Wie viele Bakterien leben im Mund? Welche Funktion haben diese und welche sind besonders schädlich für Zähne und Zahnfleisch?
Rund sechs Milliarden Bakterien aus 150 unterschiedlichen Arten tummeln sich in unserer Mundhöhle - im Vergleich zum Darm mit etwa 100 Billionen Bakterien eine relativ geringe Menge. Die Zusammensetzung der Mundflora ist jedoch sehr individuell und nicht statisch, sie verändert sich mit jeder Mahlzeit, dem Zähneputzen und wird von Stress und auch dem Küssen beeinflusst. Die Bakterien heften sich an die Zähne, sitzen auf der Zunge oder schwimmen im Speichel.
Im Mund herrscht oft ziemlicher Betrieb. Da fliessen Getränke durch, es wird gekaut, geschluckt, mit der Zahnbürste geschrubbt. Wieso werden dabei die schützenden Winzlinge nicht weggespült oder fortgerissen? Die Natur hat eine wirkungsvolle Lösung gefunden: Ein Teil der Bakterien besitzt einen Haftmechanismus, der sie sehr sesshaft macht. Die Mikroben ernähren sich von Proteinen und Kohlenhydraten in unserem Speichel, sie produzieren antimikrobielle Stoffe, trainieren das Immunsystem und können sogar vor Grippeviren schützen. Mundbakterien können auch bestimmte Stickstoffverbindungen herstellen, welche die Gefässe entspannen und so den Blutdruck senken, aber auch Kopfschmerzen und Migräne verursachen können.
Ein Teil der Bakterien nimmt absichtlich den weiteren Weg der Speisen. Beim Kauen und Einspeicheln gelangen sie in die zerkleinerte Nahrung. Der erste Verdauungsschritt beginnt im Mund. Ein Teil der Speisen ist ein wahres Schlaraffenland für schädliche Bakterien. Auf Eiweissrückständen zwischen den Zähnen siedeln sich Fäulnisbakterien an. Sie vermehren sich innerhalb von Stunden so sehr, dass man sie in Form von üblem Mundgeruch riechen kann.
Mit dem Zähneputzen sorgen wir dafür, dass nicht eine einzige Bakterienart überhandnimmt, solange man sich gesund ernährt. Wird jedoch zu viel Zucker konsumiert, können sich die schlechten Bakterien vermehren, und das Gleichgewicht gerät durcheinander.
Die wichtigste Aufgabe der Kleinstorganismen ist der Schutz gegen Krankheitserreger. Der Mund ist eine besonders exponierte Körperzone. Ein Teil der Mikroben im Mund hat die Wächter-Funktion: erwünschte Besucher einlassen, zweifelhafte Zeitgenossen abweisen. Sie besetzen die Plätze, damit sich dort keine krankmachenden Eindringlinge festsetzen können. Manche tragen Zungenbrecher-Namen wie etwa Veillonella parvula oder Aggregatibacter actinomycetemcomitans. Auch Hefepilze lassen sich nachweisen. Unter normalen Umständen leben diese unterschiedlichen Arten in einer ausgewogenen, friedlichen Balance. Doch einige unter ihnen, sind nicht gerade einfach in Schach zu halten.
Streptococcus salivarius
Dieses Bakterium ist eines der ersten Bakterien, welche die Mundhöhle besiedeln, was noch im Mutterleib oder bei der Geburt geschehen kann. Der Lebensraum dieses Bakteriums ist der Speichel, es produziert antimikrobielle Substanzen (Bakteriozine, Wasserstoffperoxid) sowie Glucane (z.B. den Ballaststoff 1,3 Beta-Glucan, der auch im Hafer vorkommt) sowie Fructane. Sie machen aber auch andere Bakterien unschädlich, z.B. den Erreger der Mandelentzündung (Streptococcus pyogenes) oder dämmen die Ausbreitung von Karies erregenden Bakterien ein.
Aggregatibacter actinomycetemcomitans
A. actinomycetemcomitans taucht häufig bei aggressiven Parodontitisformen und schweren Infektionen der Gingiva auf. Er wird aber auch bei Infektionen ausserhalb des Mundraums beobachtet. Seine Giftstoffe können unsere Immunabwehr lahmlegen. In der Blutbahn können sie zu einer Überreaktion des Immunsystems führen, bei Schwangeren kann dies Frühgeburten auslösen.
