Eine Nase voll süssen Dufts zur Beruhigung? Forscher sagen «ja»: Sie haben einen Stoff entdeckt, der duftet wie Jasmin, aber ähnlich wirkt wie ein Beruhigungsmittel. Jedoch ist der Weg zum Einsatz im Schlafzimmer noch weit.
Autorin: Gisela Dürselen, 10.2012
Der Duftstoff mit dem komplizierten Namen Vertacetal-coeur (VC) und sein synthetisches Pendant riechen jasminähnlich und sollen genauso beruhigen wie Benzodiazepine (z.B. Valium) oder das Narkosemittel Propofol. Sie binden im Gehirn auch an den gleichen Rezeptor wie Benzodiazepine. VC wird auch als Gardenia-Acetal bezeichnet und als chemische Verbindung in der Parfümindustrie benutzt. Die Blüten der aus Asien stammenden Gartenblume Gardenie (Gardenia jasminoides) duften nämlich ähnlich verführerisch wie der von den Wissenschaftlern untersuchte Stoff, und ihr Duft wirkt offenbar vergleichbar beruhigend.
Warum ausgerechnet der Duft der Gardenie dem psychoaktiven VC-Stoff so ähnlich ist, wissen die Forscher noch nicht. Denn die ätherischen Öle dieser Pflanze bestehen aus Hunderten von Bestandteilen, und eine Analyse all ihrer Komponenten ist höchst kompliziert.
Jedenfalls scheinen schon die Menschen der Romantik geahnt zu haben, dass die Gardenie auf mehr als nur eine Weise betört: Zu einem Rendezvous steckten sie sich gerne eine ihrer Blüten ans Revers, weshalb die Gardenie im Volksmund auch Knopflochblume heisst.
Magnesium trägt zur normalen Funktion des Nervensystems und normalen psychischen Funktion bei.
Am Anfang der Studien von Prof. Hanns Hatt von der Ruhr-Universität Bochum sowie Dr. Olga Sergeeva und Prof. Helmut Hass von der Universität Düsseldorf stand die Frage, wie Psychopharmaka wirken.
Sie fanden heraus, dass diese den Organismus über Rezeptoren an Nervenzellen im Gehirn beeinflussen. Von dort aus verstärken sie die Wirkung des körpereigenen Botenstoffs Gamma Aminobuttersäure (GABA). GABA ist der wichtigste Neurotransmitter im zentralen Nervensystem. Das Entscheidende an GABA: Dieser Botenstoff löst Angst, entspannt und fördert den Schlaf.
In einem zweiten Schritt untersuchten die Geruchsforscher Hunderte von Duftstoffen und suchten nach ähnlichen Wirkungsmechanismen wie bei den bekannten Beruhigungs-, Schlaf- und Narkosemitteln. Bei den jasminartig duftenden VC-Duftkomponenten wurden sie fündig: In Versuchen mit Mäusen steigerten die Duftstoffe die Wirkung des Neurotransmitters GABA auf seine Rezeptoren ums Fünffache – ebenso viel wie Valium und Propofol.
Noch etwas entdeckten die Wissenschaftler: In den Versuchen machte es keinen Unterschied, ob das VC gespritzt oder nur eingeatmet wurde. In einem Plexiglaskäfig, in dem ein Duft-Gefäss stand, wurden die Versuchsmäuse ebenso ruhig und schläfrig, wie wenn ihnen der Wirkstoff gespritzt wurde.
Genau das macht die Ergebnisse laut dem Biologen und Humanmediziner Hatt so spektakulär: Denn sie belegen, dass Düfte über die Atmung in die Lunge und von dort aus über das Blut ins Gehirn gelangen – und auf diesem Weg die Psyche beeinflussen. «Medikamente machen das Gleiche», sagt Prof. Hatt. «Sie verstärken nur die Wirkung des körpereigenen GABA-Botenstoffs an den Rezeptoren.»
Für Prof. Hatt ist dies erstmals ein wissenschaftlicher Beweis für die psychoaktive Wirksamkeit von Düften und damit der gesamten Aromatherapie. Dies sei deshalb wichtig, weil derartige Ergebnisse bisher nicht vorlägen. Darum habe die Schulmedizin die Aromatherapie lange nicht ernst genommen. Dabei scheint es plausibel, dass Düfte über die Nase auch die Psyche beeinflussen können: In der menschlichen Nase befinden sich etwa 30 Millionen Riechzellen und über den Geruchssinn sammeln wir wichtige Informationen. Aromatherapeuten sagen schon lange, dass jasminähnliche Düfte den Schlaf fördern. Das konnten wir nun bestätigen», berichtet Prof. Hatt.
