Er galt als ein Geschenk für Könige, als «Schweiss der Götter» und Gottesduft: eine heilige Substanz, die zugleich heilt. Einst so kostbar wie Gold, wurde der Weihrauch vor rund 20 Jahren wiederentdeckt. Er soll bei Depressionen helfen – und vor allem bei chronischen Entzündungen wie dem Morbus Crohn.
Weihrauch galt den Menschen schon immer als ein magischer Stoff: Im alten Indien vertrieb er vermeintlich Dämonen, im Mittelalter Hexen. Kaum ein religiöses Ritual in der Antike kam ohne eine Räucherung mit dem Harz des Olibaums aus. In der katholischen Kirche gilt sein Rauch noch heute als Symbol für das aufsteigende Gebet.
Vielfältig waren in der Vergangenheit die medizinischen Anwendungen des Weihrauchs. Nahezu alle berühmten Ärzte und Heiler priesen seine positiven Wirkungen. Das indische Heilsystem Ayurveda behandelte mit Weihrauch unter anderem chronische Arthritis, Bronchitis und schleimige Durchfälle.
Ärzte der Antike therapierten mit Weihrauch Blutungen und Hautkrankheiten. Den Ägyptern galt Kauweihrauch als beliebtes Mittel für frischen Atem, und in China behandelten Ärzte sogar Lepra mit dem Harz. Der berühmte persische Arzt des Mittelalters, Avicenna, empfahl Weihrauch für eine Vielzahl von Therapien. In seinem Kanon der Medizin ist zu lesen, eine Behandlung mit Weihrauch stärke das Gedächtnis.
Autorin: Gisela Dürselen
Eine besondere Stellung hatte der Weihrauch in der Aromatherapie inne: als sanftes Mittel, das die Selbstheilungskräfte des Körpers anregt und die menschliche Psyche beeinflusst. Hildegard von Bingen wies darauf hin, dass es die Mischung aus vielen Aromen und psychoaktiven Stoffen sei, die dem Weihrauch seine Potenz verleihe und bei einer Räucherung den Heilungsprozess in Gang setze.
Weil das Harz des Olibaums so selten wie begehrt war, wurde es jahrhundertelang in Gold aufgewogen und um die halbe Welt transportiert: 3500 Kilometer weit, vom indischen Ozean bis zum Mittelmeer, entlang der legendären Weihrauchstrasse.
Der bis zu sechs Meter hohe, strauchartige und eher unscheinbare Olibaum war schon immer selten, denn er braucht zum Gedeihen besondere Bedingungen: absolute Trockenheit und einen Boden mit einer bestimmten mineralischen Zusammensetzung. Diese Vorgaben erfüllen weltweit nur wenige Regionen. Die heutigen Zentren der Weihrauchgewinnung liegen in Indien und in den Regionen Jemen, Oman und Somalia.
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Im Unterschied zu anderen Balsamgewächsen scheidet der Weihrauchbaum auch ohne äussere Einwirkung sein Harz aus: Es bildet sich in Sekretdrüsen und sammelt sich an heissen Tagen am Holz des Stammes. Bei der Ernte ritzen die Bauern trotzdem mit einem Messer die Rinde an, weil das Harz dann noch besser fliesst. Ein einziger Weihrauchbaum bringt so während einer Erntesaison drei bis zehn Kilogramm Harz.
Doch wie bei allen Heilpflanzen entscheiden auch beim Weihrauchbaum Art, Standort, Klima und Boden über die Zusammensetzung der heilenden Substanzen.
Weil der indische Boswellia-serrata-Baum den höchsten Gehalt an Boswelliasäuren aufweist, erregt dieser das Interesse der heutigen Wissenschaft.
Als Heilmittel geriet der Weihrauch im Westen nach dem Mittelalter in Vergessenheit. Mitte der 1980er Jahre brachte der Pharmakologe Prof. Philipp Theodor Ammon von der Universität Tübingen das Harz des Olibaums von einer Studienreise aus Indien mit. Ab diesem Zeitpunkt interessierten sich auch die Kollegen Ammons für die Inhaltsstoffe des Harzes.
Seitdem hat eine Reihe von Studien auf die entzündungshemmende, schmerzlindernde Wirkung von Boswellia hingewiesen. Die Wissenschaftler hoffen, bald neue Medikamente gegen chronisch entzündliche Krankheiten herstellen zu können. Doch während die Naturwissenschaft Boswellia im Weihrauch isoliert untersucht, setzt die Naturheilkunde – wie seit langer Zeit Ayurveda – auf das ganzheitliche Gemisch.