Porphyromonas gingivalis
P. gingivalis ist ein Schlüsselbakterium für die Entstehung der chronischen Parodontitis und besiedelt vornehmlich die tiefen Zahnfleischtaschen. Auch in geringer Konzentration kann es zur Entstehung von Biofilmen beitragen. Er ist jedoch auch im oberen Verdauungstrakt, im Atemtrakt und im Darm nachweisbar. Es kann die Abwehrkörper des Immunsystems unterdrücken und auch eine Ursache für Mundgeruch sein.
Streptococcus mutans
Denn S. mutans ist der wichtigste Verursacher von Karies. Er bildet aus der in der Nahrung enthaltenen Saccharose Polymere, mit denen er sich am Zahnschmelz anheften kann. Ausserdem ist es in der Lage, schnell Kohlenhydrate zu Milchsäure zu fermentieren, was zu einer Demineralisation der Zahnsubstanz führt. Da es auch in stark saurem Milieu überleben kann, führt das ansteigende saure Milieu dazu, dass diese Umgebung für andere Bakterienarten giftig wird. Und: Einige Stämme können die Immunabwehr abschwächen und sogar andere Bakterienstämme ausschalten.
Ein Drittel aller Menschen trägt Candida-Keime im Mund. Gerät das natürliche Gleichgewicht der Mundflora aus dem Takt, breiten sich die Candida-Pilze aus. Die Folge: In der Mundhöhle tauchen weisslich-gelbe Beläge auf, oft in kleinfleckigen Inseln. Sie sind mit einem Wattetupfer abwischbar, die Schleimhaut darunter ist gerötet. Gerne bildet sich eine solche Infektion auch unter Prothesen.
«Mundsoor bekommen häufig Menschen, deren Immunsystem gestört ist», erklärt Prof. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der deutschen Bundeszahnärztekammer. «Das sind häufig Säuglinge, deren Abwehr noch nicht vollständig entwickelt ist, sowie ältere Personen mit Erkrankungen wie Diabetes oder einem Tumor. Zum anderen kann Mundsoor die Folge von Medikamenten wie Antibiotika oder kortisonhaltigem Asthma-Spray sein.»
Gegen Mundsoor setzen Ärzte Antipilzmittel (Antimykotika) in Form von Spüllösungen, Tropfen oder Lutschtabletten ein. «Nach zwei bis drei Wochen sollte der Pilz verschwunden sein. Ignoriert man die Erkrankung, können sich die Pilze zu einer lebensbedrohlichen Infektion des Körpers ausbreiten. Deshalb immer zeitnah zum Zahnarzt gehen», rät Oesterreich.
Zur Vorbeugung ist sorgfältige Mundhygiene das beste Mittel: zweimal täglich Zähne putzen, ebenso zweimal täglich den Zahnersatz gründlich pflegen. Ältere Menschen sollten unbedingt genügend trinken: Speichel wehrt Infektionen ab, Mundtrockenheit erhöht das Risiko. «Pilzinfektionen drücken für mich immer eine Störung im Immunsystem aus, oft spielt äusserer und psychischer Stress eine Rolle», sagt Sonja Kohn, Heilpraktikerin in Sehnde bei Hannover. «Deshalb gilt es, die körpereigene Abwehr von innen heraus zu stärken. Zum Beispiel mit Vitamin C und B-Vitaminen.»
Hilfreich sind auch abwehrstärkende Pflanzentinkturen, z.B. aus dem Roten Sonnenhut. Ein Pilz im Mund ist häufig ein Indiz, dass auch der übrige Verdauungstrakt in Mitleidenschaft gezogen ist. «Neben der fachärztlichen Therapie und in Absprache mit dem Naturheilpraktiker kann beim Mundsoor zudem eine Spülung mit stark verdünntem Teebaumöl helfen oder eine Ölziehkur, die ausleitet und entgiftet», rät Kohn.
Regelmässiges, gründliches Zähneputzen ist Pflicht. Zweimal täglich soll es im Minimum sein. Schon vor der elektrischen oder der manuellen Zahnbürste müssen Zahnseide sowie Interdentalbürsten den Resten in den Zahnzwischenräumen den Garaus machen. Dabei besteht erheblicher Nachholbedarf: Experten haben errechnet, dass für eine optimale Reinigung pro Jahr und Person drei bis vier Packungen Zahnseide à 50 Meter eingesetzt werden müssten. Deutsche und Schweizer verbrauchen aber nur etwa neun respektive zwölf Meter. Auch bei der Zahnpasta ist das Plansoll nicht erfüllt. In der Schweiz wie in Deutschland liegt der Pro-Kopf-Verbrauch derzeit ungefähr bei der Hälfte der empfohlenen Menge.
