Der Schlag unseres Herzens begleitet uns ein Leben lang – 100 000 Mal pro Tag, ohne dass wir dem grosse Aufmerksamkeit schenken. Lesen Sie in unserer Serie über die Gesundheit des Herzens, was es im Takt hält.
Autorin: Dr. Claudia Rawer
Der unermüdliche Motor des Körpers hält uns am Leben, ohne dass wir dafür etwas tun müssen. Wir verlassen uns darauf, dass ein gesundes Herz regelmässig schlägt und nicht einfach zu pumpen aufhört. Aber: Herz-Kreislauf-Krankheiten sind bei uns seit Jahrzehnten weit vor Krebs die häufigste Todesursache. Allein an einer chronischen Herzschwäche (Herzinsuffizienz) leiden weltweit ungefähr 25 Millionen Menschen, jedes Jahr kommen etwa zwei Millionen dazu.
Ein gesundes Herz wiegt im Durchschnitt 300 Gramm. Es besteht aus einem besonderen Gewebe, dem Herzmuskel oder Myocard, der den Skelettmuskeln ähnelt. Das Zusammenziehen des Herzmuskels, die Kontraktion, bezeichnen wir als Herzschlag. Geschützt vor Stössen und Verletzungen, sitzt das Organ etwas links von der Körpermitte direkt hinter dem Brustbein. Es besitzt zwei Kammern, zwei Vorkammern und vier Ventile – eigentlich eine recht einfache mechanische Konstruktion.
Dieser Motor schlägt ungefähr 4000 Mal pro Stunde, 36 Millionen Mal pro Jahr. In einer Minute befördert das Herz vier bis sechs Liter Blut (und damit auch Nährstoffe, Hormone, Wasser und Sauerstoff) einmal durch unseren gesamten Körper; pro Tag macht das sieben- bis achttausend Liter. Auf ein Menschenleben gerechnet transportiert es die stattliche Menge von rund 180 Millionen Litern – genug, um einen Öltanker zu füllen.
Ein elektrisches Leitungssystem löst diese stetige Pumpleistung aus: Der Sinusknoten, eine Gruppe von spezialisierten Zellen im rechten Vorhof, gibt elektrische Signale ab, die den Impuls für die Kontraktion ab- und den Takt vorgeben. Damit arbeitet das Herz weitgehend unabhängig vom Gehirn. Der Sinusknoten jedoch wird vom vegetativen Nervensystem und hormonalen Mechanismen beeinflusst. So passt er seinen Takt den Bedürfnissen des Körpers und der Psyche an. Je nach nervlichem oder chemischem Signal erhöht oder verlangsamt sich der Puls. Er ist ruhig und regelmässig, wenn wir in Ruhe sind, uns sicher und geborgen fühlen; er steigt bei körperlichen Belastungen und wenn wir unter Stress stehen; er rast, wenn wir jubeln oder Angst haben.
Die schwachen Ströme, die sich vom Sinusknoten über das Herz ausbreiten, lassen sich an der Haut ableiten und am Bildschirm sichtbar machen: Das ist das Elektrokardiogramm (EKG), aus dem der Arzt Rückschlüsse zieht, ob ein Herz gesund ist, aber z.B. auch zurückliegende Herzinfarkte erkennen kann.
Wer einmal mit einem Stethoskop auf seinen Herzschlag lauscht, wird zwei Töne hören, die schnell aufeinander folgen. Bei der so genannten Systole ziehen sich die grossen Herzkammern zusammen und pumpen Blut in den Kreislauf. Wenn sie leer sind, ziehen sich in der darauf folgenden Diastole die Vorhöfe zusammen. Vorhöfe und Herzkammern füllen und leeren sich also immer im Wechsel. Eine Ermüdung, wie wir sie von der Skelettmuskulatur kennen, tritt dabei nicht ein: Unser Herz schlägt unentwegt und unverdrossen.
Ist diese fast unvorstellbare Leistung nicht Grund genug, sich etwas um das Herz zu kümmern? Denn auch wenn es Belastungen und Fehlverhalten jahrelang geduldig erträgt, wird es auf die Dauer Schaden nehmen, wenn wir ihm einen allzu ungesunden Lebensstil zumuten.
Der umfassende Gesundheits-Newsletter von A.Vogel erscheint 1 x pro Monat und enthält Informationen, Tipps, Wettbewerbe und vieles mehr – rund um alle Gesundheitsthemen.
Über Jahrzehnte transportiert das Herz den Blutstrom durch unseren Körper. Dabei kommt es häufig zu Entzündungsreaktionen in der inneren Gefässwand und zu den charakteristischen Ablagerungen (Plaques) der so genannten Arterienverkalkung oder Arteriosklerose. Diese Verhärtung und Verengung der Arterien entsteht durch Bindegewebswucherungen und die Ablagerung von Cholesterin, Blutfetten, Thromben und Kalzium. Neueste Forschungen weisen darauf hin, dass auch altersabhängige, autoaggressive Immunabwehrprozesse an der Aussenseite der Gefässwand eine Rolle in diesem Krankheitsbild spielen.
Hauptrisikofaktoren für die Arteriosklerose sind Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, ungesunde Lebensweise, erhöhte Blutfettspiegel und eben das Alter. Die Verengung der Gefässe betrifft den ganzen Körper und tritt meist in verschiedenen Gefässbezirken (Herz, Gehirn, Beine, Nieren) gleichzeitig auf. Folgeerkrankungen der Arteriosklerose können koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, Infarkt sowie schmerzhafte Erkrankungen der Blutgefässe an Armen und Beinen sein.
«Ihr Blutdruck ist zu hoch» – diese Diagnose stellen Ärzte bei etwa jedem fünften Menschen in den Industrienationen; mit steigendem Alter nimmt die Zahl zu.
Die eigentliche Ursache ist meist unbekannt – wahrscheinlich führen äussere Einflüsse wie Stress, Übergewicht, Rauchen, regelmässiger Alkoholkonsum, hoher Salzkonsum, falsche Ernährung und Bewegungsmangel bei entsprechender genetischer Veranlagung zum Bluthochdruck. Diese «primäre Hypertonie» liegt bei 80 bis 90 Prozent der Betroffenen vor. Die sekundäre Hypertonie, Bluthochdruck aufgrund von anderen Krankheiten wie z.B. einer Nierenerkrankung, macht den Rest der Fälle aus.
Ein Alarmzeichen: Erhöhte Blutdruckwerte machen darauf aufmerksam, dass lebenswichtige Organe im Körper der Gefahr ausgesetzt sind, zu erkranken. Bei länger bestehendem Hochdruck wird sich Arteriosklerose beschleunigt entwickeln, das Herz kann aufgrund der Überlastung Schaden nehmen, das Gehirn steht unter erhöhter Gefahr für einen Schlaganfall, am Auge können Netzhautschäden entstehen und die Funktion der Nieren wird gestört.
Bluthochdruck tut nicht weh und wird meist erst im Rahmen einer Kontrolle entdeckt. Aber nur wer die erhöhten Messwerte als Warnsignal ernst nimmt, kann seine Organe vor kommendem Schaden schützen. Mediziner sind der Ansicht, dass ein gesunder Lebensstil mehr als die Hälfte aller Schlaganfälle und 80 Prozent der Herzerkrankungen verhindern könnte.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in den Industrienationen nach wie vor die häufigste Todesursache. Etwa 40 Prozent aller Todesfälle gehen darauf zurück. Obwohl dank medizinischen Fortschritten rückläufig, rangieren Krankheiten des Herzens als Todesursache immer noch weit vor Krebs, der etwa ein Viertel aller Todesfälle verursacht. Neben der koronaren Herzkrankheit, der Herzinsuffizienz und dem Infarkt, die hier ausführlicher geschildert werden, gehören Herzrhythmusstörungen sowie Herzklappenfehler zu den fünf häufigsten Erkrankungen.
