Spurenelemente sind Mineralstoffe. Weil der Körper nicht alle gleichermassen benötigt, sind diese aufgeteilt in Mengen- und Spurenelemente: Zu den Mengenelementen, von denen der Körper täglich eine höhere Dosis braucht, zählen unter anderem Magnesium und Calcium, Zink und Selen gehören zu den Spurenelementen, weil sie nur in winzigen Spuren benötigt werden.
Trotzdem sind sie lebenswichtig und damit essenziell (vom Körper nicht selbst produziert, darum mit der Nahrung zuzuführen): Zink und Selen sind unersetzlich für wichtige Enzyme, Hormone und den Stoffwechsel. Beide sind Bestandteil von Proteinen, die freie Radikale abfangen beziehungsweise Entzündungsprozesse regulieren.
Autorin: Gisela Dürselen
Es gibt keinen Vorgang im Körper, der nicht direkt oder indirekt von Zink abhängt – unter anderem ist es unersetzlich für Blutbildung, Immunsystem und Insulinspeicherung und auch für die Spermienproduktion. Lern- und Gedächtnisprozesse werden ebenfalls von Zink beeinflusst, wie Forscher der Universität Göteborg kürzlich herausgefunden haben. Bekannt ist Zink vielen durch eine Paste in der Hausapotheke: Sie desinfiziert, heilt Wunden und hilft bei nässenden Hauterkrankungen und Windeldermatitis. Innerlich angewendet, mildert Zink die Symptome von Erkältung, denn der Zinkbedarf steigt bei Infektionen, weshalb eine gesonderte Gabe den Heilungsprozess unterstützt.
Das silbrig-graue und nach der griechischen Mondgöttin Selene benannte Spurenelement Selen ist Bestandteil vieler Anti-Aging-Produkte, denn es unterstützt die Reparatur und Neubildung von Zellen und ist unentbehrlich für das Abfangen freier Radikale. Wie Zink ist auch Selen wichtig fürs Immunsystem und die Fruchtbarkeit; ferner schützt es die Augen-Netzhaut vor UV-Strahlen.
Die beiden Spurenelemente müssen mit der Nahrung aufgenommen werden, denn der Körper kann sie nicht selbst herstellen. Als gute Zink-Quellen gelten Produkte tierischen Ursprungs, zum Beispiel Austern, Eier und Fleisch. Auch pflanzliche Nahrungsmittel wie Linsen, Erd- und Paranüsse, Kürbiskerne, Weizenkeime und Haferflocken enthalten viel Zink. Daniel Brugger M.Sc., Zink-Experte am Lehrstuhl für Tierernährung an der Technischen Universität München (TUM), schränkt jedoch ein: Sekundäre Pflanzenstoffe wie Phytinsäure hemmen die Aufnahme von Mineralstoffen im Darm. Deshalb sei Zink aus tierischen Lebensmitteln für den Körper besser verfügbar als aus pflanzlicher Nahrung. Brugger forscht an Schweinen; die Ergebnisse lassen sich ihm zufolge recht gut auf den Menschen übertragen, weil der Stoffwechsel ganz ähnlich sei. Dass Phytate Mineralstoffe wie Zink binden können, ist seit Längerem bekannt; ihr Einfluss wird kontrovers diskutiert.
Über einen hohen Gehalt an Selen verfügen Seefisch, Ei und Kokosnuss, ferner Sesam, Pilze, Soja und Leinsamen. Eine Pflanze, die besonders stark Selen anreichert, ist laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) die Paranuss. Ferner seien Zwiebel- und Kohlgemüse (Brokkoli, Weisskohl) sowie Spargel und Hülsenfrüchte wie Linsen ergiebige Selen-Lieferanten.