Nach einem Stehlunch oder nach einem Picknick ist eine gründliche Zahnreinigung nicht immer möglich. Da bietet sich als Alternative Mundwasser an; es entfernt einen Teil der unerwünschten Mikroben. Im Fachhandel sind Produkte mit Heilpflanzenauszügen erhältlich, z.B. mit Salbei, die das Zahnfleisch festigen und Entzündungen entgegen wirken. Auch zuckerfreie Kaugummis sind eine zulässige Lösung in der Not. Sie fördern die Speichelproduktion, dadurch werden gröbere Beläge weggespült und Säuren neutralisiert.
Wie Forscher in Experimenten festgestellt haben, verschiebt sich bei fehlender Zahnreinigung über längere Zeit die Balance in Richtung krankmachende Mikroben; diejenigen, die die Mundgesundheit unterstützten, verringern sich.
Leider kann auch regelmässiges Reinigen Zahnstein nicht gänzlich verhindern. Essig in der Salatsauce, Fruchtsäfte, Zitrusfrüchte sowie weitere säurehaltige Speisen und Getränke ätzen den Zahnschmelz leicht an. Phosphat- und Kalziumverbindungen im Speichel reparieren die schadhaften Stellen. Werden die Zähne nicht gründlich genug gereinigt, bilden sich darauf Bakterienbeläge. Fachleute sprechen von einem Biofilm, einem dichten Netzwerk von Mikroben, die gegenseitig Substanzen und Signale austauschen. Gemeinsam mit Kalzium und Phosphat aus dem Speichel bilden sich mit der Zeit harte Beläge, die nur der Zahnarzt mit seinen Instrumenten entfernen kann.
Die Oberfläche des Zahnsteins ist rau. Darauf können sich weitere Mikroben erfolgreich einnisten und vermehren. Die längerfristige Folge sind Zahnfleischentzündungen bis hin zu Zahnverlust. Zwei Mal jährlich sollte die Zahnärztin oder Dentalhygienikerin den Zahnstein entfernen, um Folgeschäden vorzubeugen.
Im Biofilm vermehren sich auch bestimmte Bakterienarten, die zum fixen Bestand in der Mundhöhle gehören. Ihre säurehaltigen Ausscheidungen entziehen dem Zahnschmelz Mineralstoffe. Mit der Zeit entstehen Löcher in den Zähnen: Karies.
Die Menschen in früheren Jahrhunderten kannten zwar weder elektrische Zahnbürsten noch Zahnseide, aber auch Karies war vielen fremd. Die Löcher sind eine typische Krankheit der modernen Zivilisation. Die Karies verursachenden Bakterien gedeihen besonders gut in Verbindung mit Zucker. Und in den letzten 150 Jahren ist der durchschnittliche Zuckerkonsum um das Zwanzigfache angestiegen. Pro Person und Jahr werden in der Schweiz 44 Kilogramm Zucker verzehrt, in Deutschland sind es 36 Kilo. Nach den neuesten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sollten es höchstens um die zehn Kilogramm sein. Insbesondere auf süsse Snacks zwischendurch sowie auf zuckerhaltige Limonaden und Eistees verzichtet man besser.
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Das Zähneputzen zum Entfernen des Zahnbelags (Plaque) ist zwar eine wichtige Massnahme, um die Entstehung von Karies und Parodontitis zu verhindern. Doch laut Forschern der deutschen Universitätszahnklinik Freiburg kommt es weniger auf die Menge der Plaque an, als auf deren Zusammensetzung, wie ein Beitrag des «NDR» zeigt. Zahnbelag besteht aus Eiweissen, Kohlenhydraten, Phosphaten und Mikroorganismen. Siedeln sich auch andere Bakterien wie z.B. Streptococcus mutans an, kommt es häufig zu Karies.
Einer Studie der Mediziner aus Freiburg zufolge verbesserte sich die Zahngesundheit bei jenen Probanden, die sich nach der sogenannten Paleo-Diät ernährten (Fisch, Gemüse, Wildfrüchte, Nüsse, wenig Fleisch) gegenüber jenen, die sich typisch westlich mit Weissmehlprodukten, Softdrinks und Wurst ernährten. In beiden Gruppen durften keine Zähne geputzt werden. Das Ergebnis: Nach vier Wochen war der Zahnbelag in beiden Gruppen gleich, doch die Entzündungswerte gingen in der Paleo-Gruppe um fast 50 Prozent zurück. Vor allem Obst und Gemüse, das reich an sogenannten Polyphenolen ist, wirkt Entzündungen entgegen. Farbintensive Sorten enthalten dabei besonders viele dieser antioxidativ wirksamen Substanzen.
