Eine gesunde Darmflora ist mitentscheidend für unsere gesamte Gesundheit. Neueste Studien belegen: Menschen mit weniger Darmbakterien und einer geringeren Vielfalt der Darmflora neigen eher zu Übergewicht, entzündlichen Reaktionen und zu den daraus resultierenden Krankheiten.
Die Forschung zum Mikrobiom hat zwar einen enormen Boom ausgelöst, doch aufgrund der sehr individuellen Zusammensetzung der Mikroorganismen und deren gegenseitige Beeinflussung untereinander, lassen sich kaum verlässliche Aussagen darüber treffen, was ein "ungünstiges" und was ein "günstiges" Mikrobiom darstellt. Alle bisherigen Erkenntnisse hierzu stellen nur Korrelationen dar, lassen sich also nicht so einfach reproduzieren. Es sei zwar höchstwahrscheinlich, dass die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft bei vielen Krankheiten eine Rolle spielt, schlussfolgern Alan W. Walker und Lesley Hoyles in einem «Nature Microbiology». Doch krankmachende Veränderungen verlaufen nicht einheitlich und die Zusammensetzung des Mikrobioms beruht auf sehr vielen Faktoren (Ernährung, Medikamente, Alter).
Die sogenannte Darmflora beinhaltet ein ganzes Ökosystem mit ganz unterschiedlichen Bakterien im Darm. So globalisiert wir uns manchmal geben, unser Darm erinnert uns oft wieder an unsere Herkunft. Billionen von ihnen besiedeln unseren Dick- und Dünndarm. Von der Vielzahl verschiedener Gattungen und Arten ist bisher nur ein Bruchteil bekannt: Wissenschaftler schätzen, dass es sich um mindestens 500 bis 1000 unterschiedliche Arten handelt. Ingesamt dürften sich 100 Billionen oder 500 Gramm Bakterienzellen (manche gehen von bis zu 2 Kilogramm aus) im Verdauungstrakt tummeln, welche dort eine netzartige Struktur bilden, die uns hilft, zu verdauen und Nährstoffe freizusetzen. Fälschlicherweise bezeichnen wir diese Bakterienkolonie als Darmflora, da man früher glaubte, Bakterien seien Pflanzen. Während wir Bakterien eher als krankmachende Keime kennen, sind die in unserem Darm ausgesprochene Nützlinge.
Fest steht, dass einige Mikroorganismen zur Grundausstattung eines jeden Menschen gehören, ferner, dass Patienten mit bestimmten Krankheiten über ähnliche Mikrobenpopulationen verfügen – im Übrigen jedoch das Mikrobiom eines jeden Menschen so individuell wie ein Fingerabdruck ist.
Babys in der Gebärmutter sind fast keimfrei, denn erst im Geburtskanal werden sie mit einem hilfreichen Mantel aus Bakterien umgeben, von denen etwa die Hälfte zu den Milchsäurebakterien (Laktobazillen) zählt. Hinzu kommen eventuell noch andere mütterliche Vaginal- und Darmbakterien sowie Hautbakterien. Dieser erste Bakterienmantel bildet einen ersten Schutz vor Eindringlingen und dient dazu, das Immunsystem zu trainieren. Ausserdem finden sich noch Viren, Hefen, Pilze und Einzeller (Eukaryoten, Archaeen und andere Bakterien) im Darm. Bereits nach etwa drei Jahren hat sich die individuelle Darmflora eingependelt.
Die Bakterienarten bilden je nach Zusammensetzung eine von Mensch zu Mensch verschiedene Darmflora, die in den ersten drei Lebensjahren angelegt wird und wie ein genetischer Fingerabdruck für jedes Individuum ganz spezifisch ausgeprägt ist.
Die Darmbesiedlung hängt stark von unserer Lebensweise sowie der Umgebung in der wir leben ab. Aus diesem Grund unterscheiden sich die Darmbakterien nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch von Lebensraum zu Lebensraum erheblich. Die Erstbsiedlung duch Bakterien sorgt dafür, dass der Darm von Sauerstoff und Elektronen «gereinigt» wird. Mit dem Stillen gelangen nicht nur wichtige Nährstoffe in den Körper des Säuglings, auch die für die Darmflora wichtigen Bifidusbakterien werden gefüttert. Ein Mangel an diesen Bakterien könnte später zu Übergwicht und Glutenunverträglichkeit führen. Nach dem Abstilen verändert sich die Bakterienzusammensetzung allerdings wieder und die Lebensumstände beginnen, die Zusammensetzung der Darmflora zu dominieren.
