Fisch ist überaus gesund – die Weltmeere aber sind krank. Welchen Seefisch darf man essen, wenn man an die Umwelt denkt? ?
?Autorin: Dr. Claudia Rawer
Seit man weiss, dass Fisch viele Vitamine, Mineralstoffe und hochwertiges Eiweiss bei gleichzeitig relativ geringem Fettgehalt liefert, seit man die Mittelmeerkost als besonders herzgesunde Ernährungsweise betrachtet, seit man die besondere Bedeutung der Omega-3-Fettsäuren für die Gesundheit kennt, essen auch wir Mitteleuropäer mehr Fisch.
In der Schweiz stieg der Verbrauch seit 1990 kräftig an: um über 20 Prozent auf mittlerweile 7,6 Kilogramm pro Kopf und Jahr; das macht 56 000 Tonnen jährlich. Dennoch liegt das Binnenland Schweiz damit im internationalen Vergleich ganz hinten – in etwa gleichauf mit Ungarn, Polen und Slowenien.
In Deutschland und Österreich verputzt man locker das Doppelte: im Jahr 16 Kilogramm pro Person. Das allerdings halten Experten immer noch für zu wenig: Für eine ausreichende Versorgung mit den wichtigen Omega-3-Fettsäuren sollte die doppelte Menge verzehrt werden. Das schafft man beispielsweise in Italien, Griechenland, Schweden und USA; in Frankreich und Finnland werden etwa 40 Kilo gegessen, in Spanien, Portugal und Norwegen um die 60 Kilo pro Nase und Jahr. Rekordhalter im Fischessen sind die Japaner mit ungefähr 70 Kilogramm Jahresverbrauch pro Person und die Isländer, die sogar 90 Kilo verzehren. Insgesamt landen pro Jahr mehr als 120 Millionen Tonnen Krabben und Muscheln, Lachs und Dorsch, Hering und Makrele auf den Tellern der Welt.
Abgesehen davon, dass Fisch fein schmeckt, hat das auch gesundheitliche Gründe (und Konsequenzen). Fisch enthält alle wichtigen essentiellen Aminosäuren, ist bekömmlich und leicht verdaulich. Er enthält vor allem die fettlöslichen Vitamine A und D, aber auch Vitamin C und einige B-Vitamine. Seefisch ist die bedeutendste natürliche Quelle für Vitamin D, das wir für den Knochenaufbau brauchen, das aber auch, wie neueste Forschungen zeigen, offenbar eine grosse Rolle im Bereich des Immunsystems, der Krebsprävention sowie der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielt. (...)
Auch Mineralstoffe und Spurenelemente hat Fisch reichlich zu bieten. Besonders wichtig: Jod und Selen, die in anderen Lebensmitteln nur in geringen Mengen vorkommen. Selen stabilisiert das Immunsystem, beide Elemente sind an der Bildung der Schilddrüsenhormone beteiligt.
Obwohl Fische wie Lachs, Heilbutt, Hering und Makrele mit einem Fettgehalt von über 10 Prozent als «fett» bezeichnet werden, ist dies jedoch vergleichsweise wenig: Schon Roastbeef kommt auf den gleichen Fettgehalt, ein Lammbraten hat 13 Prozent zu bieten, und Gehacktes vom Schwein enthält über 26 Prozent Fett. Sehr viele Fischarten haben einen mittleren Fettgehalt zwischen einem und zehn Prozent, unter anderem Forelle, Karpfen, Rotbarsch, Sardelle, Sardine, Seehecht und Thunfisch. Magere Fische mit einem Fettgehalt unter einem Prozent sind z.B Dorsch, Flunder, Schellfisch, Seelachs und Zander.
Die vielgelobten ungesättigten Omega-3-Fettsäuren sind lebensnotwendig und können vom Körper nicht selbst hergestellt werden. Fisch liefert uns beträchtliche Mengen so genannter mariner Omega-3-Fettsäuren, insbesondere die Eicosapentaen-Säure (EPA) und die Docosahexaen-Säure (DHA).
