Über Interaktionen zwischen verschiedenen Medikamenten wissen Ärzte und Apothekerinnen Bescheid. Dass es auch Wechselwirkungen zwischen Arzneien und Lebensmitteln bzw. Getränken gibt, ist zu wenig bekannt. Medizinisches Fachpersonal und Beipackzettel informieren zu selten über derartige Unverträglichkeiten.
Autorin: Ingrid Zehnder, 03.2016
Die Forschung über Zusammenhänge zwischen Essen, Trinken und Arzneien lässt noch viele Fragen offen. Bisher weiss man, dass mehr als 315 Arzneistoffe auf Nahrungs- und Genussmittel reagieren. Diese Substanzen stecken in über 5000 gängigen Medikamenten. Laut Angaben des deutschen Apothekerverbandes bedeutet dies, dass es in Verbindung mit Lebensmitteln bei 12,5 Prozent aller Medikamente zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen kann. Die Wechselwirkungen können sehr verschieden sein. Einerseits wirkt die Arznei zu schwach oder gar nicht, andererseits kann die Wirkung viel zu stark ausfallen.
Kanadische Forscher entdeckten schon vor mehr als 25 Jahren, dass bei gleichzeitiger Einnahme von Grapefruitsaft und eines Medikaments zur Blutdrucksenkung die Wirkung des Mittels auf unerwünschte Weise verstärkt wurde.
Zurzeit kennt man 89 Medikamente, die sich nicht mit der Frucht oder dem Saft der Grapefruit vertragen. Der Grund dafür liegt darin, dass die in der Grapefruit enthaltenen Furanocumarine im Darm das Enzym hemmen, das für den Abbau der betreffenden Arzneimittel wichtig ist. Dies führt zu einer besseren Bioverfügbarkeit bzw. stärkeren Wirkung und – durch die Überdosierung – zu teils schwerwiegenden Nebenwirkungen.
Auf der anderen Seite gibt es auch pharmakologische Substanzen, die von dem Fruchtsaft in ihrer Wirkung nicht verstärkt, sondern im Gegenteil reduziert werden. Diese Fälle sind in der Praxis jedoch wesentlich seltener.
Ein zeitlicher Abstand zwischen Schlucken des Medikaments und Trinken des Saftes nützt gar nichts, denn schon ein Glas Grapefruitsaft hemmt den Stoffwechsel zirka 24 Stunden lang. Aus diesem Grund wurde in vielen Spitälern Grapefruitsaft aus dem Getränkesortiment verbannt.
Die Wechselwirkungen mit Grapefruit betreffen ausschliesslich oral eingenommene Medikamente (Tabletten, Kapseln, Tropfen, Saft); Spritzen, die ja direkt ins Blut übergehen, sind von den unerwünschten Interaktionen ausgenommen.
Mögliche Symptome reichen von Kopfschmerzen, Schwindel, Schwäche, Atemproblemen, Hautausschlägen und Blutdruckabfall bis zu Herzrhythmusstörungen, Nieren- und Leberschäden.
Der kanadische Pharmakologe Dr. David Bailey weist darauf hin, dass allein 13 von den gelisteten 89 Medikamenten*, deren Wirkung durch Grapefruitsaft verfälscht wird, einen plötzlichen Herzstillstand verursachen könnten.
Betroffene Medikamente sind u.a.:
Cholesterin/Blutfette senkende Mittel mit den drei (häufig verordneten) Statinen Simvastatin, Atorvastatin und Lovastatin. Letzteres ist in der Schweiz nicht im Handel. Andere Statine (z.B. Pravastatin) zeigen keine Wechselwirkung mit Grapefruit.
Mittel bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen/Bluthochdruck mit Wirkstoffen wie Nifedipin, Felodipin oder Verapamil, die zu den Kalziumkanalblockern gehören.
Schlafmittel/Tranquilizer/Psychopharmaka mit einigen Wirkstoffen aus der grossen Gruppe der Benzodiazepine, u.a. Diazepam, Midazolam, Triazolam.
Thromboseprophylaxe/Blutgerinnungshemmer/ Mittel gegen Erektionsstörungen mit den Wirkstoffen Apixaban, Clopidogrel, Ticagrelor, Rivaroxaban und Sildenafil («Viagra»).
Tabletten zur Therapie von Reizblase bzw. hyperaktiver Blase wie Solifenacin, Fesoterodin und Darifenacin oder Tamsulosin zur Behandlung gutartiger Prostatavergrösserung .
Das Antibiotikum Erythromycin zur Infektionsbehandlung. Bei Übelkeit/Erbrechen Tabletten mit dem Wirkstoff Domperidon («Motilium»).
