Zwar beginnt die Entwicklung des Immunsystems bereits im Mutterleib, der erste Kontakt mit Krankheitserregern findet jedoch nach der Geburt statt. Im Vergleich zu den Abwehrkräften eines Erwachsenen fehlt es dem kindlichen, erworbenen Immunsystem allerdings an Erfahrung mit körperfremden Antigenen. Hinzu kommt, dass das angeborene Immunsystem zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht voll entwickelt ist.
Autorin: Dr. Silke Kerscher-Hack
In der ersten Zeit nach der Geburt schützen daher mütterliche Antikörper die Säuglinge vor Krankheitserreger. Dieser sogenannte Nestschutz lässt nach etwa drei Monaten nach. Während dieser Zeit arbeitet der kindliche Organismus jedoch an einer eigenen Immunabwehr: Mit jedem Erregerkontakt lernt das kindliche Abwehrsystem einen neuen Keim kennen und findet einen Weg, diesen unschädlich zu machen. Bei erneutem Kontakt mit dem Erreger erinnern sich die sogenannten Lymphozyten, eine Untergruppe der weissen Blutkörperchen und das Immunsystem kann schneller und gezielter den Eindringling abwehren.
Zu einer Infektion kommt es also immer dann, wenn den Abwehrkräften der Erreger (noch) unbekannt ist. Das kindliche Immunsystem „braucht" daher Husten, Schnupfen und Halsweh. Nur auf diese Weise kann sich die Körperabwehr weiterentwickeln. In einer Umgebung, in der ständig auf perfekte Hygiene geachtet wird, kann ein Immunsystem nichts lernen.
Wenn Kinder eine Erkältung nach der anderen bekommen, machen sich Eltern oft grosse Sorgen. Das vermehrte Auftreten von einfachen viralen Infektionen, die ohne Komplikationen wieder ausheilen, sind jedoch kein Hinweis für eine Abwehrschwäche, insbesondere dann nicht, wenn das Kind häufig Kontakt zu anderen Kindern hat (z. B. in einer Kindertagesstätte). Eine erhöhte Erkältungsanfälligkeit, welche auf eine Immunschwäche hindeutet, besteht erst wenn
Unter dem Begriff „Immunität" versteht man die Unempfindlichkeit (Resistenz) eines Organismus vor äusseren Angriffen wie z. B. durch Viren, Bakterien oder Pilze. Immunität bedeutet also Schutz vor Infektionskrankheiten. Sie setzt sich aus einer angeborenen und erworbenen (adaptiven) Resistenz zusammen:
Dieses Abwehrgedächtnis ist auch der Grund, weshalb Menschen an einigen Krankheiten, wie z. B. Masern, nur einmal im Leben erkranken. Die Widerstandsfähigkeit ist aber nicht zwingend an diese spezifischen Mechanismen gebunden: Das dem Masernvirus eng verwandte Virus der Hundestaupe beispielsweise verursacht beim Menschen zu keinem Zeitpunkt eine Krankheit. Diese Immunität beruht auf der angeborenen, unspezifischen Resistenz. Dabei wird der Erreger anhand bestimmter Oberflächenstrukturen als fremd erkannt und unschädlich gemacht. Der Mensch ist demzufolge gegen einige Krankheitserreger von Anfang an immun, gegen andere kann er Immunität erwerben.
Bei einer erhöhten Infektanfälligkeit aufgrund einer angeborenen oder erworbenen Abwehrschwäche wird der Kinderarzt ein gut überprüftes Behandlungsverfahren einleiten. Bei einer normalen Entwicklung sind medikamentöse Massnahmen zur Immunstärkung nicht nötig, da das kindliche Abwehrsystem – ebenso wie andere Organe auch – wächst und ausreift. Das Immunsystem wird trainiert und für später gestärkt.
Immunstärkende Mittel können die Abwehrkräfte Erwachsender stärken, für Kinder jedoch gefährlich werden. Beispielsweise ist Knoblauch für Kinder, die jünger als 10 Monate sind, tabu. Kindern unter einem Jahr darf kein Honig gegeben werden. Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sollte ebenfalls vor der ersten Gabe mit einem Kinderarzt besprochen werden.
Zur Stärkung des Immunsystems kommen neben einer mikrobiologischen Therapie, welche die geschädigte Darmflora wieder aufbauen soll, auch die Phytotherapie infrage sowie bestimmte Verfahren, wie z. B. die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), die Biochemie nach Schüssler oder ernährungstherapeutische Ansätze. Die Homöopathie berücksichtigt neben den Beschwerden auch die spezifischen seelischen und konstitutionellen Voraussetzungen (die körperliche Anlage und psychische Struktur betreffend).
Vor dem Einsatz von Phytotherapeutika, also (Frisch-)Pflanzenextrakten, sollte man sich mit dem Kinderarzt besprechen. Hilfreich können sein:
Des Weiteren lässt sich die kindliche Gesundheit durch folgende, einfache Massnahmen unterstützen:
Angeborene (primäre) Immundefekte sind sehr selten – etwa ein Kind von 10'000 ist betroffen. Bei ihnen funktioniert das körpereigene Abwehrsystem nur unzureichend, weswegen es Krankheitserreger wie Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten nicht angemessen abwehren kann. Typisch sind:
Die Ursache eines angeborenen Immundefekts ist ein genetischer Fehler – die Abwehrschwäche wird also vererbt. So ein Defekt kann bereits unmittelbar nach der Geburt, aber auch erst später im Leben auftreten. Im Unterschied hierzu entstehen erworbene (sekundäre) Abwehrschwächen beispielsweise durch Ansteckungskrankheiten (z. B. Masern), Tumorerkrankungen (z. B. Leukämie) oder Medikamente (z. B. die das Immunsystem unterdrückenden Immunsuppressiva).
Bei einer Erkältung ist ein Arztbesuch ratsam, wenn
Während der Erkältungszeit in Herbst und Winter haben Viren und Bakterien Hochkonjunktur. Sie fühlen sich bei den niedrigen Temperaturen besonders wohl und vermehren sich schnell. Hinzu kommt, dass das nasskalte Wetter und die schwankenden Temperaturen das kindliche Immunsystem stark belasten. Das Heizen in den Wohnräumen reizt die Schleimhäute in den Atemwegen zusätzlich und trocknet sie aus. Die Folge ist ein schlechterer Abtransport von Krankheitserreger – die Kinder sind anfälliger für Ansteckungen. Psychischer und physischen Stress, Schlafmangel oder ein Nährstoffmangel schwächen das Immunsystem weiter und führen dazu, dass eine Entzündung die nächste jagt.
Die kindliche Gesundheit lässt sich durch einfache Massnahmen unterstützen:
Je mehr sich Kinder im Alter von vier bis sieben Jahren tagsüber bewegen, desto seltener erkranken sie an oberen Atemwegserkrankungen. Das ist Ergebnis einer Beobachtungsstudie, die in «Pediatric Research» veröffentlicht wurde. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, dass Kinder und Jugendliche sich täglich mindestens eine Stunde lang mit mässiger bis kräftiger Intensität, am besten aerob (= mit Sauerstoff), körperlich betätigen sollten. Bei Kindern im Alter von vier bis sechs Jahren ist dies mit etwa 10 000 bis 14 000 Schritten pro Tag verbunden.
Bereits während der Schwangerschaft können werdende Mütter einiges tun, um das Immunsystem ihres ungeborenen Kindes zu stärken, indem sie
Basis für ein gut funktionierendes Immunsystem ist eine abwechslungsreiche ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse entsprechend der Ernährungspyramide. Denn nur mit dem richtigen Nährstoffmix kann das kindliche Immunsystem Krankheitserreger optimal abwehren. Für eine starke Abwehrkraft sind insbesondere folgende Vitamine und Mineralstoffe wichtig:
Der grösste Teil des Immunsystems befindet sich jedoch im Darm. Die Funktion dieser Abwehrzellen ist unter anderem von den Darm-Bakterien abhängig. Aus diesem Grund profitieren Kinder von einer gut genährten Darmflora. Ballaststoffe aus Vollkornprodukten oder Gemüse, sogenannte Präbiotika, dienen diesen Mikroben als Futter und sollten daher nicht auf dem Speiseplan fehlen. Ebenfalls unterstützen Milchprodukte mit lebenden Bakterien (Probiotika) und fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut ein starkes Immunsystem, indem sie für ein positives Darmmilieu sorgen.
Internet
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PDF
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin: Mein Kind hat ständig Infekte... (2018), https://www.dgkj.de/fileadmin/user_upload/images/Elternseite/Elterninformationen/DGKJ_Infekte_18.pdf
Liese: Das infektanfällige Kind, Z. Allg. Med. 2003; 79:483 – 489. https://www.online-zfa.de/fileadmin/user_upload/Heftarchiv/ZFA/article/2003/10/10.1055-s-2003-43443.pdf
Bücher
Kayser, Bienz, Eckert, Zinkernagel: Medizinische Mikrobiologie, Thieme, 10. Auflage (2001)
Naturmedizin für Kinder, Zabert Sandmann, 1. Auflage (2005)
Mayatepek: Pädiatrie, Urben & Fischer, 1, Auflage (2007)
Zuletzt aktualisiert: 12-12-2024