Grüner Tee hat nicht nur eine lange Tradition in der asiatischen Kultur, er wird auch intensiv erforscht, z.B. in Zusammenhang mit Alzheimer, Krebs sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Grund dafür sind die Katechine, welche die Blätter der Teepflanze so interessant machen. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Epigallocatechingallat (EGCG).
Tino Richter 10.17
Die Teepflanze ist eine der faszinierendsten Genuss- und Heilpflanzen, die es gibt. Verwendet wird die Tee-Droge als Schwarztee und grüner Tee. In China heisst der Aufguss Chá, in Indien Tschaj und in Japan Cha – auch in Portugal, Holland und England wurde das Getränk lange Cha oder Tay genannt, bis daraus Tea oder Tee wurde. Mit dem Tee-Import von Asien nach Europa wurde der Name «Tee» auch für unsere Kräuter-Aufgüsse übernommen.
Seit Jahrtausenden ist Tee als Aufguss aus dem Blatt der Teepflanze Camelia sinensis ein Volksgetränk in China, seit Jahrhunderten in Tibet, Indien und Japan. Tee ist ein wichtiger Bestandteil der Zen-Zeremonien sowie seit Urzeiten eine wichtige Medizin, die heute z.B. in Form von Matcha wiederentdeckt wird. Dabei handelt es sich immer um den grünen Tee, also um die Verwendung des getrockneten, zuerst evtl. gedämpften, aber nicht fermentierten Blattes. Der Schwarztee wurde erst durch die Portugiesen, Holländer und schliesslich Engländer in den frühen Kolonialzeiten populär und nach Europa importiert.
Schon seit Jahrhunderten haben sich die Tee-Anbaugebiete auf Teile Indonesiens, Russlands, Kleinasiens und sogar Afrika und Südamerika ausgedehnt. Mit dem Tee-Import aus Asien nach Europa wurde der Name «Tee» auch für unsere Kräuter-Aufgüsse übernommen. Aus dem Kräuter-Aufguss wurde dann in unserem Sprachbereich etwas «widersinnig» die heute allgemein übliche Bezeichnung «Kräuter-Tee».
Der Schwarztee entsteht durch Fermentation. Dabei werden die Blätter Sauerstoff ausgesetzt, was zur Braunfärbung der Teeblätter und zum Verlust der Bitterstoffe führt. Im Gegensatz zum grünen Tee gehen dabei aber auch mehr wertvolle Inhaltsstoffe wie Catechine und Aminosäuren verloren.
Aufsteigend vom Grüntee zeichnen sich daher der weisse und der gelbe Tee sowie Oolong und Pu-Erh Tee bis hin zum Schwarztee durch einen höheren Fermentationsgrad aus. Beim Grüntee verhindert das sogenannte Dämpfen, dass die frisch geernteten Blätter zu fermentieren beginnen. Wieder andere Methoden schliessen sogar ein «Rösten» der getrockneten Blätter ein.
Die chemische Zusammensetzung des grünen Tees ist komplex: Proteine, Aminosäuren, Kohlenhydrate sowie Minerale und Spurenelemente wie Kalzium, Magnesium, Chromium, Mangan und Eisen machen die Hauptbestandteile aus.
Proteine: 15-20% v. Trockengewicht)
Kohlenhydrate: 5-7%
Minerale und Spurenelemente: 5%
Aminosäuren: 1-4%
Hinzu kommen noch Spuren von Lipiden und Vitaminen und eine nicht unerhebliche Menge an Alkaloiden wie Koffein. Die gesundheitsfördernden Wirkungen werden aber den Polyphenolen zugeschrieben, die bis zu ein Drittel der Trockenmasse ausmachen können. Hierzu zählen wiederum Flavanole, Flavonoide und Phenolsäuren. Hauptbestandteile der Flavonoide sind die Katechine, von denen sich vier Arten in grünem Tee finden:
Epicatechin (EC, 2%)
Epicatechin-3-gallate (ECG, 2-3%)
Epigallocatechin (EGC, 10%)
Epigallocatechingallat (EGCG, 10-15%)
Besonders EGCG hat die Aufmerksamkeit der Wissenschaft erregt, unter anderem bei Alzheimer. Der Stoff wird aber noch im Zusammenhang mit einer Reihe anderer Leiden untersucht: Unter anderem soll er Herzmuskelzellen stärken, das Auftreten von Herzrhythmusstörungen hemmen sowie den chronischen Entzündungsprozess im zentralen Nervensystem bremsen, wie er bei Multipler Sklerose auftritt. Die Effekte wurden allerdings nur im Labor gemessen. Ein ausgereiftes Medikament auf Basis von EGCG gibt es noch nicht.