Östrogene/Antibabypillen mit den Wirkstoffen Östradiol und Ethinylöstradiol; zusammen mit Grapefruit erhöht sich das Thromboserisiko. Des Weiteren betrifft die Wechselwirkung mit Grapefruit einige Krebsmedikamente und Immunsuppressiva sowie die Ersatzdroge Methadon.
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Auch Zitronen und Limetten interagieren mit gewissen Medikamenten.
Furanocumarin, der für die Wechselwirkungen verantwortliche Stoff, ist auch in anderen Zitrusfrüchten enthalten: in Pampelmusen, Pomelos, Minneolas, Bitterorangen (Pomeranzen), Zitronen und Limetten.
Bitterorangen werden zur Herstellung von Orangenmarmelade und Orangeat verwendet. Wenn Sie eines der betroffenen Medikamente einnehmen, sollten Sie vorsichtshalber auf den Verzehr dieser Früchte sowie aus ihnen hergestellte Produkte und Fertigfruchtsäfte verzichten. Orangensaft hingegen ist völlig unbedenklich!
Das für die Verstoffwechselung pharmakologischer Substanzen im Darm zuständige Enzym heisst CYP3A4; daher steht im Beipackzettel unter Umständen «darf nicht mit CYP3A4-Hemmern kombiniert werden» – im Klartext: darf nicht mit Grapefruit (oder den zuvor genannten Früchten) kombiniert werden.
Sind Sie unsicher, ob Ihre Arznei von Interaktionen mit Grapefruit betroffen ist, konsultieren Sie Ihre Ärztin oder den Apotheker.
Manchmal wird Patienten geraten, die meist recht grosse Antibiotikum-Tablette mit einem Löffel Joghurt durch die Kehle gleiten zu lassen.
Das ist nicht immer opportun, denn es gibt Antibiotika, die nicht mit Milch und Milchprodukten (Quark, Joghurt, Käse) zusammenpassen. Das liegt daran, dass sich das Kalzium dieser Lebensmittel mit der Wirksubstanz des Antibiotikums im Darm verbindet. Die klumpige Kalzium-Wirkstoff-Verbindung kann nicht mehr vollständig aufgeschlossen werden, sodass zu viel Wirkstoff im Darm verbleibt und ausgeschieden wird und das Medikament so nur abgeschwächt wirkt.
Im Übrigen gilt dies auch für kalziumreiches Mineralwasser. Betroffen ist die Wirkstoffgruppe der Tetracycline, z.B. «Doxycyclin» zur Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten, aber auch von Akne und Rosazea sowie die Gruppe der (Fluoro-)Chinolone, z.B. das Antibiotikum Norfloxacin, das nicht selten bei einer Blasenentzündung der Frau eingesetzt wird, oder das seltener verordnete Ciprofloxacin.
Kalziumhaltige Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel sollte man daher frühestens zwei Stunden nach Schlucken dieser Antibiotika einnehmen.
Das Gleiche gilt, wenn man Bisphosphonate gegen Osteoporose einnehmen muss, etwa mit den Wirkstoffen Alendronat oder Ibandronat u.a. Für Bisphosphonate gelten aber sowieso strenge Anwendungsregeln, sodass die Betroffenen über die Einnahme(-einschränkungen) gut informiert sind.
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Das fettlösliche Vitamin K ist lebenswichtig, denn es unterstützt den Körper bei der Blutgerinnung (Koagulation, daher auch Vitamin K), stärkt die Knochen und schützt die Blutgefässe vor Kalkablagerungen.
Vitamin K wird über die Nahrung zugeführt. Es ist in sehr vielen Gemüsen, Blattsalaten und Speiseölen enthalten, aber auch in tierischer Leber und manchen Obstsorten. Besonders reichhaltig kommt das Vitamin vor in Grünkohl, Brokkoli, Blumen- und Rosenkohl, Portulak, Brunnenkresse, Sojamehl und Traubenkernöl.
Vitamin K kann die Wirkung von «Blutverdünnern» abschwächen. Das sind Medikamente – Antikoagulanzien oder Vitamin K-Antagonisten –, welche die Blutgerinnung herabsetzen und so vor Thrombosen, Embolien und Herzinfarkt schützen sollen.
Betroffene Wirkstoffe sind Phenprocoumon (Marcoumar®), Acenocoumarol (Sintrom®) und Warfarin (Coumadin®). Letzteres ist nur in Deutschland, nicht aber in der Schweiz und Österreich im Handel.
Patienten, die diese Medikamente einnehmen, unterliegen ständigen Laborkontrollen, da zahlreiche Arzneimittelinteraktionen bestehen. Die Wechselwirkung mit Vitamin-K-reicher Nahrung wurde früher anders bewertet als heute. Durch zahlreiche Studien ist mittlerweile nachgewiesen, dass der Vitamin-K-Gehalt einer abwechslungsreichen Kost die Wirksamkeit einer Therapie nicht oder nur unwesentlich beeinflusst. Hohe Vitamin-K-Zufuhr durch extrem einseitige Ernährung (etwa Kohlsuppendiät) oder über Nahrungsergänzungsmittel (Multivitaminpräparate) sollte jedoch vermieden werden.
Zudem sollte auf den Verzehr von Goji-Beeren verzichtet werden, wenn man die oben genannten Tabletten einnehmen muss. Davor warnte 2013 das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, denn es wurden mehrere Fälle bekannt, in denen eigentlich stabil eingestellte Patienten durch den Genuss der Beeren beziehungsweise daraus hergestelltem Saft, Tee oder Konfitüre unter einem dramatischen Anstieg der Blutungsneigung litten.
Die aus der Traditionellen Chinesischen Medizin bekannten Goji-Beeren, auch Bocksdornfrüchte oder Chinesische Wolfsbeeren genannt, erfreuen sich in Europa zunehmender Beliebtheit und werden als Super- und Wunderfrucht auf Ernährungs-Portalen, in Supermärkten und Reformhäusern angeboten. Sie sollen heilende Kräfte haben, die Abwehr stärken und Alterungsprozesse aufhalten.
Auch «einige phytotherapeutische Präparate und Nahrungssupplemente waren an Überdosierungen von Vitamin K-Antagonisten und Hämorrhagien (inneren Blutungen) beteiligt: Cranberry, Ginseng, Ginkgo biloba, Serenoa repens (Sägepalme), Grapefruit, Supplemente mit Omega-3 aus Fischöl und Glucosamin», wie der Schweizerische Apothekerverband feststellt.
Manche Antibiotika können den Abbau von Koffein im Körper extrem verlangsamen.
Da Koffein eine erhebliche Wirkung auf Herz, Kreislauf und Magen hat, kann es bei der Einnahme von Medikamenten in Kombination mit koffeinhaltigen Getränken zu unerwünschten Wirkungen kommen.
Der Effekt anregender Mittel wird verstärkt und der von beruhigenden abgeschwächt und behindert. Betroffen sind insbesondere Herztabletten, Schmerzmittel, Blutdrucksenker, Diabetes- und Asthma- und Magenmedikamente sowie Tabletten zur Entwässerung.
Manche Antibiotika können den Abbau des Koffeins so verlangsamen, dass eine Tasse Kaffee wie drei Tassen wirkt. Das Resultat besteht unter Umständen aus Schwitzen, innerer Unruhe, Blutdruckanstieg oder gar Herzrasen. Menschen, die an Herzrhythmusstörungen leiden, sollten in dieser Hinsicht besonders vorsichtig sein.
Bei Schilddrüsen-Patienten können koffeinhaltige Getränke die Wirkung der verordneten Hormone nicht nur verzögern, sondern sogar die Verfügbarkeit im Blut reduzieren.
Cola, Kaffee, Schwarz-, Grün- und Mate-Tee sind erst eine halbe Stunde nach der Medikamenten-Einnahme erlaubt. Wer unter Eisenmangel leidet und den Mineralstoff in Form von Tabletten, Dragées oder Sirup einnimmt, muss wissen, dass bei gleichzeitiger Aufnahme von Kaffee, Tee, Milch, Wein und Mineralstoffpräparaten die Pillen nicht wirken. Ein Abstand von mindestens zwei Stunden sollte gewährleistet sein. Hingegen fördert Vitamin C in Fruchtsäften und Obst die Eisenaufnahme im Darm.
Lakritze und Entwässerungsmedikamente sind eine schlechte Kombination. Ein regelmässiger Genuss von Lakritz und die Einnahme von entwässernden Arzneien (Diuretika) führen zu verstärktem Kaliumverlust. Die Symptome sind Muskelschwäche, langsame Reflexe, erhöhter Blutdruck und Müdigkeit.
Ballaststoffreiche Lebensmittel wie Müesli, Vollkornbrot oder Hülsenfrüchte verzögern oder schmälern die Wirkung von Antidepressiva, Schmerzmitteln wie Paracetamol und Acetylsalicylsäure, Zink-, Magnesium- und Eisenpräparaten sowie von Penizillinen, die am besten nüchtern eingenommen werden sollten. Ein kompletter Verzicht auf ballaststoffreiche Nahrung ist nicht erforderlich, ein gewisser Abstand zwischen Medikamenteneinnahme und Vollkornmüesli reicht aus.