Die Koronargefässe, drei grosse Arterien, die den Herzmuskel kranzförmig umschliessen, versorgen den unablässig pumpenden Herzmuskel mit Blut. Bei einer koronaren Herzkrankheit sind diese Gefässe durch arteriosklerotische Veränderungen verengt; das Herz wird zu wenig durchblutet und erhält nicht genügend Energie in Form von Sauerstoff und Nährstoffen. Die KHK ist die häufigste Herzkrankheit und führende Todesursache in den westlichen Industrieländern; etwa 30 Prozent aller Männer und 15 Prozent aller Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens daran.
Ursachen: Grund für die Minderdurchblutung des Herzens ist, wie bereits gesagt, die Verengung der Herzkranzgefässe durch Arteriosklerose. Die Risikofaktoren sind demnach die gleichen wie bei der Gefässverkalkung.
Symptome und Folgen: Eine KHK kann symptomlos bleiben oder sich in Form einer schmerzhaften Brustenge (Angina pectoris) äussern. Beeinträchtigt die schlechte Durchblutung die elektrische Impulsgebung des Sinusknotens, kann es zu Herzrhythmusstörungen, im schlimmsten Fall zum Herzinfarkt kommen.
Bei Angina pectoris tritt ein mehr oder weniger starker Druckschmerz oder ein Gefühl der Enge in der Brust auf. Schmerz bzw. Druckgefühl werden meist als sehr bedrohlich empfunden, Atemnot und Angst sind charakteristisch. Die Schmerzanfälle treten bei leichteren Gefässverengungen oft nur bei körperlicher Belastung auf; ist die Durchblutung stark eingeschränkt, auch in Ruhe. Weitere Anzeichen für eine KHK können Kurzatmigkeit, ein Schweregefühl in Armen und Schultern oder ausstrahlende Schmerzen in den linken Arm, den Kiefer und oft auch in den Oberbauch sein.
Der Herzspezialist kann eine Verengung der Koronararterien mit einer Angiografie (Herzkatheter) feststellen. Treten Symp-tome wie die oben geschilderten auf, sollten sie unbedingt schnell abgeklärt werden. Vor allem Männer gehen oft viel zu spät zum Arzt!
Auslöser für Schlafstörungen gefunden:
Rund ein Drittel aller Menschen, die an einer Herzerkrankung leiden, schläft schlecht. Warum, wusste man bisher nicht. Bekannt war allerdings, dass viele herzkranke Menschen einen niedrigen Melatoninspiegel haben. Erstmals hat Dr. Karin Ziegler vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie (IPT) an der Technischen Universität München (TUM) mit ihrem Team nun den Auslöser dafür entdeckt, warum Betroffene mit einer Herzerkrankung zu wenig des Schlafhormons Melatonin bilden. «Wahrscheinlich findet im oberen Halsganglion von Herzerkrankten ein Entzündungsprozess statt, der die Nervenzellen zerstört», so die Forscherin. Im Tiermodell fanden die Wissenschaftler heraus, wie man die Nervenzellen schützen kann: Mittels eines Makrophagen-Hemmstoffes, wodurch die Fresszellen zurückgehen und die Melatoninproduktion sich normalisiert. Nun hofft man, entsprechende Medikamente entwickeln zu können. Doch das dauere vermutlich noch Jahre. Was den Forschern um Dr. Ziegler noch auffiel: Bereits die Grösse des oberen Halsganglions kann ein erster Hinweis auf eine Herzerkrankung sein – bei Betroffenen ist es, im Ultraschallbild betrachtet, stark angeschwollen.
Bei einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche) ist das Herz nicht mehr in der Lage, ausreichend Blut durch den Kreislauf zu pumpen. Ist der Herzmuskel stark geschwächt, staut sich das Blut vor dem Herzen zurück in die Lunge, die Leber und die Beinvenen. Die Herzschwäche ist die weltweit am stärksten zunehmende Herz-Kreislauf-Erkrankung. In Deutschland und der Schweiz leiden etwa zwei Prozent der Gesamtbevölkerung daran, eine weitere starke Zunahme wird erwartet.