Doch auch nitratreiche Gemüse wie Randen, Radieschen, Rucola, Kopfsalat, Spinat und Mangold können helfen. Denn Bakterien auf dem Zungenrücken sind in der Lage, Nitrat in antibakteriell wirkendes Nitrit umzuwandeln. Anders als nitratgepökelte Fleisch- und Wurstwaren enthalten nitrathaltige Gemüse übrigens keine potentiell krebserregenden Nitrosamine, da das im Gemüse enthaltene Vitamin C deren Entstehung verhindert.
Es gibt auch Bakterien, die Karies verursachende Säuren neutralisieren können. Hierfür verwenden sie die Aminosäure Arginin, enthalten z.B. in Sonnenblumenkernen. Forscher arbeiten deshalb daran, Zahnpasten mit Arginin zu entwickeln.
Während langer Zeit wurde eine gründliche Zahnreinigung vor allem für den möglichst langen Erhalt der eigenen Zähne empfohlen. In den letzten Jahren zeigen immer mehr Forschungsergebnisse, dass ein regelmässig gepflegter Mundraum auch für die allgemeine Gesundheit sehr wichtig ist.
Geschwächtes Zahnfleisch ist anfälliger für kleine Blutungen. Über das verletzte Gewebe können im Mund vorhandene Bakterien in die Blutbahn gelangen. Sie bilden kleine Gerinnsel, die ihrerseits zu Herzkrankheiten sowie zu einer Minderdurchblutung des Gehirns führen. Schon länger wird auch ein Zusammenhang zwischen ungenügend versorgten Zähnen und einer erhöhten Neigung zu Altersdemenz vermutet. Und schliesslich haben Wissenschaftler in den USA vor kurzem nachgewiesen, dass werdende Mütter mit einer guten Zahnpflege ein deutlich geringeres Risiko für Frühgeburten haben. Weshalb dieser Zusammenhang besteht, ist den Experten bisher noch nicht klar. Gründe genug jedoch, die Mikroorganismengemeinschaft im Mund zu hegen und zu pflegen.
4000 bis 80 Millionen Bakterien können beim Küssen übertragen werden, je nachdem ob sich blos die Lippen berühren oder auch die Zunge im Spiel ist.
Die meisten beim Küssen übertragene Mikroben stellen keine Gefahr dar. Einzelne Bakterienstämme bilden auch eine Art Weiterbildungsprogramm für das Immunsystem. Beim Küssen gelangen Bakterien zum Gegenüber, die dessen Abwehrschild herausfordern. Es werden neue, spezifische Gegenstrategien entwickelt.
Doch wer hat das Küssen überhaupt erfunden? Geküsst wurde natürlich schon, bevor es das Kino gab. Eine Theorie über den Ursprung vermutet, dass es die Mütter der frühen Völker waren. Ihre Praxis kann man bei manchen Stämmen in Südamerika noch heute beobachten. Die Mütter kauen die Speisen zu einem Brei und schieben ihn mit Lippenkontakt direkt in den Mund ihres Babys. Aber auch Karies lässt sich so leicht übertragen.
Manche beim Küssen übertragene Mikroben sind allerdings alles andere als harmlos. Zu ihnen gehören Salmonellen. Die Behandlung dieser sehr ansteckenden Durchfallerkrankung gehört zwingend in kompetente ärztliche Hände.
Und auch ein weiterer Kontakt mit Bakterien aus dem Mund ist ein Fall für den Arzt: Menschenbisse. Spätestens seit der letzten Fussball-WM weiss die globale Öffentlichkeit, dass sich manche Menschen in Konfliktsituationen auch mal in den Gegner verbeissen. Zur allgemeinen Verblüffung attackierte Luis Suárez, Nationalspieler Uruguays, den Italiener Giorgio Chiellini mit den Zähnen. Es war nicht der erste Biss von Suárez während eines Matchs.
Zähne durchdringen die schützende Haut, sie platzieren Erreger direkt ins Gewebe oder in die Blutbahn. Rund die Hälfte der Menschenbisse führen zu Infektionen.