Lange Jahre hindurch wurde vor der Einnahme von sogenannten unselektiven MAO-Hemmern und dem Verzehr von tyraminreicher Nahrung während der Therapie gewarnt.
Durch Reifung, Gärung, Fermentierung oder Lagerung entstehen in Lebensmitteln biogene Amine, welche Abbauprodukte von Aminosäuren sind. Eines dieser Abbauprodukte ist Tyramin, das unter Umständen stimulierend auf den Blutdruck und die Herzfrequenz wirken kann.
Zu den biogenen Aminen gehören – neben Tyramin – viele Hormone und Neurotransmitter, beispielsweise Adrenalin, Noradrenalin, Serotonin und Dopamin. Für den Abbau dieser Substanzen im menschlichen Körper sind unter anderem Enzyme erforderlich, die man Monoaminooxidasen (MAO) nennt.
MAO-Hemmer mit verschiedenen Wirkstoffen sind Arzneimittel, welche die Monoaminooxidasen drosseln. Für Menschen, die solche MAOHemmer gegen soziale Phobien, Depressionen oder Parkinson einnehmen müssen, kann der mangelnde Abbau von Tyramin zu einem riskanten Anstieg des Blutdrucks führen. Daher ist – je nach Wirkstoff – eine mehr oder weniger spezielle Diät einzuhalten.
Das kann heissen: Verzicht auf bzw. Vorsicht bei Lebensmitteln, die viel Tyramin enthalten. Dazu gehören Käse, Hefeextrakte, Sauerkraut, Salami, getrocknete und salzkonservierte Fische, luftgetrocknetes und geräuchertes Fleisch, weisse Bohnen, Rotwein u.a.m.
MAO-Hemmer (z.B. mit dem Wirkstoff Tranylcypromin), die eine streng tyraminarme Diät erfordern, werden immer seltener verordnet. Bei Antidepressiva mit dem Wirkstoff Moclobemid verursachen die in einer durchschnittlichen Mahlzeit enthaltenen Tyraminmengen meist keine Komplikationen.
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Alkohol kann die Wirkung von verschiedensten Medikamenten erheblich beeinträchtigen.
Schweizer verbrauchen pro Jahr (2012) 24,5 Millionen Packungen Schmerzmittel, rund 7,5 Millionen Schlaf- und Beruhigungsmittel, 5 Millionen Packungen Antidepressiva und Neuroleptika und geben dafür über 170 Millionen Franken aus.
Bei diesen Medikamenten liegen die meisten Wechselwirkungen mit Alkohol vor. Alkohol wirkt angstlösend, entspannend und beruhigend und verstärkt die Wirkung von Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Benzodiazepine (wie Midazolam, Nitrazepam und viele andere), die bei Schlafstörungen, Angststörungen und Panikattacken eingesetzt werden, gehören zu den am häufigsten verschriebenen Psychopharmaka.
Sie wirken dämpfend auf das Zentralnervensystem. «Bei gleichzeitiger Aufnahme von Benzodiazepinen und Alkohol ist das Risiko tödlicher Überdosierungen erhöht, da beide Substanzen zentral dämpfend wirken », warnt die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht.
Alkohol verstärkt die Wirkung zahlreicher Antidepressiva und kann zu Bewusstseinsverlust bis hin zu tödlichen Zwischenfällen führen. Bei gleichzeitigem Konsum von Alkohol und hochdosierter Einnahme von schmerzstillenden nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) besteht ein erhöhtes Risiko für Magen- und Darmblutungen.
Die Einnahme des Schmerzmittels Paracetamol und der gleichzeitige Konsum von Alkohol führen zu schweren Leberschäden.
Wir möchten Ihnen mit dieser Übersicht nur Anhaltspunkte geben und Ihnen raten, (wieder mal) den Beipackzettel Ihrer Medikamente zu lesen bzw. mit Ihrem behandelnden Arzt oder der Apothekerin Ihres Vertrauens zu sprechen.
Einnahmemittel sollte stets Leitungswasser sein, am besten ein Glas und nicht nur ein Schluck. (Ausnahme: Orangensaft für Eisenpräparate). Auch Zeitpunkt, Zeitabstand und Häufigkeit der Medikation, nüchtern, vor, mit oder nach dem Essen – alles Punkte, die es zu beachten und möglichst genau zu befolgen gilt, damit die Arznei gut und richtig wirkt.