Gross angelegte Befragungsstudien zeigen immer wieder, dass regelmässiger Grünteegenuss offenbar das Risiko von Infarkten, Schlaganfällen, Diabetes, Übergewicht, Magen- und Darmkrebs sowie degenerativen Erkrankungen des Nervensystems mindert. Jedoch hat die Zubereitungsmethode nicht nur einen quantitativen, sondern auch einen qualitativen Einfluss auf den Gehalt an Catechinen: Bei frisch aufgebrühtem Tee geht maximal die Hälfte der Katechine aus den Blättern in das Wasser über, so dass etwa 117 bis 442 mg EGCG pro Liter enthalten sind.
Das erwähnte Molekül EGCG offenbarte in Laborversuchen erstaunliche Eigenschaften: es kann die Anzahl falsch gefalteter Eiweissbündel verändern und reduzieren, die bei der Alzheimerkrankheit zu den bekannten Verklumpungen führen und damit die Nervenzellen schädigen können. Kein anderes Molekül besitzt diese Eigenschaften. Jedoch ist Epigallocatechingallat in seiner ursprünglichen Form zu instabil, um als Medikament eingesetzt zu werden. Forscher arbeiten deshalb daran, das Molekül entsprechend umzubauen.
Auch bei kognitiven Tätigkeiten kann Grüntee unterstützend wirken. Studien zeigen, dass sich beim Trinken von Matcha leichte Verbesserungen der Wahrnehmungsgeschwindigkeit und im episodischen, sekundären Gedächtnis bei Gesunden einstellen können. Auch Forscher der Universität Basel kommen zu dem Schluss, dass sich kognitive Fähigkeiten verbessern, wenn vorher ein Grüntee-Extrakt getrunken wurde. Die Wirkung beruht auf der Verbesserung der effektiven Konnektivität, also dem Einfluss, den ein bestimmtes Hirnareal auf ein anderes ausübt. Das führte wiederum zu einer Steigerung der Denkleistung: Die Testpersonen erzielten nach der Einnahme des Extrakts mit bis zu 27.5 Gramm Tee auf 500 ml) signifikant bessere Testresultate, vor allem das Arbeitsgedächtnis verbesserte sich. Einschränkend muss hier die sehr kleine Probandenzahl von zwölf Teilnehmern genannt werden.
Andere Studien aus Asien weisen auf Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit des Grünteetrinkens und dem verminderten Risiko für Demenz hin. Einer japanischen Studie an älteren Personen ab 65 Jahren zufolge, geht der Genuss von fünf Tassen grünem Tee pro Tag mit einer um 27 Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit für Demenz einher. Ob sich das auch auf andere Länder übertragen lässt und ob Grünteetrinker generell mehr auf ihre Gesundheit achten, beantwortet die Studie jedoch nicht.
Einer japanischen Studie zufolge kann regelmässiger Konsum von Matcha-Grüntee die emotionale Wahrnehmung einschliesslich der Erkennung von Gesichtsausdrücken und Beschreibungen bei älteren Erwachsenen mit kognitivem Abbau oder leichter kognitiver Beeinträchtigung verbessern. Auch die Schlafqualität verbesserte sich leicht. Die Probanden hatten hierzu zwölf Monate lang täglich zwei Gramm Matcha-Grüntee oder ein Placebo erhalten. Keine signifikanten Verbesserungen stellten sich jedoch bei dem MoCa-Test (Montreal-Cognitive-Assessment-Test) zur Früherkennung von Demenz sowie der Skala zur Bewertung von Alltagsfunktionen für Personen mit milden Alzheimer-Symptomen (Alzheimer’s Disease Cooperative Study Activity of Daily Living, ADCS-ADL) ein.
Durch die antioxidativ wirkenden Katechine wird Grüntee oft eine krebsschützende Wirkung zugeschrieben. Belegt ist, dass besonders EGCG und ECG freie Radikale deaktivieren und so Zellen vor Schäden an der DNA schützen können. Beobachtungsstudien legen nahe, dass ein hoher Grünteegenuss mit einem verminderten Risiko für Eierstock-, Brust-, Prostata-, Lungen- und Darmkrebs in Zusammenhang steht sowie mit einer Verzögerung von neu auftretenden Krebserkrankungen. Zehn Tassen pro Tag verzögerte einer Studie aus Japan zufolge demnach das Auftreten einer Krebserkrankung bei Frauen um fast acht, bei Männern um mehr als drei Jahre. Doch ob andere Faktoren wie eine generell gesündere Lebensweise einen Einfluss auf das Auftauchen von Krebs hatte, konnte die Studie letztlich nicht ausschliessen.
