Antibiotikaresistenzen sind ein wachsendes Problem in der Medizin. Die Weltgesundheitsorganisation WHO rät deshalb, die verbliebenen Mittel klüger und gezielter einzusetzen. In der Forschung werden verschiedene Ansätze verfolgt.
Zu den typischen Infektionen der oberen Atemwege (Upper Respiratory Tract Infection, URTI) gehören Schnupfen (Rhinitis), Nasennebenhöhlen- (Sinusitis), Ohren- und Rachenentzündung (Pharyngitis). Dagegen können einer Überblicksarbeit des Chinese Cochrane Center vom West China Hospital of Sichuan University zufolge Probiotika eine Hilfe sein. Verglichen mit Placebo konnten u.a. die Häufigkeit und Krankheitsdauer sowie die Gabe von Antibiotika bei URTI reduziert werden. Auch sekundäre Pflanzenstoffe können bei Atemwegsinfekten helfen. Sie haben eine antivirale, antioxidative und entzündungshemmende Wirkung. Das bestätigt eine Metaanalyse der Guangzhou University of Chinese Medicine. Wurden Flavonoide konsumiert, verringerte sich bei Erkältungskrankheiten beispielsweise der Cold Intensity Score (eine Mess-Skala mit zehn erkältungsbedingten Symptomen) signifikant, ebenso die Anzahl der Fehltage aufgrund von Arbeitsunfähigkeit. Auch bei Influenza konnten Symptome wie Gliederschmerzen, Schüttelfrost und Erschöpfung schneller gelindert werden als in der jeweiligen Kontrollgruppe. Die Art der verwendeten Flavonoide sowie deren Dosierung unterschied sich in den einzelnen Studien, weshalb noch genauer erforscht werden muss, welche Flavonoide am besten wirken.
In Spitälern liegt der Fokus auf einer möglichst keimfreien Umgebung. Forscher der TU Graz stellten fest, dass gewöhnliche Zimmerpflanzen das mikrobielle Raumklima positiv beeinflussen können. Je mehr Pflanzen sich im Raum befanden, umso grösser war die bakterielle Vielfalt und desto geringer die Zahl an Keimen mit Antibiotikaresistenzen. Jede Zimmerpflanzenart beherbergt spezifische Mikroorganismen, die sich offenbar gegenseitig in Schach halten. Denn dort, wo die Hygiene besonders gründlich ausfiel, war die mikrobielle Gemeinschaft einseitiger, und es fanden sich umso mehr gefährliche Mikroben. Insgesamt tummelten sich rund eine Million Bakterien und 1000 Pilze auf jedem Quadratzentimeter Blattfläche. Dabei erwies sich die unscheinbare und genügsame Grünlilie (Chlorophytum comosum) als besonders wirksam.
Die Edelkastanie ist vor allem für ihre essbaren Früchte bekannt. Doch in den Blättern des Baumes stecken Inhaltsstoffe mit einem vielversprechenden medizinischen Potenzial. Forscher der Emory University in Atlanta fanden heraus, dass ein Extrakt aus den Blättern der Esskastanie (Castanea sativa) krankmachende Staphylococcusaureus-Bakterien unschädlich machen kann, ohne dabei Resistenzen auszulösen. Der Extrakt tötet die Bakterien im Gegensatz zu herkömmlichen Antibiotika nicht, er verhindert aber, dass die Bakterien untereinander kommunizieren und Toxine produzieren können. Der Erreger kommt zwar relativ häufig vor, löst aber selten Krankheitssymptome aus. Doch ist er durchaus gefährlich, v.a. wenn er zusätzlich resistent gegen Antibiotika ist (MRSA). Bei Personen mit einem geschwächten Immunsystem, wie z.B. bei Kranken oder Alten, kann der Erreger unter anderem Wundinfektionen und Entzündungen der Atemwege hervorrufen. Die Forscher kamen über eine aufwendige Recherche im ländlichen Mittelmeerraum auf die Kastanie. Bewohner dieser Region gaben an, die Blätter der Kastanie oft in Form von Tee gegen Hautinfektionen und Entzündungen einzusetzen.
Auch Pseudomonas aeruginosa ist ein multiresistentes Bakterium und stellt ein grosses Problem in der Medizin dar. Der Keim kann Lungeninfektionen und Blutvergiftungen hervorrufen. Wissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung haben festgestellt, dass der Wirkstoff Epigallocatechin (EGCG) aus dem grünen Tee die Wirkung des eingesetzten Antibiotikums Aztreonam positiv beeinflusst. Wurde das Antioxidans zusammen mit dem Antibiotikum verabreicht, hemmte es die Vermehrung der Bakterien stärker, als wenn nur das Antibiotikum verabreicht wurde. Zwar erwies sich die toxische Wirkung von EGCG als gering, eine Weiterentwicklung dieser Substanz könnte aber die Wirkungsdauer des Antibiotikums verbessern, hoffen die Forscher.
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Die roten Beeren des Brasilianischen Pfefferbaumes (Schinus terebinthifolius) werden schon länger in der Volksmedizin des Amazonas-Gebietes gegen Infektionen der Haut eingesetzt. Forscher der Emory University in Atlanta (USA) haben sich die Beeren etwas genauer angesehen und eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Im Labor untersuchten sie, wie mit MRSA-Keimen inizierte Hautbereiche auf einen Beeren-Extrakt reagieren. Der Auszug tötet nicht etwa die Bakterien, er blockiert stattdessen ein Gen, mit dessen Hilfe die Keime untereinander kommunizieren. Dadurch können die MRSA-Bakterien keine Toxine mehr bilden. Dieses «sanfte» Wirkungsprinzip verhindert, dass mutierte Bakterien die Abgabe von Antibiotika überleben und dadurch Resistenzen entwickeln.