Jenseits der Medizin hat in den vergangenen Jahren die Kosmetikindustrie das Harz des Weihrauchbaums für sich entdeckt: Boswellia ist in Hautcremes und Zahnpasta, in Mundspülungen und Badezusätzen enthalten.
Die psychoaktive Wirkung des Weihrauchs wurde vor kurzem von der Naturwissenschaft bestätigt: Forscher aus den USA und Israel sehen aufgrund ihrer Studien mit Mäusen eine entspannende Wirkung von Boswellia. Laut Prof. Arieh Moussaieff von der Hebräischen Universität in Jerusalem könnte es bald neue Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit Depressionen und Angststörungen geben.
Der Wissenschaftler warnt allerdings vor einer Selbstbehandlung mit Weihrauch, da der Rauch des Harzes ebenso wie der des Tabaks den krebserregenden Stoff Benzopyren enthalte.
Von den etwa 200 Bestandteilen des Weihrauchs sind die ätherischen Boswelliasäuren deshalb so interessant, weil sie ein Enzym blockieren sollen, das bei chronischen Entzündungsprozessen eine Schlüsselstellung einnimmt.
Eine Reihe von Studien untersuchte Krankheitsbilder, die möglicherweise mit der Hilfe von Boswellia therapiert werden können: Dazu gehören rheumatische Beschwerden sowie chronische Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Die Boswelliasäuren sollen antibakteriell, beruhigend und schmerzlindernd wirken. Mediziner aus Giessen und Bochum fanden sogar Hinweise, dass die Wirkstoffe des Weihrauchs bei bestimmten Gehirntumoren helfen könnten.
Es gibt noch weitere Krankheitsbilder, auf die sich die Boswelliasäuren positiv auswirken sollen: Asthma bronchiale, Allergien, Arthritis, Morbus Alzheimer, Multiple Sklerose und die Schuppenflechte Psoriasis. Bei diesen Krankheiten wurde die Wirksamkeit von Boswellia serrata in Studien bei Patienten beobachtet. Systematische wissenschaftliche Nachweise stehen aber – ebenso wie bei der Frage nach der psychoaktiven Wirkung des Weihrauchs – noch aus.
Die meisten naturwissenschaftlichen Forschungen zielen darauf ab, in dem pflanzlichen Heilmittel eine nebenwirkungsarme Ergänzung oder Alternative für synthetische Medikamente zu finden. Tatsächlich zeigten Weihrauchpräparate in bisherigen Studien nur geringe Nebenwirkungen. Diese Tatsache begründet die Hoffnung vieler Patienten mit chronischen Leiden, die Einnahme von Cortison und Schmerzmitteln durch Weihrauchextrakte ergänzen oder wenigstens reduzieren zu können.
Die chronische Darmentzündung Morbus Crohn verringert die Lebensqualität der Patienten beträchtlich, denn sie ist oft verbunden mit Bauchkrämpfen, Durchfällen und einer Schwächung des Allgemeinzustandes. Viele Morbus Crohn-Patienten sind ein Leben lang auf eine Therapie angewiesen. Zur Symptombekämpfung stehen zwar wirksame Mittel zur Verfügung – jedoch mit starken Nebenwirkungen. Damit sind für diese Patienten risiko- und nebenwirkungsarme Medikamente besonders wichtig.
Im Oktober 2006 lief zunächst an sechs deutschen Kliniken eine Studie zur Wirkung des Weihrauchs bei leichteren bis mittleren Krankheitsverläufen bei Morbus Crohn an. An die Studie knüpfen sich grosse Hoffnungen: Denn in den vergangenen Jahren war zwar um den Weihrauch als Entzündungshemmer viel spekuliert worden – jedoch die wissenschaftlichen Nachweise und damit die Arzneimittelzulassung waren bislang ausgeblieben. Die gegenwärtige Studie soll nun Klarheit bringen.
In der Schweiz ist Weihrauch vor allem als ayurvedisches Medikament in Tablettenform zu bekommen – allerdings nur in Appenzell-Ausserrhoden, weil die kantonale Heilmittelbehörde AR das Medikament als Phytopharmakon eingestuft hat. Ausserhalb des Kantons Appenzell ist es nur gegen ein Arztrezept mit Sondergenehmigung der Swissmedic erhältlich. Weihrauch in Gelform für die äussere Anwendung bekommt man auch ohne Rezept überall in der Schweiz.
Bei der 2006 angelaufenen Studie unter der Leitung von Dr. med. Wolfgang Holtmeier, Chefarzt am Krankenhaus Pforz am Rhein, nahmen bisher ein Jahr lang rund 80 Patienten täglich dreimal zwei Kapseln eines nach EU-Qualitätsstandard geprüften Weihrauch-Extrakts ein. Eine Kontrollgruppe erhielt ein Placebo-Medikament. Autorin Gisela Dürselen sprach für die GN mit Dr. Holtmeier.