Aber auch bei hochkonzentrierten Dosen, die nicht mehr mit normalem Teetrinken erreicht werden können, zeigen sich Erfolge. Eine tägliche Aufnahme von Tabletten mit Grüntee-Extrakt zusätzlich zu zehn Tassen grünem Tee verringerte in einer weiteren Studie aus dem Jahr 2008 das Risiko für ein Wiederauftreten von Polypen im Darm.
Eine Metaanlyse der Cochrane-Vereinigung aus dem Jahr 2009 kommt zwar zu dem Schluss, dass die bisherigen Ergebnisse unzureichend und auch widersprüchlich sind, was das Teetrinken allein als präventive Massnahme betrifft. Belegt ist jedoch die Wirksamkeit der im Grüntee enthaltenen Antioxidanzien.
Es gibt auch Hinweise, dass das Trinken von Grüntee selbst eine schützende Wirkung mit Blick auf die Entstehung bestimmter Krebsarten haben kann. Jedoch fehlen klinische Studien, die andere Einflussfaktoren wie Bewegung und Ernährung ausschliessen könnten. Die meisten Forschungsergebnisse hierzu stammen zudem aus Asien, wo das Teetrinken traditionell einen viel grösseren Stellenwert hat als in Europa, was die Ergebnisse verzerren könnte.
Eine Langzeitstudie aus Japan kommt zu dem Schluss, dass fünf Tassen grüner Tee pro Tag mit einer um 16 Prozent geringeren Sterblichkeitsrate in Zusammenhang stehen. Ging es speziell um Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Todesfolge war das Risiko sogar um 26 Prozent geringer. Am meisten profitierten zudem Frauen, ihre Wahrscheinlichkeit an Herzinfarkt zu sterben, sank gar um 31 Prozent. Aber auch hier könnte eine generell gesündere Lebensweise von Teetrinkern für die Effekte mitverantwortlich sein. Wichtig ist jedoch, dass der grüne Tee nicht mit Milch getrunken wird, denn die Kaseine aus der Milch verhindern die Wirkung der Catechine.
Laut einer Untersuchung der Cochrane-Vereinigung aus dem Jahre 2012 gibt es einen statistisch nicht signifikanten Zusammenhang zwischen dem Trinken von Grüntee und dem Gewichtsverlust. Einer Studie aus Taiwan aus dem Jahre 2016 zufolge soll jedoch eine zwölfwöchige Behandlung mit hochdosiertem Grünteeextrakt (856.8 mg/Tag) an 115 Frauen zu einer signifikanten Reduzierung von Gewicht, Bauchumfang sowie ein Rückgang des LDL-Cholesterins geführt haben. Nebenwirkungen traten keine auf.
Zwar enthalten Grünteeblätter rund fünfmal mehr Koffein als Kaffeebohnen, durch das Aufgiessen mit einer grösseren Wassermenge, enthält der Tee dann aber weniger des Alkaloids als Kaffee. Je länger der Tee zieht, desto mehr Gerbstoffe werden freigesetzt und desto mehr Koffein wird gebunden. Hinzu kommt, dass für einen Liter Kaffee mehr Kaffeebohnen (ca. 50 Gramm) als Teeblätter (etwa 13 Gramm) für den Tee benötigt werden. So kommt Kaffee auf das Doppelte bis Dreifache an Koffein. Das Koffein im Tee wird ausserdem langsamer abgegeben als beim Kaffee, hält aber auch länger an. Kapseln mit Grüntee-Extrakten kommen jedoch auf mehr Koffein und können zu Schlafstörungen und Herzrhythmusstörungen führen.
Teesorte/Koffeingehalt pro 236 ml
Schwarztee: 64 bis 112 mg
Oolong Tee: 29 bis 53 mg
Grüner Tee: 32 bis 37 mg
Weisser Tee: 24 bis 39 mg
Neben der Wahl der Teesorte bestehen z.T. komplizierte Zusammenhänge zwischen der mehr oder weniger anregenden Wirkung des Tees, die durch das Wachstumsstadium des Blattes, die Zeit des Ziehenlassens und selbstverständlich durch die Dosierung erheblich verändert wird. Bei kurzem Ziehenlassen enthält der Grüntee mehr Koffein, das nicht mehr an Gerbstoffe gebunden ist und beim Genuss des Tees sehr schnell aufgenommen wird. Bei längerem Ziehenlassen, nach ca. vier bis acht Minuten, lösen sich allmählich auch die Gerbstoffe sowie die weiteren Wirkstoffe des Tees. Die Gerbstoffe haben die Eigenschaft, die Resorption des Koffeins in Magen und Darm teilweise zu verhindern und zu verzögern. Dieser länger angesetzte Aufguss ist zwar im Aroma viel kräftiger, jedoch wirkt das darin enthaltene Koffein schwächer bzw. verzögert.
