten sind zwittrig, wie bei den meisten Getreidearten. Die Deckspelze der oberen oder beider Blüten ist unbegrannt. Nach der Fruchtreife hängen die Ährchen herab. Das Getreidekorn ist eine einsamige Schliessfrucht (Karyopse), die von den Spelzen fest umschlossen bleibt, oder in der Reife aus den Spelzen herausfällt (sog. Nackthafer). Der Hafer ist das luftigste, lichtliebendste der einheimischen Getreide.
Die Blütezeit ist von Juli bis August.
Der Hafer ist eine Ruderalpflanze, d.h er gedeiht auf stickstoffreichen Schutt- und Abfallplätzen und an Weg- und Strassenrändern von der Ebene bis in Gebirgslagen. Er ist eine sekundäre Kulturpflanze, die zunächst als unerwünschter Begleiter von anderen Getreidearten auftrat. Er braucht, im Gegensatz zur Gerste, viel Feuchtigkeit. Seine Saftigkeit macht ihn zum Grünfutter geeignet, er ist Gras und Korn zugleich. Der im Haferfeld häufig als Unkraut wachsende Ackersenf entsäuert den Boden, der vom Hafer stark versäuert wird. Versuche zeigen, dass unkrautfrei gewachsener Hafer weniger robust ist als solcher, der zusammen mit Ackersenf wächst.
Die Gerste gehört zu den trockenen Mittelmeerländern, der Hafer zu den regenreichen, kühleren, aber mit langen Lichttagen gesegneten nordischen Bergländern. Der Hafer wird mittlerweile fast weltweit in den niederschlagsreichen Gebieten der gemässigten Zonen angebaut. Seine Produktionsmenge steht noch vor der Gerste oder dem Roggen.
Verwendet werden die oberirdischen Pflanzenteile des Hafers aus biologischem Anbau, die zur Blütezeit geerntet werden. Die Haferpflanze wird in frischem Zustand kleingeschnitten und mit Alkohol zur Urtinktur mazeriert. Für die homöopathischen Dilutionen wird die Urtinktur von Hand in Verdünnungsstufen potenziert.
Zur Ernährung dienen Hafermehl, -flocken und die -grütze, die einen besonders hohen Nährwert hat. Hafermehl dient in der Nahrungsmittelindustrie als Stabilisator, z.B. für Eiscrèmes und in der Kosmetikindustrie in Hautpflegepräparaten. Ferner wird der Hafer als Tierfutter genutzt und u.a. für die Ethylenproduktion eingesetzt.