Omega-3-Fette wirken über die Bildung von Gewebshormonen der gefährlichen Arterienverkalkung entgegen und senken den Anteil an LDL-Cholesterin. Zudem mildern Abbauprodukte von EPA und DHA Entzündungsreaktionen, hemmen die Verklumpung der Blutplättchen, wirken sich günstig auf die Verteilung der Blutfette aus und können sogar gefährlichen Herzrhythmusstörungen bei einem Herzinfarkt entgegenwirken.
Die gesundheitlichen Effekte von Omega-3-Fettsäuren sind also Grund genug, Fisch regelmässig zu geniessen. Übrigens scheint fetter Meeresfisch das Herz-Kreislauf-Risiko in grösserem Ausmass zu senken als «magerer». Doch auch fettarme Fischsorten werten die Ernährung auf. Dies gilt auch für Tiefkühlware, und es darf sogar Fisch aus der Dose sein: Einige Autoren behaupten, bei Dosenfisch würden die Fettsäuren entfernt. Dies ist jedoch nicht richtig; der Gehalt an Omega-3-Fettsäuren ist in Konservenfisch nur wenig niedriger als in frischem. Allerdings können einige Zubereitungsarten die Zusammensetzung des Produktes schon erheblich verändern – so enthält z. B. Fisch in Form von «Surimi» kaum mehr EPA und DHA.
So manchem verging der Appetit, als festgestellt wurde, dass sich das Nervengift Quecksilber im Fischprotein anreichert. Doch nehmen nicht alle Arten den Stoff in gleichem Masse auf; im Wesentlichen betrifft dies grosse Raubfische wie Hai, Schwertfisch oder Albacore-Thunfisch.
Laut Experten sind zudem die Mengen an Quecksilber, die man auf diesem Wege aufnehmen kann, so gering, dass man die wöchentliche Portion Fisch völlig unbedenklich essen kann. Der gesundheitliche Gewinn ist wesentlich grösser als das mögliche Risiko durch Schadstoffe. Lediglich schwangere und stillende Frauen sowie Kleinkinder sollten die genannten Fischsorten (die übrigens alle selbst höchst gefährdet sind) vermeiden oder nur sehr eingeschränkt konsumieren.
So weit, so gut. Aber man hört doch überall, dass Fischarten vom Aussterben bedroht, die Meere überfischt und ökologisch schwer geschädigt seien? Lässt sich das mit einer oder sogar zwei Fischmahlzeiten pro Woche überhaupt vereinbaren?
Es gibt tatsächlich mehrere Gründe, beim Fischkonsum Zurückhaltung walten zu lassen. Wie immer in der Natur sind die Zusammenhänge sehr komplex.
Über drei Viertel der weltweiten Fischbestände gelten nach neuesten Zahlen der Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization) als ausgebeutet und erschöpft. Das betrifft z.B. Aal, Heilbutt, Schellfisch, Scholle und Steinbutt, aber auch Crevetten. Wanderfische und die grossen Räuber des Ozeans sind in ihren Beständen deutlich dezimiert: Thun- und Schwertfisch, Hai und Marlin. Auch illegaler Fischfang wird betrieben, und viele Fischfang-Nationen haben sich an keines der Völkerrechtsabkommen zum Schutz der Meere gebunden.
Besonders der Fang mit Grundschleppnetzen zerstört und verwüstet den Lebensraum Meeresboden: Netze mit bis zu 100 Meter breiten Öffnungen und vorgespannten schweren Ketten, um die Fische aufzuscheuchen, werden über den Meeresgrund gezogen. Allein die Ketten pflügen den Boden bis zu zehn Zentimeter tief um, die Netzkufen hinterlassen nackte, wie glattrasierte Böden, reissen Korallenriffe entzwei und zertrümmern die Schutzräume von Millionen von Jungfischen.
Die Qualität des Fangs im Grundschleppnetz ist zudem minderwertig. Während bei anderen Fangmethoden, z.B. bei der Langleinenfischerei, die Fische frisch aus dem Wasser kommen, sterben sie in den Schleppnetzen durch Erdrücken und werden dann tot weiter hinter dem Fangschiff hergezogen.