Im Labor wirken pflanzliche Öle antibakteriell. In einem italienischen Krankenhaus mit zwei exakt gleich aufgeteilten Etagen wurde untersucht, ob dies auch in der Praxis funktioniert. Untersucht wurde die Kontamination mit Bakterien und Pilzen auf den Oberflächen von Tischen, Schränken und Handläufen. Während über einen Zeitraum von fünf Monaten auf der einen Etage die herkömmlichen Reinigungs- und Desinfektionsmittel zum Einsatz kamen, wurde auf der anderen Etage zusätzlich eine Aromaölmischung aus Lavendel, Cajeput, Sibirischer Tanne, Myrte und Zitronengeranie über die Raumluft verteilt. Die Untersuchung ergab, dass in den Räumen mit der Aromaölmischung eine deutliche Reduzierung der Keimbesiedelung von Tischen (90 Prozent) und Schrankflächen (75 Prozent) festgestellt werden konnte.
Auch die Arzneimittelverschreibungen, vornehmlich gegen Infektionen und Atemwegsprobleme sowie die Dauer der erforderlichen Einnahmezeit lagen bei den Patienten auf der Aromaöl-Etage um 80 bzw. 86 Prozent niedriger als auf der Kontroll-Etage. Aromaöle stellen also eine effektive Ergänzung zur herkömmlichen Reinigung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen dar.
Bei der Verwendung von Aromaölen im Alltag sollten jedoch vorher mögliche unerwünschte allergene Reaktionen abgeklärt werden. Gutes Aromaöl zeichnet sich durch die Bezeichnung «100 Prozent reines ätherisches» oder «naturreines ätherisches Öl» aus. Der vollständige botanische Name der Pflanze sowie Hinweise zu Anbauweise, Gewinnungsverfahren und Herkunftsland sind weitere wichtige Hinweise auf die Qualität.
Forscher vom Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin haben den Einfluss von ätherischen Ölen aus Gewürznelken (Syzygium aromaticum) und der Rinde des Zimtbaums (Cinnamomum verum) kombiniert mit Lysozym untersucht. In Kombination mit dem Carbapenem Imipenem und dem Aminoglykosid Gentamicin wurden die Substanzen an den Keimen Pseudomonas aeruginosa und Klebsiella pneumoniae getestet. Die zusätzliche Gabe mit den Naturstoffen steigerte die Effekte der Antibiotika signifikant.
Wirksam sind vor allem Eugenol im Gewürznelkenöl und trans-Zimtaldehyd im Zimtöl. Eugenol erhöht die Durchlässigkeit bakterieller Zellmembranen und macht die Krankheitserreger dadurch angreifbarer. Aber auch andere phenolische Verbindungen verstärken die antimikrobielle Wirkung des Öls. Ähnlich wirksam ist das trans-Zimtaldehyds im Zimtöl. Hier wirkt die Zimtsäure zusätzlich verstärkend.
Harze wie Weihrauch oder Myrrhe wurden schon in der Antike als Heilmittel eingesetzt. Forscher der University of Minnesota haben die antibakterielle Wirkung von baltischem Bernstein untersucht, der von urzeitlichen Schirmtannen (Sciadopityaceae) stammt. Bestimmte Substanzen dieses Harzes wurden im Labor auf die Wirksamkeit von neun verschiedenen Bakterienspezies untersucht, u.a. auch Staphylococcus aureus. Die bioaktiven Inhaltsstoffe konnten einen Teil der Bakterien abtöten. Wie die Stoffe genau wirken, ist jedoch noch nicht geklärt.
Wissenschaftler von der McGill University in Montreal sind dabei auf eine Substanz gestossen, welche die etablierten Antibiotika zwar nicht vollständig ersetzen, ihren Einsatz aber stark reduzieren könnte. Die Rede ist von Ahornsirup. Die darin befindlichen Phenolverbindungen können jeweils in Kombination mit einem bewährten Antibiotikum dessen Wirksamkeit erhöhen, stellten sie in Laborversuchen fest. Die Mixturen mit dem Ahornextrakt stoppten das Wachstum schädlicher Bakterien, und zwar mit einer über 90 Prozent geringeren Antibiotika-Dosis.
Vermutet wird, dass die Phenolverbindungen die Durchlässigkeit der Zellwände der Bakterien erhöhen, so dass die Medikamente schneller eindringen und den Keim zerstören können. Es wird allerdings noch viele Jahre dauern, bis der Extrakt ausreichend erprobt ist.
Forscher der Universität Bern haben Fettpartikel als eine mögliche Alternative identifiziert. Fettpartikel, sogenannte Liposome, können bakterielle Giftstoffe einfangen und neutralisieren. Sie wirken wie eine Art Köder, der dazu führt, dass statt der Körperzellen die Liposome attackiert werden. Die Wissenschaftler erhoffen sich von diesem neuen Ansatz, Antibiotika-Resistenzen zu vermeiden, da sich die Wirkung der Liposomen nicht gegen die Bakterien selbst, sondern gegen deren Gifte richtet. Antibiotika dagegen zielen darauf ab, die Bakterien zu töten.
Zuletzt aktualisiert: 27-11-2023