Die Menge an Selen in der Nahrung unterscheidet sich von Region zu Region, denn sie ist abhängig vom Selengehalt der Erde. Mittel- und nordeuropäische Böden sind im Durchschnitt selenarm. Darum enthält Getreide in Deutschland und der Schweiz eher wenig Selen – ein Mangel, der in der Tiermast durch selenhaltige Futterzusätze ausgeglichen wird.
Eine wichtige Rolle spielt das Klima: Wissenschaftler der ETH Zürich und weiteren Forschungsanstalten haben herausgefunden, dass der Klimawandel in vielen Regionen der Welt das Problem selenarmer Böden verstärkt. Damit steige vielerorts das Risiko, an Selenmangel zu erkranken.
Andererseits gibt es die Gefahr einer Anreicherung: Denn jenseits der Nahrung sind Zink und Selen ein industrieller Werkstoff. Zink dient zum Beispiel als Rostschutzmittel; Selen ist ebenfalls wichtig in der Metallindustrie und entsteht unter anderem bei der Verbrennung von Kohle und Öl. Durch Regen und Düngung können sich die Spurenelemente im Boden ansammeln und auf Pflanzen und Tiere toxisch wirken.
Den durchschnittlichen Nährstoffbedarf für gesunde Erwachsene geben die Gesellschaften für Ernährung aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gemeinsam bekannt: Die sogenannten DACH-Werte für Zink liegen bei 14 mg/Tag für einen erwachsenen Mann und 8 mg/Tag für eine Frau. Damit müsste ein Mann zum Beispiel 217 Gramm fettreichen Emmentaler essen, um seinen Tagesbedarf zu decken.
Selen benötigt der Körper in noch viel geringeren Dosen: Männer brauchen täglich 0,07 mg, Frauen 0,06 mg. Mit einem Ei oder sechs Paranüssen könnte ein Mann seinen Tagesbedarf decken. Die DGE weist jedoch darauf hin, dass die Angaben zu Selen wegen der Abhängigkeit vom Boden nur beschränkte Aussagekraft haben.
Die DACH-Empfehlungen sind Schätz- und Richtwerte. Denn was ein Mensch tatsächlich braucht, hängt von mehreren Faktoren ab – und die können sich im Laufe des Lebens auch ändern: Stress, Leistungssport und Genussgifte wie Alkohol und Tabak erhöhen den Bedarf. Auch Schwangere und Stillende benötigen mehr – und vor allem Senioren, weil sie oft weniger essen und ihr Darm generell Nährstoffe schlechter aufnimmt als in jüngeren Jahren. Da das Darm-Mikrobiom eine entscheidende Rolle bei der Verwertung von Nährstoffen spielt, gehören Menschen mit chronischen Darmerkrankungen zu den Mangel-Risikogruppen. Auch eine Reihe weiterer Krankheiten erhöht den Bedarf: Diabetes-Patienten zum Beispiel benötigen mehr Zink, weil es ihr Körper vermehrt mit dem Urin ausscheidet.
Wie der Körper bestimmte Spurenelemente aufnehmen und verwerten kann, darüber entscheidet auch die Kombination dessen, was ein Mensch insgesamt zu sich nimmt. Denn Spurenelemente können mit Medikamenten und anderen Nährstoffen in Wechselwirkung treten: Selen beispielsweise hat Vitamin C als Gegenspieler – was bedeutet, dass sie sich gegenseitig neutralisieren können.
Gegenspieler von Zink sind unter anderem Calcium und Kupfer. So kann ein Übermass an Zink zu Kupfermangel führen und die Blutbildung stören. Zwar bezweifelt Daniel Brugger von der TUM, dass solch gravierende Konsequenzen allein durch die Nahrung herbeigeführt werden können. Aber: «Jemand, der sich einseitig mit Zinksupplementen vollschüttet, kann tatsächlich solche Probleme bekommen. Das Gleiche gilt für Leute, die gerne aus verzinkten Gefässen trinken oder gar in so etwas kochen.» Mit Blick auf die gesamte Nährstoffbilanz sagt Brugger: «Die Aufnahme der verschiedenen Stoffe über den Tag sollte in einem ausgeglichenen Verhältnis liegen, die Dosis macht das Gift.»
