Sie habe lange nicht gemerkt, wie sie in einen Burnout-Zustand hineinrutschte, erinnert sich Marion Bischof (Name geändert). «Ich bin jeden Tag pünktlich bei der Arbeit erschienen, habe funktioniert. Der Laden ist tadellos gelaufen.»
Autor: Adrian Zeller
In ihren Worten ist der Galgenhumor nicht zu überhören. Mit «Laden» ist eine Wohngruppe für schwer behinderte Jugendliche gemeint, die die 48-Jährige alleinerziehende Ostschweizerin leitete. Dass ihr Leben mehr und mehr nur noch aus Arbeiten und Schlafen bestand, merkte sie nicht. Den drei halbwüchsigen Kindern fiel auf, dass ihre Mutter einsilbiger wurde und den Haushalt immer mehr vernachlässigte. Keines hatte den Mut, sie darauf anzusprechen, wie sie ihr später erzählten.
Mit der Zeit mehrten sich die Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, Eltern von Behinderten beschwerten sich bei der Heimleitung, nach ihrer Ansicht werde die Betreuung zunehmend schlechter. Mit einzelnen Mitarbeitenden kam es zu Problemen, weil sie gegen die Teamleiterin intrigierten.
«Mit dem Nachlassen meiner Energie büsste ich auch an Autorität ein», analysiert Marion Bischof nachträglich. Einzelne Mitarbeitende hätten diese Situation genutzt, um gegen sie Stimmung zu machen. Als sie vor zwei Jahren die Stelle antrat, fühlten sich verschiedene Betreuer übergangen – sie hätten selbst gerne die Leitung übernommen. Subtil liessen sie dies immer mal wieder durchblicken.
Marion fühlte sich immer wieder gedrängt, zu zeigen, wer das Sagen hat. Sie wollte alles perfekt machen, um den Neidern ja keine Angriffsfläche zu bieten. Wie viel Energie sie dies kostete, merkte sie erst zu spät. «Ich konnte immer schlechter einschlafen. Manchmal lag ich nachts stundenlang wach und grübelte über die Situation am Arbeitsplatz.»
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Sie litt gelegentlich unter Herzrhythmusstörungen und Schwindelanfällen. Ihr Hausarzt schickte sie in eine Spezialklinik für psychosomatische Leiden. Durch die klärenden Gespräche mit der dortigen Psychologin erkannte sie, dass es ihrer Gesundheit wenig zuträglich war, wenn sie an die bisherige Arbeitsstelle zurückkehrte. Heute arbeitet sie in einer anderen Institution für Behinderte, aber nicht mehr in einer Kaderstellung.
«Zwar verdiene ich etwas weniger, dafür kann ich nachts wieder schlafen und es geht es mir insgesamt gesundheitlich deutlich besser.» Ihr Fehler sei gewesen, fügt sie an, dass sie nicht innerhalb der Probezeit gekündigt habe. «Im Nachhi-nein ist mir klar geworden, dass sich bereits in den ersten Wochen Probleme abzeichneten, aber ich wollte mir selber beweisen, dass ich es schaffe.»
Laut dem Kieler Diplom-Psychologen Eckhart Müller-Timmermann, Autor des Buches «Ausgebrannt – Wege aus der Burnout-Krise», haben Frauen ein erhöhtes Risiko, in einen Erschöpfungszustand zu geraten: «Nicht genug damit, dass sie in dem Rollenkonflikt zwischen beruflichem Erfolg, mütterlicher Präsenz und hausfraulicher Perfektion stehen, müssen sie einen zusätzlichen, schwer zu managenden Spagat vollführen.» Im Vergleich zu den Männern auf der selben Karrierestufe benötigten sie eine höhere Durchsetzungskraft, gleichzeitig werde von ihnen aber ein höheres Einfühlungsvermögen und mehr Geduld mit anderen Menschen erwartet.
Mit anderen Worten: Wenn gefährdete Frauen das eigene Burnout-Risiko minimieren wollen, müssen sie sich zwangsläufig in manchen Bereichen gegen die Erwartungen ihrer Umgebung durchsetzen, ein Schritt, der Mut und Hartnäckigkeit verlangt. Laut Angaben des Bundesamtes für Statistik ist nur in jedem zehnten Schweizer Haushalt mit Kindern unter 15 Jahren die Hausarbeit zwischen Frau und Mann gerecht verteilt. Nicht nur die Doppelbelastung von Familie und Erwerbsarbeit erhöht das Burnout-Risiko von Frauen erheblich, sondern auch betagte Eltern, die bei der Alltagsbewältigung Unterstützung benötigen oder pflegebedürftig sind. Nicht selten werden solche Aufgaben von den erwachsenen Töchtern oder auch von Schwiegertöchtern übernommen.
Das ständige Pendeln zwischen unterschiedlichsten Ansprüchen und Aufgaben kennen nicht nur viele berufstätige Mütter, es ist in manchen Berufen Alltag: Wie eine Studie der Uni Freiburg i. Br. ergab, weist rund ein Drittel aller Gymnasiallehrer Anzeichen eines Burnout-Syndroms auf. Wer ständig den Erwartungen von Schülern, Eltern, Schulleitung, Aufsichtsbehörden und den eigenen Idealen genügen muss, verbraucht viel Energie.
Mitte März 07 liessen die Ergebnisse einer Studie der Universität Genf aufhorchen: Danach ist der Medikamentenkonsum bei den Hausärzten doppelt so hoch wie beim Durchschnitt der Schweizer Bevölkerung. Jeder fünfte von ihnen nimmt Psychopharmaka ein. Noch häufiger verschreiben sich die Hausärzte selber Schmerzmittel. Eine 2005 durchgeführte Studie wies bei 31 Prozent der Schweizer Hausärzte eine emotionale Erschöpfung nach, fünf Prozent waren von einem hochgradigen Burnout-Zustand betroffen.
Fazit: Menschen, die sich professionell oder auch im privaten Rahmen für das Wohl anderer engagieren, haben ein besonders hohes Risiko auszubrennen. Sie müssen besonders darauf bedacht sein, eigene Bedürfnisse nicht zu sehr hintenanzustellen.