A.Vogel Gesundheits-Nachrichten (GN): Herr Dr. Holtmeier, die Studie war für die Dauer von einem Jahr und drei Monaten angesetzt und sollte im Januar 2008 abgeschlossen sein. Nun ist sie auf unbestimmte Dauer verlängert worden. Was sind die Gründe, und gibt es bereits Zwischenergebnisse?
Dr. Wolfgang Holtmeier (WH): Die Studie wurde auf 25 Zentren deutschlandweit ausgeweitet, um breitere Erkenntnisse zu gewinnen. Eine Auswertung darf erst vorgenommen werden, wenn sie abgeschlossen ist. Der Zeitpunkt hierfür ist aktuell noch nicht absehbar.
GN: In der so genannten Mannheimer Studie, unter Leitung von Dr. Henning Gerhard, wurde ebenfalls die Wirkung des Weihrauchs bei Morbus Crohn untersucht. Was ist an Ihrer Studie neu?
WH: In der Mannheimer Studie wurde die Behandlung des akuten Schubes und nicht die Remissionserhaltung betrachtet. Das heisst, wir untersuchen, ob Weihrauch zukünftige Schübe verhindern kann.
GN: Das mögliche neue Medikament hat bereits einen Namen: Boswelan. Werden sich die Hoffnungen vieler Patienten erfüllen, dass es bald ein zugelassenes Weihrauchpräparat bei Morbus Crohn gibt?
WH: Die Hoffnungen sind berechtigt, wenn es gelingt, die Studie mit genügend Teilnehmern zum Abschluss zu bringen und die klinisch relevante und statistisch signifikante Wirksamkeit des Präparates nachzuweisen. Ist dies der Fall, wird unverzüglich ein Zulassungsantrag in Deutschland bzw. Europa gestellt.
GN: Bereits mehrere Studien haben sich mit den Wirkungen des Weihrauchs beschäftigt. Warum dauert die Zulassung eines Medikaments so lange?
WH: Sämtliche bislang durchgeführten Studien mit verschiedenen Weihrauchpräparationen haben kein eindeutiges Ergebnis gebracht, das gemäss internationaler Zulassungskriterien von den Behörden hätte akzeptiert werden können. Bisher wurde nur 1992 ein Zulassungsantrag für ein indisches Weihrauchpräparat gestellt, der jedoch wegen Schwermetall- und Cadmiumverunreinigungen abgelehnt wurde.
Unsere Studie wird nach den strengen aktuellen europäischen Anforderungen an Prüfpräparate (GMP) und klinische Prüfungen (GCP) durchgeführt, so dass bei einem Wirksamkeitsnachweis des Prüfpräparates auch ein Zulassungsantrag Erfolg haben wird.
GN: Können Weihrauchpräparate – zum Beispiel als Nahrungsergänzungsmittel – auch neben einer Therapie und in Selbstmedikation eingenommen werden?
WH: Weihrauch ist im rechtlichen Sinne kein Nahrungsergänzungsmittel, sondern ein Arzneimittel und kann nur im Rahmen eines individuellen Heilversuches vom Arzt verschrieben werden. Die Kosten muss aber der Patient übernehmen, und das rechtliche Risiko trägt der Arzt persönlich. Dies ist den wenigsten Patienten bekannt.
Im Grunde ist der Import von Weihrauch als Nahrungsergänzungsmittel nicht le-gal. Es gibt 16 bis 18 Weihrauchsträucher und -bäume mit unterschiedlichen Ge-halten an den als wirksam vermuteten Boswelliasäuren. Deren Zusammensetzung sowie weitere Inhaltsstoffe sind nach unserer Kenntnis bei keinem Weihrauchpräparat, welches als «Nahrungsergänzungsmittel» deklariert ist, angegeben. Jegliches Risiko trägt somit der «verschreibende» Arzt und der Patient.
Die im Indischen Weihrauch (Boswellia serrata) enthaltenen Stoffe sind als Mittel gegen Entzündungen bereits bekannt. Forscher haben Weihrauch auch bei Multipler Sklerose erfolgreich getestet.
Vorsichtige Hoffnungen für Betroffene mit Multipler Sklerose (MS): Wissenschaftler vom Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf und dem Neuro-Cure Clinical Research Center der Charité Berlin konnten in einer kleinen Studie zeigen, dass sich mithilfe eines standardisierten Weihrauchextrakts die auftretenden Entzündungen signifikant reduzierten. Weihrauch wirkt auch bei Multipler Sklerose