Sensible Menschen können daher durch einen überdosierten «Afternoon Tea» auch zu später Nachtstunde noch im Schlaf gestört werden. Mit Sicherheit kann auch ein langer, vier bis acht Minuten, angesetzter Tee niemals beruhigend wirken, da das Teeblatt ganz einfach keine beruhigenden Wirkstoffe enthält und solche auch bei längerem Ziehenlassen nicht entstehen können.
Die Koffeinmenge kann reduziert werden, indem die für die Teebereitung vorgesehene Menge Teekraut mit wenig kochendem Wasser übergossen wird und nach einer halben Minute wieder abgesiebt wird. Nach diesem Prozess wird der Tee wie üblich angegossen. Durch eher schwache Dosierung des Teekrauts
(max. ein gestrichener Teelöffel pro grosse Tasse) und längeres Ziehenlassen (sechs bis acht Minuten) – selbstverständlich ohne Zusatz von Zucker oder künstlichen Süssstoffen – erhalten wir den bekömmlichsten Tee. Der nur durch kurzes Ziehenlassen bereitete Tee ist so im Aroma «milder».
Wie bei allen bioaktiven Stoffen, kann es auch bei den Polyphenolen zu Wechselwirkungen mit Medikamenten kommen. In grösseren Mengen (d.h. ab 50 Tassen pro Tag) wirkt EGCG sogar schädigend auf Leber, Niere und Darm. Zudem bilden die Gerbstoffe feste Verbindungen mit pflanzlichem Eisen, was besonders bei Veganern, Patienten mit Blutarmut oder Personen mit bestehendem Eisenmangel dazu führen kann, dass das Eisen aus Pflanzen (im Gegensatz zu Eisen aus tierischen Quellen) nicht so gut aufgenommen wird. Grüntee sollte deshalb zwischen den Mahlzeiten getrunken werden – oder man verzehrt die Blätter gleich mit, denn die enthalten relativ viel Eisen. Hinzu kommt, dass die Tannine die Absorption von Medikamenten hemmen können, z.B. von Antidepressiva, Blutdrucksenkern oder auch Krebsmedikamente.
Auch der deutsche Krebsinformationsdienst warnt vor übertriebenen Erwartungen. Denn Grüntee kann auch zu Wechselwirkungen mit Krebsmedikamenten wie Sunitinib führen. Die Ergebnisse der Forschung sind zwar auch hier widersprüchlich, Betroffene sollten in diesem Fall das Trinken von Grüntee mit dem Arzt absprechen. EGCG könnte als Antioxidans bei «übermässsigem Verzehr die Wirkung einer Chemo- oder Strahlentherapie abschwächen», denn «die Wirkung dieser Medikamente beruht zum Teil darauf, dass reaktive Sauerstoffradikale die Krebszellen schädigen», was bei einem Verzehr von vielen Radikalenfängern kontraproduktiv sein könnte.
Worin genau die antioxidative Wirkung der Katechine besteht, haben Wissenschaftler der ETH Zürich und der Universität Jena anhand des Fadenwurms C. elegans feststellen. Im Experiment zeigte sich, dass die Katechine ECG und EGCG den oxidativen Stress zunächst kurzfristig erhöhen. Erst danach werden bestimmte Gene aktiviert, welche die freien Sauerstoffradikale unschädlich machen.
Dieser Mechanismus ist bereits aus dem Sport und vom Fasten bekannt. Auch hier erhöht sich zunächst der oxidative Stress, bis die körpereigenen Enzyme aktiv werden. Dieses «Trainingsprogramm», das unabhängig vom Immunsystem funktioniert, lässt sich allerdings nicht beliebig ausweiten. Wer hoch dosierte Katechine in Form von Grüntee-Extrakten einnimmt, riskiert, die Mitochondrien dauerhaft zu schädigen – bis hin zum Zelltod. In niedrigen Dosen oder als Getränk kann Grüntee hingegen seine positiven Eigenschaften entfalten.