Ursachen: Bluthochdruck und die koronare Herzkrankheit sind die häufigsten Ursachen für eine Herzinsuffizienz. Bei hohem Blutdruck vergrössert sich der Herzmuskel durch die ständige Belastung und wird dadurch kraftloser. Bei der KHK wird das Herz durch die Unterversorgung mit Blut geschwächt. Auch ein Herzinfarkt infolge einer KHK kann zur Entstehung einer Herzinsuffizienz führen. Weitere Ursachen können Herzklappenfehler, Entzündungen des Herzens oder Lungenkrankheiten sein.
Eine akute Herzschwäche, die z.B. aufgrund von Herzrhythmusstörungen, einer Schädigung der Herzklappe oder einer schweren Herzmuskelentzündung entsteht, ist eine plötzlich auftretende, lebensbedrohliche Situation. Eine chronische Herzinsuffizienz entwickelt sich im Verlauf von Monaten bis Jahren. Die Herzinsuffizienz kann sich überwiegend in der linken oder der rechten Herzhälfte manifestieren, häufig sind aber beide Herzhälften betroffen.
Symptome und Folgen: Bei einer Linksherz-Insuffizienz treten Luftnot, Rasselgeräusche beim Atmen, Husten, Lungenödeme und Blausucht (Zyanose) durch den verminderten Sauerstoffgehalt im Blut auf. Die Atemnot verschlechtert sich oft im Liegen. Bei der Rechtsherz-Insuffizienz staut sich das Blut zurück in die Körpervenen; gestaute, erweiterte Halsvenen, Wassereinlagerungen in Bauch, Unterschenkeln und Füssen sowie eine sprunghafte Gewichtszunahme, Vergrösserung von Leber und Milz, gelegentlich auch eine Entzündung der Magenschleimhaut mit Appetitlosigkeit und Völlegefühl sind die Folge.
Gemeinsames Erscheinungsbild sind rasche Ermüdbarkeit, eingeschränkte Leistungsfähigkeit, schneller Herzschlag (Tachykardie) bei Belastung, Schwindel, Herzrhythmusstörungen und häufiger nächtlicher Harndrang. Diese Beschwerden können sehr belastend sein und die Lebensqualität stark einschränken.
Beim Herzinfarkt verschliesst ein Pfropf aus geronnenem Blut ein Herzkranzgefäss. Ein Teil des Herzmuskels wird dadurch nicht mehr mit Sauerstoff versorgt, das Gewebe stirbt ab und die Herzfunktion wird schwerwiegend beeinträchtigt. Fast immer ist auch die elektrische Erregungsausbreitung in der Herzwand gestört, was zu lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen führen kann.
Es gibt unterschiedliche Schweregrade des Infarkts, vom leichten bis zum tödlichen. Der Herzinfarkt ist eine der Haupttodesursachen in den Industrienationen. Zwar sind die Zahlen in den vergangenen Jahren leicht rückläufig, bei den Frauen aber gibt es einen deutlichen Anstieg.
Ursachen: Die häufigsten Ursachen für einen Herzinfarkt sind Arteriosklerose und koronare Herzkrankheit. Die Risikofaktoren sind dieselben wie bei der KHK: Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes, erhöhte Blutfettwerte, Rauchen, Stress und Bewegungsmangel, das Lebensalter und erbliche Faktoren. Zudem wird diskutiert, ob bestimmte Bakterien aus der Gruppe der Chlamydien an der Entstehung eines Herzinfarktes beteiligt sind.
Symptome und Folgen: Die typischen Anzeichen für einen Herzinfarkt – und hier muss man einschränkend sagen, bei Männern – sind:
... sang Herbert Grönemeyer, und der Infarkt gilt auch heute noch als «Männersache». Tatsächlich ist die Zahl der Herzinfarkte bei Männern und Frauen gleich. Nicht Brustkrebs, wie fälschlicherweise oft angenommen, sondern der Herzinfarkt ist bei Frauen die häufigste Todesursache. Mit den Folgen irgendeiner Herz-Kreislauf-Erkrankung haben sogar mehr Frauen als Männer (55 versus 45 Prozent) zu tun, zunehmend auch jüngere Frauen. Allerdings treten Herzkrankheiten und Infarkt bei ihnen häufig in anderem Gewand auf als bei Männern, so dass die Symptome auch vom Arzt oft verkannt werden.