Auch der Beifang ist bei der Fischerei mit Grundschleppnetzen sehr hoch – er kann bis zu 80 Prozent betragen. Hinter dem schlichten Wörtchen «Beifang» stecken Unmassen toter Tiere: Als Abfall, der zumeist gleich wieder über Bord geht, gelten Fische der «falschen Art» – so zum Beispiel Dorsch und Scholle, wenn auf Seezungen gefischt wird – sowie Fische, die unter der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgrösse liegen, anderes Meeresgetier wie Tintenfische, Nacktschnecken oder Seegurken und auch Seevögel, Schildkröten oder Delfine. Rund ein Drittel aller Fänge besteht nach Schätzungen der Welternährungsorganisation aus solchen «Kollateralschäden».
Bei Zuchten ist zu bedenken, dass die meisten Zuchtfische ihrerseits Raubfische sind. Bis ein Lachs oder Barramundi zwei Kilo wiegt, hat er schon das Zwei- bis Dreifache an Futter gefressen – und gefüttert wird in den meisten Zuchten mit Fischmehl und Fischöl. Das meiste Fischmehl wiederum stammt aus der Fischerei: ein Teufelskreis also. Zuchten fördern teilweise die Gewässerverschmutzung und tragen wie im Falle der tropischen Crevettenzucht zur Zerstörung empfindlicher Habitate wie der Mangrovenwälder bei.
Krankheiten, die sich in den engen Zuchtanlagen schneller ausbreiten, müssen medikamentös behandelt werden und können sich zudem an die Wildpopulationen übertragen. Auch wenn die Belastung europäischer Zuchtfische mit Medikamenten aufgrund strenger Kontrollen in der Europäischen Union stark zurückgegangen ist, finden Zuchten z.B. in Südostasien unter Bedingungen statt, die einem wirklich den Appetit verderben können.
Zuchtfisch ist also nur dann eine Alternative, wenn er aus Bio-Betrieben stammt. In der nachhaltigen Fischzucht müssen die Tiere artgerecht gehalten und Gewässer sowie umgebende Natur geschont werden. In der Fütterung dürfen nur Abfälle aus der Speisefischindustrie verwendet werden, kein Fischmehl. Medikamente werden nur zurückhaltend eingesetzt.
Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.
Grundsätzlich alle aus Bio-Zucht und Fische, die das MSC-Label tragen. Das blaue Siegel des Marine Stewardship Council (MSC) steht für schonenden, umweltbewussten und bestandserhaltenden Fischfang. Bislang dürfen sich jedoch erst etwa 50 Fischereibetriebe mit dem anspruchsvollen Umweltsiegel schmücken, das Angebot ist dementsprechend noch recht klein.
Über diese beiden Aussagen hinaus ist es jedoch nicht ganz einfach, die Frage «Welcher Fisch?» richtig zu beantworten. So beurteilt beispielsweise der WWF Alaska-Seelachs als «empfehlenswert», wenn er mit Leinen oder Stellnetzen im Nordost-Pazifik gefangen wird. Stammt er jedoch aus dem Nordwest-Pazifik, sollte man die Finger von ihm lassen.
In solche Beurteilungen gehen viele Faktoren von der Menge des Beifangs bis zur Qualität des Fischereimanagements ein. Wer soll das alles wissen und beim Einkauf berücksichtigen können? Um den Verbrauchern die Entscheidung leichter zu machen, haben sowohl WWF als auch Greenpeace Einkaufsratgeber entwickelt, die bei der Entscheidung für oder gegen eine Fischsorte helfen (s. Kasten).
Für manchen mag es eine Alternative sein, den Bedarf an Omega-3-Fettsäuren aus anderen Lebensmitteln zu decken.
Leinöl hat den höchsten Gehalt, ist aber teuer und schnell verderblich. Doch auch in Lein- und Sesamsamen, in Nüssen, vor allem Baum- bzw. Walnüssen, Pecannüssen und Pinienkernen, in Walnuss-, Raps- und Sojaöl, in Gemüsen wie Lauch, Spinat und Sojabohnen sowie in Milch und Käse sind die wertvollen Fettsäuren enthalten. Milch und Käse allerdings müssen unbedingt von Tieren stammen, die mit Gras gefüttert wurden.
Fisch- und Einkaufsführer finden Sie bei WWF und Greenpeace, kostenlos bestellbar oder zum Herunterladen, beispielsweise auf den Internet-Seiten: