Blass, flach, unauffällig: So sieht eine perfekt abgeheilte Narbe aus. Doch viele spannen, jucken, schmerzen und erscheinen Betroffenen hässlich. Was lässt sich tun, um schwierige Narben zu heilen oder ihrer Entstehung vorzubeugen?
Autorin: Petra Horat Gutmann, 01/20
Wenn es um die Heilung von Wunden geht, leistet unser Körper Ausserordentliches: Kaum ist das Gewebe verletzt, lanciert der Organismus blitzschnell eine Entzündungsreaktion. Der «Tatort» wird gesäubert, verschlossen und zügig neues Gewebe aufgebaut. Nur leider ist dieser geniale Reparaturprozess mehr auf Schnelligkeit als auf Präzision angelegt. Aus diesem Grund ist Narbengewebe kein vollwertiger Ersatz für die ursprüngliche Haut: Es ist derber, weniger elastisch, arm an Blutgefässen, frei von Haaren, Schweissdrüsen und Schutzpigmenten gegen UV-Strahlung.
Ist nur die oberste Hautschicht verletzt, macht das in der Regel nichts. Anders sieht die Sache aus, wenn mehrere Gewebeschichten beschädigt sind. In diesem Fall ist eine optimale Narbenpflege besonders wichtig, um das Risiko einer «Problemnarbe» zu reduzieren. Deren häufigste Symptome sind Missempfindungen, Bewegungseinschränkung, Schmerzen, Dellen oder aber Wucherung.
Der optimale Start in die Narbenheilung beginnt bereits während der OP: Indem der Chirurg auf eine optimale Schnittführung achtet und perfektes Nahtmaterial einsetzt. Sehr wichtig ist auch die anschliessende Wundversorgung: Sie sollte einwandfrei steril sein und weder Zug noch Spannung auf die Wundränder ausüben.
Wie die medizinische Erfahrung zeigt, heilen Wunden und Narbengewebe besser, wenn sie vor Feuchtigkeitsverlust geschützt sind. Aus diesem Grund verwenden Arztpraxen und Spitäler spezielle Wundauflagen und Kompressen, die ein feuchtes Hautklima aufrechterhalten.
Wichtig zu wissen ist, dass Narbengewebe schutzbedürftiger ist als normale, gesunde Haut. Deshalb sollte man Narben vor Sonnenlicht, Hitze, Kälte und Austrocknung schützen. Frische Narben reagieren besonders empfindlich auf UV-Licht, häufig mit einer Pigmentstörung. Also unbedingt einen Sunblocker auftragen oder die Narbe mit einem Pflaster abdecken. Auch Zug, Druck und Dehnung bekommen einer Narbe schlecht, vor allem in den ersten Tagen und Wochen.
Da Narbengewebe schlecht durchblutet ist, können Rauchen und Stress den Heilungsprozess beeinträchtigen, genauso wie zahlreiche Medikamente, z.B. Kortisonpräparate, Antirheumatika, Chemotherapeutika, Immunsuppressiva und Blutgerinnungshemmer.
Eine der häufigsten Ursachen für eine gestörte Wundheilung ist Diabetes mellitus. Kein Grund zur Resignation: Diabetiker können ihre Wundheilung mit Vitalstoffen ankurbeln: Zink beschleunigt den Wundheilungsprozess (Diabetiker haben nicht selten Zinkmangel); Magnesium liefert Energie für die Wundheilung und verbessert die Mikrozirkulation; Vitamin A unterstützt die Neubildung von Haut; Vitamin C ist grundlegend wichtig für den Aufbau von Kollagen.
Studien zeigen, dass die Nahrungsqualität vor und nach einer OP den Heilungsverlauf beeinflusst. Der Körper braucht in dieser Zeit besonders viele Vitamine, Antioxidantien und Spurenelemente aus frischen Nahrungsmitteln, vorab aus Gemüse, Früchten und Beeren. Auch ein zusätzliches Multivitamin-und- Spurenelement-Präparat kann sinnvoll sein.
Wann sollte die Narbenpflege starten? «Man kann damit beginnen, sobald die Wunde verschlossen und schorffrei ist», erklärt Dr. med. Timo Spanholtz, Chirurg an der Praxisklinik am Rosengarten in Köln. Dabei gilt es einige Punkte zu beachten: «Wichtig ist, dass der Patient zweimal täglich eine Narbencreme kreisend einmassiert», sagt Timo Spanholtz. «Danach sollte man ein Narbenpflaster auflegen, das die Narbe tagsüber still weiterpflegt. Am Abend wird das Prozedere wiederholt.» Auf diese Weise entstehe in der Regel innerhalb von ein bis zwei Monaten eine unauffällige Narbe.
Viele Narben reifen allerdings deutlich länger. Es kann Jahre dauern, bis sich eine Narbe nach einer grösseren OP oder Verletzung dem normalen umgebenden Gewebe bestmöglich angepasst hat. Als Faustregel gilt: «Erfolgreich saniert ist eine Narbe dann, wenn sie eine weissliche oder hautfarbene Farbe erreicht hat und keine Beschwerden verursacht», sagt Timo Spanholtz.
Erhältlich ist eine Vielfalt von Narbenpflegeprodukten: Ob Creme, Gel, Folie, Salbe oder Spray – die darin enthaltenen Wirkstoffe schützen das Narbengewebe vor dem Austrocknen und machen es weicher. Besonders häufig verwendet werden Allantoin, Heparin, Harnstoff (Urea), Vitamin E und das Provitamin Dexpanthenol. In der ärztlichen Behandlung und in zahlreichen Präparaten zur Selbstmedikation sind u.a. auch Silikone weit verbreitet, weil sie okkludieren, also vor Feuchtigkeit schützen.
Das bedeutet aber nicht, dass nur die von Arzt, Chirurg, Apotheke oder Drogerie empfohlenen Produkte für die Narbenbehandlung infrage kämen. Viele Patienten pflegen ihre Narben erfolgreich mit Präparaten und Hausmitteln, die nicht unter die offizielle Narbenpflege fallen, z.B. mit einer Schüsslersalz-Salbe oder einer bewährten, phytotherapeutischen Hautpflegecreme.
Der Klassiker zur Narbenbehandlung ist die Ringelblume (Calendula officinalis). Aus der Forschung weiss man, dass einige der in der Ringelblume enthaltenen Triterpenester und Triterpensaponine einen nachweislich entzündungshemmenden Effekt haben. Calendula lässt sich als Urtinktur oder in potenzierter Form z.B. in Lösungen, Salben oder Gels einsetzen. Für die innerliche Anwendung stehen Globuli, Tropfen und Tabletten zur Verfügung.
Wundheilend wirkt auch Öl aus Johanniskraut (Hypericum). Nach der Anwendung sollte man das Sonnenlicht meiden, da es sonst zu Verfärbungen der Haut kommen kann. Angenehmer Nebeneffekt des Heilkrauts: Es kann mögliche Narbenschmerzen lindern.
Gängig zur Behandlung von Narben ist Zwiebelextrakt. Extractum cepae wirkt Studien zufolge entzündungshemmend, bakterizid und hemmend auf die Wucherung von Fibroblasten (einem Hauptbestandteil des Bindegewebes).
Durchblutungsfördernde Substanzen wie Rosmarin oder Kampfer sind meist einer von mehreren Bestandteilen in naturheilkundlichen Narbenölen.
Ein weiteres beliebtes Hausmittel zur Narbenpflege ist Aloe vera, die sich sowohl als Saft wie auch als Gel einsetzen lässt. Die Wirkstoffe der Pflanze sollen die Narben mit Feuchtigkeit versorgen und somit geschmeidiger machen. Aloe vera beschleunigt die Wundheilung, wirkt entzündungshemmend und kühlend.
Manche haben auch gute Erfahrungen mit Olivenöl oder Kakaobutter zur Behandlung bestehender Narben gemacht: Regelmässig damit eincremen, das hält das Narbengewebe elastisch.
25 g getrocknete oder
50 g frische kleingeschnittene Ringelblumenblüten
250 ml Öl (Oliven, Lein, Mandel oder Jojoba)
25 g Bienenwachs
Ringelblumenblüten und Öl in einen Topf geben, schwach zum Sieden bringen. 15 Minuten ziehen lassen, ständig umrühren.
Öl durch ein mit einem sauberen Leinentuch ausgelegtes Sieb abseihen.
Ausgezogenes Ringelblumenöl wieder in den Topf giessen und auf den warmen Herd stellen. Bienenwachs hinzugeben, schmelzen lassen (20–30 Sekunden). Während des Abkühlens ständig rühren.
Flüssige Salbe in Döschen abfüllen. Salbendose zunächst mit sauberem Küchenpapier bedecken und Salbe vor dem Verschliessen auskühlen lassen (zum Schutz vor Kondenswasser).
Nicht selten geben Narben „keine Ruhe" respektive wirken sich auf das umliegende Gewebe aus. Hier könnte eine Bindegewebs- bzw. eine Faszienbehandlung hilfreich sein. Komplementärtherapeuten bieten z.B. die Pohltherapie® (Sensomotorische Körpertherapie nach Dr. Pohl®) an. Mit dieser speziellen Bindegewebsbehandlung, die nichts mit der üblichen Bindegewebsmassage zu tun hat, lassen sich die Adhäsionen, Verhärtungen, Verklebungen, Verspannungen an der und um die Narbe lösen. Das Gebiet wird wieder weicher, wärmer und durchlässiger. Damit kann es zur dauerhaften Beseitigung nicht nur der Narbenschmerzen, sondern auch der übrigen Missempfindungen kommen. Auch die inneren Organe - soweit sie beeinträchtigt waren - können wieder besser funktionieren.
Manchmal hat sich die Umgebung der Narben so verhärtet, dass Schmerzpunkte und Dauer-Kontraktionen in Muskeln und Faszien entstanden sind. Dann kann eine aktive Myogelosen- oder Triggerpunktbehandlung sinnvoll sein. Durch erhöhte Druckempfindlichkeit ist die Behandlung am Anfang recht schmerzhaft; durch aktives (Mit-)Bewegen gibt sich dies jedoch rasch. Idealerweise zeigt der Therapeut dem Patienten das Verfahren auch zur Selbstbehandlung daheim.
Dass Narben Störsignale an Nervensystem und Organe senden können, wurde in Westeuropa durch mehrere Schulmediziner entdeckt. Einer von ihnen, Dr. med. Ferdinand Huneke, spritzte ein Lokalanästhetikum in die Unterschenkelnarbe einer Patientin, worauf deren chronische Schulterschmerzen augenblicklich verschwanden.
Ob Neuraltherapie nach Huneke, Bioresonanz oder weitere Entstörungsmethoden: Den schulmedizinischen Segen hat bis dato keines dieser Verfahren, auch wenn es zahlreiche neuraltherapeutische Ärzte gibt, die Erfolge vorweisen können. Und obwohl das Phänomen der Störfelder in der Chinesischen Medizin mit ihrem immensen Erfahrungsschatz plausibel erklärt wird. Wichtig ist: Wer einen «Entstörungs-Experten» sucht, sollte diesen mit Bedacht auswählen.