Später verändern Kosmetika und Textilien die Mikrobenpopulation der Haut; übertriebene Hygiene, besonders mit Desinfektionsmitteln, schützt nicht nur vor schädlichen Keimen, sondern tötet auch hilfreiche ab. Im Darm von Veganern gibt es andere Bakterien als bei passionierten Fleischessern, und Zusatz- und Ersatzstoffe wie künstliche Süssmittel wirken sich ebenfalls auf die Mikrobiota aus. So berichtet eine 2014 in «Nature» erschienene, israelische Studie, dass Saccharin und Aspartam in hohen Dosen die Darmflora negativ verändern und damit sogar Glukoseintoleranz bewirken und das Diabetesrisiko steigern kann. Nützliche Mikroorganismen dagegen scheinen fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut zu lieben, ebenso Ballaststoffe und gesäuerte Milch wie Kefir, Joghurt und Buttermilch.
Auch medizinische Behandlungen spielen eine Rolle: Eine Untersuchung mit Freiwilligen an der belgischen Universität Leuven ergab 2016, dass Antidepressiva und Antihistaminika, antientzündliche Arzneien gegen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und Mittel mit weiblichen Hormonen, wie sie in den Wechseljahren verschrieben werden, ähnlich wie Antibiotika die Darmflora beeinträchtigen können.
Wahrscheinlich ist die Beziehung zwischen Darm und Arzneimitteln sogar wechselseitig, und die Darm-Mikrobiota entscheidet ihrerseits darüber, wie der Körper auf medizinische Substanzen reagiert. So gelang es einem französischen Forscherteam nur mit Hilfe der Darmflora, diejenigen Patienten mit Melanom-Hautkrebs zu identifizieren, die positiv auf eine Immuntherapie ansprechen. Bestehen ähnliche Zusammenhänge auch bei anderen Krankheiten, könnten Therapien in Zukunft individueller als bisher auf Patienten abgestimmt werden.
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Dass Stress dem Körper nicht guttut, ist nicht neu. Unangenehme Situationen schlagen uns schnell einmal auf den Magen oder Darm. Symptome wie Durchfall oder Verstopfung können die Folgen sein. Aber auch der Darm selbst kann Auslöser für Stimmungen, Stress und Ängste sein.
Mehr noch, der Verdauungstrakt ist in der Lage, über Nerven, Hormone und das Darmimmunsystem das Gehirn und damit unsere Emotionen zu beeinflussen. Davon geht jedenfalls Peter Holzer, Professor der Experimentellen Neurogastroenterologie am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Graz aus.
Doch die Darmflora ist anfällig. Mehrere Studien konnten bislang zeigen, dass ein Ungleichgewicht zwischen Darmflora und Darmimmunität auch die Entwicklung psychischer Krankheiten begünstigen kann. Forscher haben herausgefunden, dass Patienten mit Entzündungen im Magen-Darm-Trakt oder Reizdarm häufig auch Angsterkrankungen und depressive Verstimmungen aufweisen. Solche Depressionen könnten die Folge der gestörten Darmflora sein – und nicht die Ursache, so Holzer.
Dass die Darm-Gehirn-Achse in beide Richtungen funktioniert verdankt der Mensch langen Nervenfasern, die vom Magen-Darm-Trakt bis ins Gehirn reichen. Laut einer Hypothese können bestimmte Proteine (Zytokine), die das Wachstum und die Differenzierung von Zellen regulieren und bei Entzündungen durch Aktivierung des Immunsystems ausgeschüttet werden, eine Depression begünstigen.
Auch chronischer Stress könne dazu führen, dass die Magenschleimhaut immer dünner und durchlässiger wird. Die erhöhte Durchlässigkeit ermöglicht das vermehrte Eindringen bakterieller Bestandteile in die Darmwand, was dazu führt, dass das lokale Darmimmunsystem Zytokine ausschüttet. Diese wiederum können zu einer Signalübertragung an das Gehirn führen. Zwar besteht hier noch weiterer Forschungsbedarf, um von kausalen Zusammenhängen sprechen zu können. Doch Anzeichen deuten darauf hin, dass eine gesunde Darmflora auch für das Gehirn selbst von Bedeutung ist.