Dass Spurenelemente nicht per se nebenwirkungsfrei sind, darauf verweist eine Studie der US-amerikanischen Vanderbilt University in Nashville, die 2016 in der Fachzeitschrift «Nature Medicine» erschienen ist: Die Wissenschaftler hatten den Zinkgehalt im Futter von Labormäusen massiv erhöht. Dadurch veränderte sich deren Darmflora, und die Tiere wurden anfälliger gegenüber einer Infektion mit Clostridium -difficile. Das Bakterium ist ein bekannter Krankenhauskeim und kommt in der Darmflora bei Mäusen und Menschen vor. Wenn sich das Bakterium übermässig vermehrt, kann dies zu schweren Durchfällen führen. Daniel Brugger berichtet von noch viel erschreckenderen Daten bei Schweinen: Eine dauerhaft überhöhte Zinkaufnahme könne zum Auftreten multiresistenter Keime führen. Eine Überladung mit Zink fördere demnach antibiotikaresistente Bakterien.
Auch bei Selen ist die richtige Dosis entscheidend: Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit weist darauf hin, dass die Spanne zwischen Konzentrationen, die Mangelerscheinungen hervorrufen, und toxischen Konzentrationen bei Selen äusserst gering sei.
Abgesehen von Risikogruppen wie Senioren gelten Mitteleuropäer im Allgemeinen als ausreichend mit Zink und Selen versorgt. Dennoch gibt es Ausnahmesituationen wie bei einer Erkältung oder Diät, die relativ schnell zu einem Nährstoffmangel führen können. Bereits eine minimale Unterversorgung mit Zink aber kann die Verdauungsleistung einschränken und die Infektanfälligkeit erhöhen, sagt Daniel Brugger.
Da diese Symptome recht unspezifisch sind, ist die Abklärung eines möglichen Mangels schwierig. Hinzu kommt, dass Brugger eine Blutuntersuchung alleine für wenig aussagekräftig hält: Zu viele Parameter bestimmten den momentanen Befund, und zu viele Zusammenhänge beginne man erst langsam zu verstehen. Zum Beispiel die Tatsache, dass bei Screenings an älteren Menschen eine Zink-Unterversorgung oft mit erhöhten Entzündungsmarkern einhergeht: Zinkmangel verursache Zellstress, sagt Brugger. Ein solcher könne Entzündungen verursachen – andererseits entziehe eine Entzündung ihrerseits dem Körper Zink. Die Frage laute daher: Was ist Ursache, was die Folge?
Bei Verdacht auf einen Mangel empfiehlt Brugger den Besuch bei einem Ernährungsmediziner. Dieser setze Gesundheitszustand und Ernährungsgewohnheiten in Kontext zueinander um abzuklären, ob ein Mangel vorliegt und gegebenenfalls eine Ernährungsumstellung oder eine Supplementierung zu verschreiben.
Laut der nationalen Ernährungserhebung menu.CH des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen von 2015 ernährten sich die meisten der rund 2000 befragten Personen unausgewogen: zu süss, zu salzig, zu viel Fleisch – dafür zu wenig Obst und Gemüse. Gleichzeitig gab fast die Hälfte der Befragten an, Ergänzungsmittel zu sich zu nehmen. Bioverfügbarkeit und Wechselwirkungen sind jedoch komplexe Prozesse – und so liegt der gesundheitliche Wert unserer Ernährung nicht in isolierten Inhaltsstoffen, sondern in der richtigen Mischung aus vielen biologisch aktiven Substanzen. Darum sagt Brugger: «Wer ausgewogen isst und keine gesundheitlichen Probleme hat, muss nichts ergänzen.»
Zuletzt aktualisiert: 09-02-2023