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Inzwischen haben die Geruchsforscher das Patent auf ihre Entdeckung erhalten und hoffen nun auf eine Pharmafirma, die Interesse an dem Projekt bekundet und zusammen mit den Universitäten ein neues Duft-Medikament entwickelt.
Seit Anfang 2011 laufen erste Studien mit menschlichen Probanden. Dabei testen die Wissenschaftler auch, in welchen Dosierungen und mit welchen Molekülstrukturen die Düfte ihre beste Wirkung entfalten. Der Weg von den ersten Ergebnissen bis hin zum fertigen Medikament sei erfahrungsgemäss lang, sagt Hanns Hatt, der einer der bekanntesten Geruchsforscher in Deutschland ist.
So kann es noch eine Zeit dauern, bis Duftlampen die Pillendose im Schlafzimmer ersetzen. Trotzdem kann sich Prof. Hatt gut vorstellen, dass die neu entdeckten Duftstoffe eines Tages eine nebenwirkungsfreie Alternative zu herkömmlichen Schlafmitteln sein können – zumindest für Menschen mit leichteren Einschlafproblemen. Auch in der angstlösenden, beruhigenden, erregungs- und aggressionsdämpfenden Therapie sei ihr Einsatz denkbar.
Ob es bis zur Marktreife des neuen Duft-Medikaments genügt, zum Einschlafen eine Gardenienblüte im Zimmer zu haben, bleibt dahingestellt. Denn noch ist nicht klar, in welchen Dosierungen jasminartige Düfte am besten wirken.
Streng wissenschaftlich gesehen funktionieren sie nur über das Andocken von Molekülen ans Gehirn. Für die VC-Stoffe ist dies durch aufwändige Studien bewiesen. Von der Gardenie indes wissen die Forscher nur, dass sie so ähnlich wirkt – jedoch nicht wie. Dabei ist diese Pflanze in der Traditionellen Chinesischen Medizin bekannt: Sie trägt den Namen «Zhi Zi», was so viel wie «Weinkrug» bedeutet, und ähnlich einem Weinkrug wurde ihr eine kalt-feuchte Natur zugeschrieben. Ihre Früchte wurden unter anderem gegen Fieber verschrieben, aber auch gegen Ruhelosigkeit und Gereiztheit.
Wenn Sie sich für die Pflanze interessieren: Beheimatet ist die Gardenia jasminoides in Asien: Vietnam, Taiwan, Japan und Südchina. Dort sind die Tage feucht und warm, die Nächte ein wenig kühler. Das bestimmt auch die Vorlieben der Gardenie im Topf. Sie braucht Helligkeit, aber keine direkte Sonne, ausreichend Feuchtigkeit in der Erde und in der Luft sowie Temperaturen zwischen 17 und 24 °C – während der Bildung der Blüten etwas weniger, damit die Knospen nicht abfallen.
Im frostfreien Mitteleuropa ist die Jasmingardenie ein beliebter Zierstrauch in Parks und Gärten und erreicht dort eine beachtliche Grösse von bis zu eineinhalb Metern. Im Zimmer bleibt sie viel kleiner. Dafür blüht sie bei guter Pflege vom ausgehenden Frühling bis in den Herbst und betört mit ihren Blüten, die nach Jasmin duften und in ihrer Form an Rosen erinnern.
Von ihren Blüten stammt auch der volkstümliche Name Jasminrose: Botanisch aber ist die Gardenia jasminoides weder mit Rosen noch mit dem Jasmin verwandt, sondern gehört zu den Kaffeegewächsen.
Auch andere Düfte als die der Gardenie wirken angstlösend und schlaffördernd. Aromatherapeutin Barbara Bernath-Frei kennt sich damit aus: Der Duft der Orangenblüte, Neroli genannt, ist sehr gut erforscht und wird in der Pflege sowie in der Psychiatrie mit viel Erfolg angewandt, da er stimmungserhellend, angstlösend und beruhigend wirkt.
Es ist ein kostbares und deshalb teures ätherisches Öl, das Sie mit Vorteil bei einem seriösen Anbieter kaufen, da es oft gefälscht wird. Auf 50 Milliliter Jojobaöl geben Sie 5 Tropfen Neroli und bewahren die Mischung in einer verschliessbaren, lichtgeschützten Glasflasche auf. Abends können Sie einige Tropfen dieser Mischung in der Herzgegend, auf dem Sonnengeflecht oder in den Händen einreiben.
Ausserdem sind Lavendel und Zitronenmelisse als schlaffördernd und entspannend bekannt. Lavendel kann man doppelt so hoch dosieren wie Melisse und Neroli, also 10 Tropfen auf 50 Milliliter Jojobaöl.