Die Pflanzenheilkunde bewegt sich heute in einem Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation. Neben den pflanzlichen Arzneimitteln, die sich «nur» auf die traditionelle Anwendung berufen, hat sich eine Reihe von zugelassenen Phytotherapeutika etabliert, die das Ergebnis moderner Arzneipflanzenforschung sind. Pflanzenheilmittel haben ihren festen Platz in der Selbstbehandlung; viele Anwender wünschen sich aber auch, dass sie vom Arzt verordnet werden können.
Umfrageergebnisse zeigen, dass Naturheilmittel (vor allem Pflanzenheilmittel) immer stärker gefragt sind. In den letzten 30 Jahren ist die Zahl der Anwender stetig gestiegen. Die Anstiege betreffen beide Geschlechter, alle Altersgruppen und alle sozialen Schichten. Obwohl also Pflanzenarzneien in der Selbstmedikation breiten Raum einnehmen, sind viele Menschen der Meinung, es sei «wichtig» bzw. «sehr wichtig», dass Naturheilmittel vom Arzt verschrieben werden können. Das unterstreicht, dass für die Mehrheit der Bevölkerung pflanzliche Heilmittelmittel auch in der ärztlichen Therapie unverzichtbar sind.
Autorin: Ingrid Zehnder-Rawer
Die Pflanzenheilkunde wurde und wird leider noch häufig einer «alternativen Therapieszene» zugeordnet, und so lange die Phytotherapie, also die Anwendung der Heilpflanzen am kranken Menschen, kein Pflichtfach in der medizinischen Ausbildung ist, werden noch eine Menge Hürden in der Akzeptanz der Ärzteschaft zu überwinden sein. Bei vielen Ärzten hat sich jedoch schon die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Phytotherapie keine Alternative zur Schulmedizin, sondern Bestandteil einer modernen, naturwissenschaftlich orientierten Medizin, eine wichtige Farbe auf der therapeutischen Palette ist.
Naturheilmittel vs. Schulmedizin: Die Nachfrage der Patienten nach Naturheilmittel nimmt stetig zu – auch bei Schulmedizinern!
Denn Pflanzenheilmittel mit ihrem breiten pharmakologischen und therapeutischen Wirkprofil schliessen Lücken in der Behandlung und bieten ausgezeichnete Möglichkeiten zur Therapie und Vorbeugung akuter und chronischer Krankheiten. Dabei entfalten sie ein günstiges Nutzen-/Risiko-Verhältnis, das heisst, sie sind bei guter Wirksamkeit in der Regel unbedenklich und gut verträglich. Schwerpunkte der Anwendung sind leichtere und mittelschwere Erkrankungen. Auch in der Pflege älterer Menschen nehmen Pflanzenheilmittel immer mehr Raum ein.
Gute Resultate werden erzielt bei der Stärkung der körpereigenen Abwehr, Erkältungskrankheiten, Atemwegserkrankungen, Erschöpfungszuständen, Nervosität, Schlafstörungen, Hautkrankheiten, leichten bis mittelschweren Depressionen, Herz-/Kreislauf-Erkrankungen, Rheumaleiden, Durchblutungstörungen im Gehirn, Venenleiden, Magen-/Darmproblemen (Verdauung), trockenen Augen, Arthrose, Wechseljahrsbeschwerden, Blasenentzündung, gutartiger Vergrösserung der Prostata, u.a.m.
Als begleitende Therapie, welche die Immunabwehr stärkt und die Selbstheilungskräfte des Patienten unterstützt, können pflanzliche Heilmittel auch bei schweren Krankheiten wie Krebs ergänzend sinnvoll sein.
«Die Phytotherapie hat Behandlungsziele bewahrt, … die in anderen Teilen der Medizin vernachlässigt wurden (z.B. ganzheitliche Ansätze, Selbstheilungskräfte, Selbstregulationsmöglichkeiten, Vorbeugung, ‹milde› Wirkung, ‹naturgemässe› Eingriffe, Selbstkompetenz der Behandlung). Solche Ansätze sind derzeit bei Patienten, aber auch einer Reihe von Ärzten hochaktuell.»
Zitat aus: Saller/Reichling/Hellenbrecht «Phytotherapie. Klinische, pharmakologische und pharmazeutische Grundlagen», Haug Verlag, Heidelberg 1995
Achten Sie bei der Auswahl eines geeigneten Präparates auf biologischen und nachhaltigen Anbau der verwendeten Heilpflanze.
Die einen bezeichnen die in den Pflanzen enthaltenen Wirkstoffe als «Wunderwaffen», die anderen polemisieren gegen die «Blümchen» und das «Grünzeug» mit der vereinfachenden Behauptung, auch Pflanzen könnten töten. Die in den Medien so häufig und so schön vorgetragene Scheinalternative von (guter) «Natur» kontra (böse) Chemie gipfelt dann oft in dem (so zynischen wie falschen) Satz: «Wo es keine Nebenwirkungen gibt, ist auch keine Wirkung zu verzeichnen.» Pauschale und undifferenzierte Äusserungen, pflanzliche Heilmittel hätten hinsichtlich ihrer Wirksamkeit allenfalls einen zweifelhaften Nutzen sind genauso falsch wie die Behauptung, alles Pflanzliche sei stets «sanft» und im Gebrauch absolut risikolos. Auch Pflanzenmedizin kann Nebenwirkungen haben, wenn auch bei fachlich sorgfältiger Anwendung selten in schwerem Ausmass.
Damit die Gesamtheit aller Wirkstoffe einer Heilpflanze optimal genützt werden kann, sollten nur die allerbesten Frischpflanzen verwendet werden.
Kritische Verbraucher sollten bei der Verwendung von Pflanzenheilmitteln stets folgende Punkte beachten:
Die Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) und die Homöopathie werden hie und da verwechselt. Oft wird beides mit Naturheilkunde gleichgesetzt. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Ansätze.
In der Homöopathie (dem Leiden ähnlich) gilt: Ein Mittel, das beim gesunden Menschen bestimmte Erscheinungen hervorruft, ist in verdünnter (potenzierter) Form heilsam für einen Kranken, der an denselben Erscheinungen leidet. Homöopathie und Phytotherapie legen Wert auf Ganzheitlichkeit und die Regulierung der Selbstheilungskräfte und auf Erfahrungswerte. Wissenschaftliche Nachweise für homöopathische Mittel fehlen, im Gegensatz zur Pflanzenheilkunde, ganz.
Weitere Informationen zur Abgrenzung von Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) und Homöopathie finden Sie hier: