Immer häufiger tauchen Bakterien, gegen die die meisten Antibiotika unwirksam sind, in Spitälern, Dialysestationen oder Pflegeheimen auf. Multiresistente Erreger entstehen, weil Antibiotika in der Humanmedizin und in der Tiermast zu häufig eingesetzt werden.
Antibiotische Substanzen halfen mehr als 70 Jahre lang zuverlässig gegen tödliche Infektionen; lebensbedrohliche Bakterien waren bezwingbare Gegner. Doch heute haben viele Antibiotika, die einstigen «Wunderwaffen», ihre Schlagkraft verloren. Menschen sterben wieder an Tuberkulose, Lungenentzündung, Blutvergiftung, Haut-, Knochen- und Wundinfektionen, Darm- und Harnwegsinfektionen. Der Grund dafür: Zahlreiche Bakterien haben Resistenzen bzw. Multiresistenzen entwickelt, d.h. sie sind gegen ein Antibiotikum bzw. mehrere Antibiotika unempfindlich geworden.
Resistenz bei Bakterien entsteht durch Antibiotikagebrauch. Je höher der Verbrauch, umso stärker treten Resistenzen auf. Es gibt zwei Arten von Antibiotika: Gezielt gegen spezifische Erreger werden sogenannte Schmalband-Antibiotika eingesetzt; kennt man die Ursache einer Infektion (noch) nicht, werden Breitband-Antibiotika verwendet, die eine breit gefächerte Wirkung entfalten.
Werden empfindliche Bakterienzellen ausgemerzt, schaffen sie Platz für die widerstandsfähigen, die sich ungehindert vermehren und resistente Bakterienstämme bilden.
In den Kliniken spielen viele Faktoren eine Rolle: Gegen Antibiotika resistente Erreger kommen vermehrt dort vor, wo ständig Antibiotika verwendet werden; es handelt sich, wie auf den Intensivstationen, hauptsächlich um äusserst geschwächte Personen; die Übertragungs- und Ansteckungsgefahr ist hoch, die Keimdichte gross; Bakterien haften an Händen und Haaren, Türklinken und Toiletten, Bettwäsche und Kleidung, Kitteln und Stethoskopen, Nachttischen und Essenstabletts.
Aber auch da, wo Antibiotika rezeptpflichtig sind, besteht Anlass zur Sorge. Experten schätzen, dass mittlerweile etwa jedes zweite Antibiotikum unnötig eingenommen wird. So müsste die häufige Verschreibung von (Breitband-)Antibiotika bei Virus-Infektionen wie Grippe, Erkältungen oder Bronchitis eingedämmt werden, denn Antibiotika richten gegen Viren überhaupt nichts aus. Allenfalls können mögliche nachfolgende bakterielle Erkrankungen vermieden werden, doch ist dies nur in Ausnahmefällen wirklich notwendig.
Besonders in der Massentierhaltung werden enorme Mengen Antibiotika verbraucht. Sind nur einige Tiere krank, dient dies oft als Vorwand, die ganze Herde zu verarzten. Denn die Medikamente dienen nicht nur der Behandlung von Infekten, sondern auch zur Beschleunigung des Wachstums und Leistungssteigerung.
Fatalerweise sind viele Antibiotika für Tiere die gleichen wie in der Humanmedizin. Die beim Mastvieh entstandenen Resistenzen können auf den Menschen übertragen werden.
Werden Antibiotika bei Mensch und Tier nicht gezielt und richtig dosiert verordnet und verwendet und werden die notwendigen Hygienemassnahmen im Gesundheitswesen nicht konsequent umgesetzt, hat das für uns alle und die Umwelt tiefgreifende Folgen.
Zunehmende Antibiotikaresistenzen bis hin zur totalen Resistenz einzelner Erregerstämme gegen alle verfügbaren Antibiotika stellen eine schwerwiegende Bedrohung für die Gesundheit dar.