Neben unzähligen Bakterien beherbergt der menschliche Körper auch Pilze. Sie siedeln sich vorwiegend im Darmbereich, aber auch auf der Haut, im Mund und in den Atemwegen an. Das Immunsystem gesunder Menschen kommt normalerweise damit zurecht. Problematisch wird es, wenn sich die Lebensbedingungen für den Pilz so verbessern, dass er sich stark vermehren kann.
Bei fast jedem zweiten gesunden Menschen ist der Darm mit Candida-Pilzen besiedelt. Wird die Balance der Darmflora durch falsche Ernährung oder Medikamente wie Antibiotika gestört, vermehren sie sich. «Alle sehr jungen, sehr alten und sehr kranken Menschen sind besonders gefährdet», erklärt Prof. Richard Raedsch, Internist in einer grossen Gastroenterologie-Praxis und langjähriger Chefarzt in Wiesbaden.
So kann sich ein Darmpilz durch Mundsoor äussern, aber auch durch einen Blähbauch, durch ständige Erkältungen oder akute Durchfälle. «Mithilfe eines Stuhltests lässt sich herausfinden, welche und wie viele Pilze der Patient im Darm hat, und ob sie tatsächlich in der Überzahl sind», erläutert Prof. Raedsch. Komplementärmediziner setzen auf den Aufbau einer gesunden Darmflora, etwa mit einer Candida-Immundiät. «Bei einem Darmpilz stärke ich die Darmschleimhaut zusätzlich mit der Okra-Frucht. Ihre Schoten sind ballaststoffreich und besitzen zahlreiche, wichtige Schleimstoffe», erklärt Heilpraktikerin Sonja Kohn.
Eine vielseitige Ernährung aus Obst, Gemüse und Kräutern ist bekanntlich gesund. Mit ein Grund sind die darin enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe, zu denen auch die Phenole gehören. Diese Verbindungen verbessern die Darmgesundheit, indem sie bioaktive Stoffwechselprodukte produzieren. Wissenschaftler haben in einer Studie im Fachjournal «Nutrients» gezeigt, dass Personen mit einer vermehrten Zufuhr an Polyphenolen ein anderes mikrobielles Profil aufweisen als Personen, die nur wenig Kräuter und Gewürze verzehren. Es zeigte sich, dass Polyphenole das Wachstum protektiver Bakterien wie Lactobacillus und Sutterella fördern. Umgekehrt gab es mehr pathogene Bakterien, wenn die Polyphenol-Aufnahme geringer war. Am häufigsten konsumierten die Probanden zu den Polyphenolen gehörende Flavonoide, von denen es rund 6500 gibt. Hauptsächlich sind sie in Äpfeln, Birnen, Trauben, Kirschen, Pflaumen, Beeren, Zwiebeln, Grünkohl, Auberginen, Soja, schwarzem und grünem Tee enthalten. Zu den häufig verwendeten Kräutern und Gewürzen gehörten schwarzer Pfeffer, Zimt, Ingwer, Knoblauch und Kurkuma.
Gesunde Menschen haben ein Verhältnis von 80 zu 20 an «guten» und «schlechten» Bakterien. Und: Diese können miteinander kommunizieren. Ein Drittel der Stoffwechselverbindungen in unserem Blut ist nichtmenschlichen Ursprungs, darunter sind viele Botenstoffe der Körpermikroben, die sich an ihresgleichen oder an Zellen des Wirtes richten. Probiotika sind Medikamente mit meist lebenden Bakterien oder Pilzen, die sich im Darm vermehren und z.B. Vitamine herstellen oder Nahrung verdauen. Ein Forscherteam des King’s College in London hat herausgefunden, dass sich mit der Vielfalt des Mikrobioms auch die Zusammensetzung der gesundheitsförderlichen Stoffe positiv verändert. Denn die Mikroben arbeiten in Gruppen und können trotz ihrer Verschiedenheit ähnliche Aufgaben übernehmen, wie die Wissenschaftler in einer Zwillingsstudie feststellten. Bislang hatte sich die Medizin darauf konzentriert, einzelne Bakterien wie z.B. Laktobazillen, Bifidobakterien, Enterokokken sowie Hefepilze zuzuführen. Jetzt zeigt sich, dass die gewünschten positiven Effekte auf die Gesundheit eher durch eine vielfältige Zusammensetzung von Probiotika zustandekommen.